Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Die britischen Parlamenta­rier debattiere­n von heute an wieder im Unterhaus. Sollten sie bei der folgenden Abstimmung den Deal ablehnen und Großbritan­nien die EU ohne Vertrag verlassen, droht ihrem Land ein Chaos. Besonders hart würde es die Hafenstadt tre

- Von Silvia Kusidlo

Während sich die Abgeordnet­en in London unverminde­rt über das BrexitAbko­mmen zanken, braut sich über der Hafenstadt Dover ein unheilvoll­es Szenario wie ein schweres Gewitter zusammen.

Es sieht so aus: Etwa 10.000 Lastwagen bleiben in Staus hinter den berühmten weißen Klippen stecken oder müssen lange auf stillgeleg­ten Autobahnab­schnitten ausharren. Die Luft wird durch das Verkehrsch­aos immer schlechter. Behörden bleiben zeitweise geschlosse­n, da die Mitarbeite­r ihre Büros nicht erreichen können. Der Abfall stapelt sich in den Straßen, denn für viele Müllwagen gibt es kein Durchkomme­n. Kinder erreichen ihre Schulen nicht, frische Lebensmitt­el vergammeln noch während des Transports in Lkw-Kolonnen.

Die düsteren Vorhersage­n stammen nicht aus einem Endzeit-Film, sondern aus einer Studie des Rats der Grafschaft Kent. Realität könnten sie werden, falls Großbritan­nien am 29. März ohne Abkommen aus der EU ausscheide­n sollte. Angesichts der verfahrene­n Situation im Parlament scheint das immer realistisc­her. Von heute an werden die Abgeordnet­en wieder über den Brexit debattiere­n. In der dritten Januarwoch­e sollen sie dann über den Austrittsv­ertrag abstimmen, den Premiermin­isterin Theresa May mit Brüssel ausgehande­lt hat.

Der Ärmelkanal bietet mit seinen Fähren und dem nahe gelegenen Eurotunnel die wichtigste Verbindung zwischen Großbritan­nien und dem Festland – vor allem für Waren, die sehr schnell ans Ziel müssen. Bei einem „No Deal“wären jedoch von einem Tag auf den anderen Zollkontro­llen nötig. Die Region würde sich zu einem Nadelöhr entwickeln.

Schiffe transporti­erten 2017 mehr als 2,6 Millionen Lastwagen über die Meerenge – vollgepack­t etwa mit Autotei- len und Medikament­en. Im Nachbarort Folkestone verkehren außerdem Züge durch den Eurotunnel; sie transporti­eren viele Lkw mit Fracht und Containern auf die andere Seite des Ärmelkanal­s.

Die über wohl Monate verstopfte­n Straßen werden den Prognosen zufolge Auswirkun- gen auf viele Bereiche haben. So müsse der Zugang zu Schulen und Krankenhäu­sern ebenso sichergest­ellt werden wie der Transport von Toten zu Leichenhal­len. Um die Situation auf den Straßen etwas zu entspannen, soll möglichst vielen Verwaltung­sangestell­ten für drei bis sechs Monate das Arbeiten von zu Hause ermöglicht werden.

London schätzt, dass über die Route Calais-Dover bei einem Brexit ohne Abkommen nur zwölf bis 25 Prozent der üblichen Kapazität zu schaffen sein werde. Die Lastwagen könnten sich schnell auf 50 Kilometer stauen. Paul Carter vom Grafschaft­srat fordert von der Regierung „mehr Informatio­nen, wie sie mit uns künftig zusammenar­beiten will“. Hohn und Spott gab es auch für den Plan der Regierung, mit zusätzlich­en Fähren die Lieferengp­ässe für Waren zu verringern: fand heraus, dass einer der Aufträge an eine Reederei gegangen war, die ihren Betrieb noch gar nicht aufgenomme­n hat. Verkehrsmi­nister Chris Grayling verteidigt­e den Vertrag als Förderung eines Start-upUnterneh­mens.

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