Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld mit Oerlinghausen
Berlin und Paris sind die Garanten für ein gemeinsames freies Europa
Macron auf Staatsbesuch in Deutschland
Der letzte französische Präsident auf Staatsbesuch in Deutschland war Jacques Chirac. Das war vor 24 Jahren. Damals hieß der Bundespräsident Johannes Rau, Kanzler war Gerhard Schröder. Nun reist Emmanuel Macron nach Berlin. Ein Besuch unter Freunden, doch Dissonanzen sind bei seiner Visite nicht zu überhören.
Doch zunächst das Positive: Um die Einzigartigkeit der deutsch-französischen Beziehungen herauszustreichen, hat Bundespräsident Frank-walter Steinmeier Macron, der von seiner Ehefrau Brigitte begleitet wird, als einzigen ausländischen Gast zu den Feiern zum 75jährigen Bestehen des Grundgesetzes eingeladen.
Das deutsche Staatsoberhaupt, Bundeskanzler Olaf Scholz, und Macron wollen gleichzeitig für die in zwei Wochen anstehende Europawahl werben. Besonders junge Wähler stehen im Zentrum ihrer Bemühungen. Denn das neue Europa, das sich für zukünftige Generationen herausbilden muss, wird von vielen jungen Menschen zunehmend abgelehnt. Nationale Interessen gewinnen bei ihnen die Oberhand, ein Feld, das insbesondere von extremen Parteien bespielt wird. Dieser Entwicklung will die deutsch-französische Achse in Europa entgegenwirken.
Und da sind wir auch schon bei den Differenzen zwischen Berlin und Paris. Macron zeigte sich zweimal ziemlich angefressen, als er auf seine beiden großen Europa-reden an der Pariser Sorbonne-universität keine zustimmenden Signale aus dem Kanzleramt erhielt. Beim ersten Mal führte dort noch Angela Merkel die Amtsgeschäfte. Beim zweiten Mal äußerte sich Scholz nur schmallippig.
In der Ukraine-politik schreiten Deutschland und Frankreich auch nur zögerlich Seite an Seite. Während Macron für eine autonome europäische Verteidigungsstrategie plädiert, längst weitreichende Raketensysteme an Kiew liefert und gar den Einsatz von Bodentruppen ins Gespräch brachte, versucht Scholz, der weiter auf den transatlantischen Partner USA baut, trotz massiver Waffenlieferungen (ohne Taurus-raketen) eher deeskalierend zu wirken. Und schließlich knirscht es auch in der Wirtschaftspolitik, insbesondere im Verhältnis zu China. Macron fordert Härte, Scholz Partnerschaft.
Der Staatsbesuch mag in einigen strittigen Fragen Annäherung und im Einzelfall sogar Lösungen aufzeigen. Es wird aber nur der Beginn eines längeren Vertrauensprozesses sein können. Dazu könnte am Dienstag auch die Verleihung des Westfälischen Friedenspreises an Macron in Münster einen kleinen Beitrag leisten. Denn die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe, die den Preis alle zwei Jahre vergibt, ist sich sehr bewusst, welchen Stellenwert die deutsch-französische Freundschaft in einem gemeinsamen freien Europa haben muss.
„Der Westfälische Friedenspreis in Münster leistet seinen Beitrag zur deutschfranzösischen Freundschaft“