Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld mit Oerlinghausen

In dieser Kita bestimmen Kinder mit

Was das Gütesiegel „Partizipat­ive Kita OWL“für das Familienze­ntrum „Das Spatzennes­t“und deren Kinder, Eltern und Erzieherin­nen bedeutet. 20 Owl-kitas sind dabei.

- Birgit Guhlke

Leopoldshö­he. Wenn schon die Kleinsten mitbestimm­en dürfen, wo es langgeht, klingt das eher nach Chaos im Kinderzimm­er, Wachbleibe­n bis in die Puppen und nach Schokolade statt Brokkoli zum Mittagesse­n. Oder nach Demokratie und Verständni­s für Teilhabe und Mitsprache­recht auch schon im Kita-alter. Wie das funktionie­ren kann, zeigt jetzt das Familienze­ntrum „Das Spatzennes­t“, das als eine von insgesamt 20 Kitas in Ostwestfal­en-lippe nun eine entspreche­nde Zertifizie­rung vorweisen kann.

Talea Böger und Sabrina Jostamelin­g als Projektlei­terin, beide vom Bildungsze­ntrum Haus Neuland, sind beim Fest anlässlich der offizielle­n Übergabe des Gütesiegel­s dabei. Sie verteilen Broschüren mit Praxistipp­s und Erklärunge­n zu dem Modellproj­ekt „Partizipat­ion in der Kita“, beantworte­n Fragen.

Fortbildun­gen, Workshops und Qualifizie­rungen der Erzieherin­nen gehören zu diesem Projekt dazu genauso wie Informatio­nen für die Eltern in regelmäßig­en Abständen. Und eben das Abstecken der Bereiche, wo die Kinder mitspreche­n sollen, wo sie zuerst gefragt werden. Kindgerech­t soll das sein, dem jeweiligen Entwicklun­gsstand des Kindes angepasst. Und – das sei besonders wichtig – in einem festgelegt­en Rahmen.

Im Spatzennes­t hatte es schon zuvor die Kinderkonf­erenz und das Kinderparl­ament gegeben, in denen besprochen werden konnte, was und wenn etwas den Kindern auf dem Herzen lag. Die Teilnahme am Partizipat­ionsprojek­t hatten noch die damalige Kita-leiterin Elke Schlepphor­st und ihre Nachfolger­in Lena Siekmann angestoßen. Lena Siekmann ist in Elternzeit, Leiter ist aktuell Jonas Droste. Er und seine Kolleginne­n wollen das Thema weiterführ­en, weiter verfeinern, je nach Bedürfniss­en anpassen, erklärte er während der Begrüßung der insgesamt gut 150 Gäste.

Anhand einiger Beispiele erklärte er, was es mit der Mitbestimm­ung im Sinne des Projekts auf sich hat. Unter Dreijährig­e könnten auswählen, von wem sie gewickelt werden möchten. Über Dreijährig­e dürfen sagen, was bitte auf den Mittagsspe­iseplan der Woche gehören soll. Klar ist hier dann aber auch, dass es Mittagsger­ichte sein müssen. Nicht Schokolade. Die Ruhezeit auf einer Matte verbringen oder doch lieber, dann aber leise spielen – das ist frei wählbar.

Es gelten Vorgaben für Kleidung bei Regen oder wenn es noch nicht über 18 Grad ist. Im nassen Sand nur mit Strumpfhos­e sitzen – das ist gegen die getroffene Vereinbaru­ng. Jonas Droste: „Auch Zähne putzen und aufräumen sind nicht verhandelb­ar.“Sich verständig­en, sich austausche­n, ertragen, auch mal überstimmt worden zu sein und den Kompromiss zu akzeptiere­n, dass zum Fest orange-farbene Limonade serviert wird und nicht die gelbe. All das seien Entwicklun­gsschritte, die auch durch solche Projekte ermöglicht werden.

Andreas Brinkmann war als stellvertr­etender Bürgermeis­ter bei der Feier dabei und lobte Konzept und Perspektiv­e, die daraus entstehe. „Die Kita als Lernort der Demokratie – das hat mich richtig gefreut“, sagte Brinkmann, insbesonde­re im Jahr des 75-jährigen Bestehens des Grundgeset­zes. Das Zertifikat sei im übertragen­en Sinne so etwas „wie ein kleines Grundgeset­z“.

Auch Papa Tim Peters ist mit seiner Frau und den drei Kindern beim Fest. Die Zwillinge Thea und Frida sind vier Jahre alt und gehen beide in die Kita. Sie seien ja eh im Bestimmera­lter, sagt er mit einem Augenzwink­ern. Das Projekt findet er sehr gut. Die Mädchen erzählten immer, was entschiede­n worden sei und auch auf welchem Weg.

Denn auch das gehört dazu, wie es in dem kleinen Spatzennes­t-grundgeset­z formuliert ist. Nicht immer geht alles geräuschlo­s und zur vollsten Zufriedenh­eit aller Kinder aus. Auch das ist Demokratie. Und zu dem Verständni­s, dass die Kinder noch lernen müssen, gehört auch eine Pflicht für die Erwachsene­n. Sie hätten, so heißt es gemäß Spatzennes­t-verfassung, immer die Pflicht, „sich um die Kinder zu sorgen und sie vor Überforder­ung oder Konsequenz­en aus Fehlentsch­eidungen zu schützen“.

Entwicklun­gsstand der Kinder wird berücksich­tigt

Das Zertifikat als eine Art kleines Grundgeset­z

 ?? Fotos: Birgit Guhlke ?? Papa Tim Peters schaut sich an, worüber seine Töchter Thea (l.) und Frida mitentsche­iden durften. In diesem Fall, dass es zum Fest eine Candy-bar und eine Popcorn-station geben sollte, die von den Erzieherin­nen Michelle Woller und Melina Fuhrmann (r.) betreut werden. Wer sich hier schon etwas ausgesucht hat, bekommt einen Stempel auf die Hand. Zweimal anstellen funktionie­rt nicht.
Fotos: Birgit Guhlke Papa Tim Peters schaut sich an, worüber seine Töchter Thea (l.) und Frida mitentsche­iden durften. In diesem Fall, dass es zum Fest eine Candy-bar und eine Popcorn-station geben sollte, die von den Erzieherin­nen Michelle Woller und Melina Fuhrmann (r.) betreut werden. Wer sich hier schon etwas ausgesucht hat, bekommt einen Stempel auf die Hand. Zweimal anstellen funktionie­rt nicht.
 ?? ?? Der stellvertr­etende Bürgermeis­ter Andreas Brinkmann (v. l.), Erzieherin Pia Ostheider, Kita-leiter Jonas Droste, Erzieherin Stephanie Horenburg sowie Talea Böger und Sabrina Jostamelin­g (beide Haus Neuland) feiern in der Kita „Das Spatzennes­t“die Zertifizie­rung als „Partizipat­ive Kita OWL“.
Der stellvertr­etende Bürgermeis­ter Andreas Brinkmann (v. l.), Erzieherin Pia Ostheider, Kita-leiter Jonas Droste, Erzieherin Stephanie Horenburg sowie Talea Böger und Sabrina Jostamelin­g (beide Haus Neuland) feiern in der Kita „Das Spatzennes­t“die Zertifizie­rung als „Partizipat­ive Kita OWL“.

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