Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
NRW und Niedersachsen wollen die Debatte vor der Europawahl im Mai zuspitzen. Mit jungen Kräften will die Partei das Vertrauen in den Sozialstaat zurückgewinnen. Die Botschaft ist deutlich
ses Treffen – und zwar presseöffentlich – vor der ersten Sitzung der Bundestagsfraktion stattfindet, ist in der SPD aufmerksam registriert worden.
Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles kommt nach Osnabrück ebenso wie die Landeschefs von Niedersachsen und aus NRW, Ministerpräsident Stephan Weil und Sebastian Hartmann. Dazu Bremens Bürgermeister Carsten Sieling, der sich parallel zur Europawahl den Wählern der Hansestadt stellen muss. Auch Martin Schulz ist da und eröffnet die erste Themendebatte – zur Europawahl.
Und Schulz wird gleich deutlich. Während der britische Botschafter Sebastian Wood um Verständnis für die Brexit-Entscheidung wirbt und versichert, dass „Sicherheit und Wohlstand unserer Länder untrennbar miteinander verbunden sind“, gehen Schulz und auch Ex-Außenminister Sigmar Gabriel damit hart ins Gericht. Schulz verweist auf die drohende bipolare Welt, in der China und die USA ohne Blick auf Europa ihre Interessen durchsetzen. Er spricht von einer „Schicksalswahl für die EU, für unser Land und für die SPD“. Man müsse klar machen, dass es um konkrete Ziele wie einen europäischen Mindestlohn und ein europäisches Steuersystem geht, das internationale Konzerne zur Kasse bittet.
Ähnlich argumentiert Gabriel: „Die EU ist jetzt schon geostrategisch eine Nullnummer. Aber noch viel mehr nach dem Austritt Großbritanniens.“Gabriel verweist allerdings schärfer als Schulz darauf, dass auch die Interessen der Menschen in Deutschland eine größere Bedeutung erhalten. „Wie erklärt maneinem Nokia-Arbeiter, dass mithilfe deutscher Steuergelder ihre Arbeitsplätze ersetzt werden durch billigere in Rumänien“, fragt Gabriel und mahnt die SPD, diese Themen stärker in den Blick zu nehmen.
Neben Europa geht es den Abgeordneten um den handlungsfähigen Staat. Dazu führen zwei junge, neue SPD-Bundestagsabgeordnete, Siemtje Möller (35) aus Niedersachsen und die Bielefelderin Wiebke Esdar (34) die inhaltliche Debatte. Sie plädieren unter der Moderation ihres Fraktionskollegen Dirk Wiese (35) für eine Neuausrichtung der Politik, die „das Vertrauen in den Staat“zurück gibt. Die Krise der SPD gehe einher mit dem „Ansehensverlust eines nicht mehr starken Staates“.
Das soll sich ändern, sagt Wiebke Esdar. Ganz gleich, ob es um zu viel Bürokratie bei der Abwicklung von Asylverfahren oder schlechte Kinderarztversorgung, schnelles Internet für Schulen oder Dieselskandal, zu hohe Mieten, Steuertricks oder umstrittene Großprojekte wie der Berliner Flughafen geht – die Bürger suchen nach Auffassung der beiden jungen Abgeordneten nach Lösungen, für die der starke Staat früher stand. „Die Menschen wollen, dass wir dafür sorgen, dass der Staat wieder funktioniert“, sagt Esdar.
Auch der SPD-Landesvorsitzende Hartmann hält eine „Neubestimmung des Begriffs Solidarität“für zwingend, um die Rolle des Staates offensiv neu zu diskutieren. Grundlage für einen starken Staat sei die Lösung der kommunalen Altschuldenproblematik. „Das müssen wir Olaf Scholz auch sagen“, sagte Hartmann.
Die SPD sucht neue Stärke und mehr Mut. Nächste Woche tagt die Bundestagsfraktion – eine Woche nach der Klausur von Osnabrück.