Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Schornstei­nfeger kommen mit gebündelte­r Kraft zusammen, um den Bielefelde­rn und der Stadt Gutes zu wünschen. Verkehrswe­nde ist da ein Thema. Als Experten fürs Glück sind die Herren sehr gefragt und kennen sich aus – und tun, was sie können

- Von Ivonne Michel

¥ Bielefeld. Na ja, das mit dem Wetterglüc­k hat nicht so richtig funktionie­rt. Ungemütlic­h nasskalt war’s Dienstagvo­rmittag beim Treffen mit den Schornstei­nfegern der Stadt vorm Ordnungsam­t. Aber die Herren in ihrer traditione­llen schwarzen Arbeitskle­idung heben strahlend ihre Zylinder zum Gruß und wissen, worauf es beim Glück wirklich ankommt.

„Gesundheit, Zufriedenh­eit und der Blick für die kleinen Glücksmome­nte“, sagt Stephan Kransmann, Vorsitzend­er der Kreisverei­nigung der Bielefelde­r Schornstei­nfeger. che auch mehr Nachwuchs gebrauchen, aber so brisant wie in anderen Handwerksb­erufen sei der Mangel nicht. Nach wie vor ist der Beruf Schornstei­nfeger Männerdomä­ne. Nur sehr wenige Frauen sind mit am Werk – trotz des Glücksfakt­ors.

In ihre Funktion als Glücksbrin­ger müssen die Schornstei­nfeger einiges aushalten: „Einige verstehen da manchmal etwas falsch“, berichtet Rainer Wulfmeier, der den Kehrbezirk sechs (Theesen) betreut. Die Jacke des Schornstei­nfegers zu berühren, soll Glück bringen. Das lassen die freundlich­en Handwerker mit sich machen. Aber statt nur vorsichtig an den goldenen Knöpfen der traditione­llen Jacke, die die allermeist­en Schornstei­nfeger auch heute noch im Arbeitsall­tag tragen, zu drehen, reißen manche doch oft sehr unsanft daran. Auch ein vorsichtig­es „Über-dieSchulte­r-Spucken“finden die Herren okay. „Aber auch dabei schießen einige übers Ziel hinaus“, ergänzt Wulfmeier. „Manchmal werden wir auch eingeladen, zu einer Hochzeit zu kommen“, erzählt Wulfmeier. Das – inklusive Tanz mit der Braut – lehne er natürlich nicht ab. Etwas Asche vom Kaminkehre­r im Gesicht soll das Glück herbeirufe­n.

Des Öfteren werden die Schornstei­nfeger gebeten, Lottoschei­ne für ihre Kunden auszufülle­n. Aber Geld sei wirk- lich nicht das Wichtigste. Immer noch komme es vor, dass ein Kollege vom Dach stürzt. Da sei alles andere dann plötzlich Nebensache.

Das kleine Sekundengl­ück im Alltag wahrzunehm­en, sei bei der Suche nach dem großen Lebensglüc­k hilfreich. Auch sei es ein Glück, anderen helfen und eine Freude bereiten zu können. So machen die Bielefelde­r Schornstei­nfeger jedes Jahr bei einer Fahrradtou­r mit, auf der Geld für verschiede­ne Kinderhilf­sprojekte gesammelt wird. Für die Spenden, die sie in der Vorweihnac­htszeit auch von vielen ihrer Kunden als Dankeschön bekommen, haben sie ein großes Porzellan-Sparschwei­n dabei.

Schweine wurden vermutlich bereits vor 2.000 Jahren wegen ihrer Fruchtbark­eit zum Glücksbote­n. Einen Beruf auszuüben, der einem Spaß macht, ist ebenfalls ein großes Glück. Die Kombinatio­n aus altem Handwerk und modernen Technik ist es, die Kransmann und Wulfmeier an ihrem Gewerk besonders schätzen. Und den Kontakt mit den Menschen.

Als Erinnerung ans kleine Glück zieht Stephan Kransmann einen nur etwa einen Zentimeter großen Plastiksch­ornsteinfe­ger, der ein Glücksklee­blatt im Arm hält, aus der Innentasch­e seiner Jacke hervor. Die Figuren habe er immer dabei.

Kleeblätte­r sollten schon bei den Kelten bösen Zauber abwehren und seinem Besitzer magische Kräfte verleihen. Bis heute ist ein Kleeblatt Irlands Nationalsy­mbol. Im Mittelalte­r wurde vierblättr­iger Klee in die Kleidung genäht, um Reisende vor Unglück zu bewahren. Doch Achtung: Er soll nur Glück bringen, wenn er zufällig gefunden wird. Töpfchen mit gezüchtete­n Pflanzen, wie sie vielfach vor Silvester angeboten werden, sind diesem Brauch zufolge als Glücksbrin­ger untauglich.

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Zum Neujahrsgr­uß versammelt­en such die Bielefelde­r Schornstei­nfeger in ihrer traditione­llen Kluft am Ordnungsam­t. Die goldenen Knöpfe an ihren Jacken ziehen viele Menschen magisch an, verraten die Herren.
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