Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld mit Oerlinghausen
Effizient in nur 22 Tagen
Aufwendige Sanierungen dauern oft lang, in Hamburg wurden nun erfolgreich Sprints ausprobiert – Kosten liegen bei 2579 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche
Frankfurt. Davon träumen Hausbesitzer: In Hamburg ist es gelungen, eine Doppelhaushälfte innerhalb von 22 Arbeitstagen zu sanieren. Dämmung der Außenwände. Austausch der Ölheizung gegen eine Wärmepumpe, Solaranlage aufs Dach. Und dann wurden auch noch die Fußböden und ein Bad erneut sowie Wohnraum unterm Dach geschaffen – nebst zusätzlichem Bad.
Das Resultat des sogenannten Sanierungssprints, den Experten der Uni Stuttgart und dem Institut für Umwelt- und Energieforschung Heidelberg begleitet hatten: Einer aktuellen Studie der Denkfabrik Agora Energiewende zufolge wurden Energiebedarf und Co2-emissionen um 90 Prozent gesenkt. Die Doppelhaushälfte kletterte von der schlechtesten der Effizienzklasse für Ein- und Zweifamilienhäuser in die Topkategorie. Die Kosten für den umfänglichen Umbau lagen zwar immer noch bei stolzen 2579 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Bei einem vergleichbaren konventionellen Projekt wären aber bis zu 1000 Euro mehr angefallen. „Der Sanierungssprint erleichtert energe
tische Modernisierung mit innovativen Mitteln und kommt dabei ohne neue Technologien aus“, sagt denn auch Agora-direktor Simon Müller. Das Konzept habe das Potenzial, den Sanierungsstau bei Ein- und Zweifamilienhäusern zu lösen.
Das ist auch dringend nötig. Nach einer Erhebung des Bundesverbandes energieeffiziente Gebäudehülle (Buveg) ist die
Quote der energetischen Sanierungen in 2023 auf 0,7 Prozent abgerutscht, dank Inflation und Verunsicherung etwa bei der Heizungsfrage dürfte sie 2024 noch weiter sinken – dabei wäre eine Sanierungsquote von 2 Prozent nötig, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen.
Das Sprintkonzept könnte das beschleunigen. Laut Agorastudie
senkt es die Sanierungskosten „in Summe“und im Idealfall um 30 Prozent, und zwar ohne die Löhne für Bauarbeiter zu drücken. Allerdings muss dafür auch einiges ineinandergreifen: Effizienzsteigerungen seien möglich, „indem die verschiedenen Gewerke ihre Arbeiten mithilfe detaillierter Planung der Baustellenabläufe nebeneinander statt nacheinander ausführen“, heißt es in der Studie.
Dabei soll eine „Bauassistenz“zum Einsatz kommen, die sich ums Organisatorische kümmert und damit auch die Fachkräfte entlastet. Die Autorinnen und Autoren der Studie bauen ferner auf „Skaleneffekte“, wenn gleich mehrere Häuser gleichzeitig saniert werden. So könne es Mengenrabatte beim Material geben und ein „Mehrfacheinsatz von Ausrüstung“organisiert werden. Zudem sollen „auf Sanierungssprints ausgerichtete Geschäftssysteme“die Kosten beim Einkauf drücken, indem man Lieferketten optimiert.
Solche Produktivitätssteigerungen durch serielle Prozesse lassen sich laut Studie besonders gut bei Eigenheimen umsetzen, die in den Nachkriegsjahren hochgezogen wurden, weil sich diese durch ähnliche Bauweisen auszeichnen. Immerhin handelt es sich hierbei um rund fünf Millionen von 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäusern.
Was es dafür noch braucht: Agora-chef Müller fordert den Aufbau einer „Marktentwicklungsstelle“, die für die Sprintsanierung wirbt und Pilotumbauten begleitet. Zudem müsse die Zusatzqualifikation eines „Sanierungscoaches“eingeführt und beispielhafte Projekte müssten prämiert werden.
Es sei aber auch nötig, die Kfw-förderung zu vereinfachen, da es Geld aus dem Topf bislang nur gibt, wenn eine bestimmte Kombination aus baulichen und technischen Maßnahmen umgesetzt wird. Und natürlich gelte es, Bürokratie abzubauen, Genehmigungspflichten zu reduzieren und Abstandsregeln zu verringern.
„Der Sanierungssprint erleichtert energetische Modernisierung mit innovativen Mitteln und kommt dabei ohne neue Technologien aus.“Simon Müller, Agora-direktor