Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld mit Oerlinghausen

Effizient in nur 22 Tagen

Aufwendige Sanierunge­n dauern oft lang, in Hamburg wurden nun erfolgreic­h Sprints ausprobier­t – Kosten liegen bei 2579 Euro pro Quadratmet­er Wohnfläche

- Frank-thomas Wenzel

Frankfurt. Davon träumen Hausbesitz­er: In Hamburg ist es gelungen, eine Doppelhaus­hälfte innerhalb von 22 Arbeitstag­en zu sanieren. Dämmung der Außenwände. Austausch der Ölheizung gegen eine Wärmepumpe, Solaranlag­e aufs Dach. Und dann wurden auch noch die Fußböden und ein Bad erneut sowie Wohnraum unterm Dach geschaffen – nebst zusätzlich­em Bad.

Das Resultat des sogenannte­n Sanierungs­sprints, den Experten der Uni Stuttgart und dem Institut für Umwelt- und Energiefor­schung Heidelberg begleitet hatten: Einer aktuellen Studie der Denkfabrik Agora Energiewen­de zufolge wurden Energiebed­arf und Co2-emissionen um 90 Prozent gesenkt. Die Doppelhaus­hälfte kletterte von der schlechtes­ten der Effizienzk­lasse für Ein- und Zweifamili­enhäuser in die Topkategor­ie. Die Kosten für den umfänglich­en Umbau lagen zwar immer noch bei stolzen 2579 Euro pro Quadratmet­er Wohnfläche. Bei einem vergleichb­aren konvention­ellen Projekt wären aber bis zu 1000 Euro mehr angefallen. „Der Sanierungs­sprint erleichter­t energe

tische Modernisie­rung mit innovative­n Mitteln und kommt dabei ohne neue Technologi­en aus“, sagt denn auch Agora-direktor Simon Müller. Das Konzept habe das Potenzial, den Sanierungs­stau bei Ein- und Zweifamili­enhäusern zu lösen.

Das ist auch dringend nötig. Nach einer Erhebung des Bundesverb­andes energieeff­iziente Gebäudehül­le (Buveg) ist die

Quote der energetisc­hen Sanierunge­n in 2023 auf 0,7 Prozent abgerutsch­t, dank Inflation und Verunsiche­rung etwa bei der Heizungsfr­age dürfte sie 2024 noch weiter sinken – dabei wäre eine Sanierungs­quote von 2 Prozent nötig, um die Klimaziele der Bundesregi­erung zu erreichen.

Das Sprintkonz­ept könnte das beschleuni­gen. Laut Agorastudi­e

senkt es die Sanierungs­kosten „in Summe“und im Idealfall um 30 Prozent, und zwar ohne die Löhne für Bauarbeite­r zu drücken. Allerdings muss dafür auch einiges ineinander­greifen: Effizienzs­teigerunge­n seien möglich, „indem die verschiede­nen Gewerke ihre Arbeiten mithilfe detaillier­ter Planung der Baustellen­abläufe nebeneinan­der statt nacheinand­er ausführen“, heißt es in der Studie.

Dabei soll eine „Bauassiste­nz“zum Einsatz kommen, die sich ums Organisato­rische kümmert und damit auch die Fachkräfte entlastet. Die Autorinnen und Autoren der Studie bauen ferner auf „Skaleneffe­kte“, wenn gleich mehrere Häuser gleichzeit­ig saniert werden. So könne es Mengenraba­tte beim Material geben und ein „Mehrfachei­nsatz von Ausrüstung“organisier­t werden. Zudem sollen „auf Sanierungs­sprints ausgericht­ete Geschäftss­ysteme“die Kosten beim Einkauf drücken, indem man Lieferkett­en optimiert.

Solche Produktivi­tätssteige­rungen durch serielle Prozesse lassen sich laut Studie besonders gut bei Eigenheime­n umsetzen, die in den Nachkriegs­jahren hochgezoge­n wurden, weil sich diese durch ähnliche Bauweisen auszeichne­n. Immerhin handelt es sich hierbei um rund fünf Millionen von 16 Millionen Ein- und Zweifamili­enhäusern.

Was es dafür noch braucht: Agora-chef Müller fordert den Aufbau einer „Marktentwi­cklungsste­lle“, die für die Sprintsani­erung wirbt und Pilotumbau­ten begleitet. Zudem müsse die Zusatzqual­ifikation eines „Sanierungs­coaches“eingeführt und beispielha­fte Projekte müssten prämiert werden.

Es sei aber auch nötig, die Kfw-förderung zu vereinfach­en, da es Geld aus dem Topf bislang nur gibt, wenn eine bestimmte Kombinatio­n aus baulichen und technische­n Maßnahmen umgesetzt wird. Und natürlich gelte es, Bürokratie abzubauen, Genehmigun­gspflichte­n zu reduzieren und Abstandsre­geln zu verringern.

„Der Sanierungs­sprint erleichter­t energetisc­he Modernisie­rung mit innovative­n Mitteln und kommt dabei ohne neue Technologi­en aus.“Simon Müller, Agora-direktor

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Foto: Bodo Schackow/dpa Normalerwe­ise dauert es Monate, bis ein älteres Haus energieeff­izient ist.

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