Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Problem erkannt, nicht gebannt
■ In der Debatte um mehr Sicherheit und Ordnung verfallen die Parteien doch wieder in alte Verhaltensmuster.
■ Die neue Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt und Polizei ist aber ein erster wichtiger Schritt.
Gerade erst haben sich Bürgerinnen und Bürger in der Bezirksvertretung Sennestadt über nächtlichen Lärm, Diebstähle, Zerstörungen, Vermüllung – und erfolglose Polizeianrufe beklagt. Es ist das jüngste Beispiel dafür, wie im Stadtgebiet immer neue Kriminalitätshotspots entstehen. Ähnliche Entwicklungen wie in Sennestadt gibt es auch in Heepen und anderen Stadtbezirken. Bielefelds Hauptbahnhof hat es in dieser Woche nur auf den drittletzten Platz von 100 bundesweit getesteten Stationen geschafft. Der Grund: zu viel Müll und Dreck, dazu aufdringliche Drogenabhängige. Und dann gibt es die altbekannten Problemorte, den Stadtbahnzugang Tüte am Hauptbahnhof, die Stadthalle, denkesselbrink, dasostmannturmviertel. Obwohl: Die Polizei sieht das Quartier nicht einmal als Problemort. Zu wenig angezeigte Delikte. Die Lebenswirklichkeit der Menschen dort zwischen weggeworfenen Spritzen und offener Prostitution ist eine andere.
Eine Zeitlang sah es so aus, als würde im Rathaus über die Parteigrenzen hinweg das Thema nun ernster genommen. Aber die Debatte an diesem Mittwoch im Hauptausschuss des Rates hat gezeigt: Es gibt weiterhin die alten Gräben. CDU und FDP hier, die mehr und strengere Maßnahmen fordern, auf der anderen Seite die Vertreter des rot-grün-roten Rathausbündnisses, die zwar Verschlimmerungen einräumen, von Repression aber weniger halten.
Immerhin ist es Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) gelungen, mit Bielefelds Polizeipräsidentin Sandra MüllerSteinhauer eine Kooperationsvereinbarung zu schließen. Die Papierform stimmt: Es soll mehr Präsenz, Razzien und Strafverfolgung durch Polizei und Ordnungsamt geben, mehr Prävention durch Streetworker, Quartiersarbeit und Kripo. Stadtteilfeste und andere Aktivitäten sollen Problemorte von ihrem NegativImage befreien, dunkle Ecken sollen verschwinden, mehr für die Sauberkeit in der Stadt getan werden.
Für die von dercduins Gespräch gebrachten Waffenverbotszonen und Überwachungskameras fehle es allerdings an den gesetzlichen Voraussetzungen.
Klar, für solche Maßnahmen gibt es strenge Richtlinien. Eine Waffenverbotszone oder eine Videoüberwachung kann auch die Polizeipräsidentin nicht einfach anordnen. Die Hürden dafür sind hoch. Aber manchmal wären solche Verbote und Maßnahmen genau die Signale, die den Bürgerinnen und Bürgern zeigen: Die tun ja doch was.
Richtig ist der Plan von Clausen und Müller-steinhauer, die Stadtwache vom Rathaus am Niederwall noch weiter ins Stadtzentrum zu verlegen.
Die CDU hat vorgeschlagen, mobile Wachen an besonders betroffenen Brennpunkten einzurichten. Auch das ist bedenkenswert. Allerdings: Dafür muss es auch genügend Personal geben.
Dietmar Krämer (Bürgergemeinschaft) hat in der Sitzung darauf hingewiesen, dass zwei Bezirksbeamte für einen Stadtteil wie Heepen nicht reichen. Dort leben so viele Menschen wie in Lemgo oder Bünde.
Passiert etwas Größeres, müssen aber erst Streifenwagen aus der Innenstadt anrücken. Ähnlich ergeht es den Sennestädtern. Dortist diewache Brackwede zuständig, und die liegt auch nicht um die Ecke.
Wer dealt, stiehlt, mutwillig zerstört, muss wissen, dass er oder sie dafür in Bielefeld zur Rechenschaft gezogen wird. Genauso wichtig aber ist auch die präventive Arbeit, dass es gar nicht erst so weit kommt. Gesucht werden muss deshalb auch nach noch besseren Konzepten einer sozialarbeiterischen Begleitung der Problemgruppen.
Damit es aber nicht bei wohlfeilen Appellen bleibt, bedarf es auch einer geschlossenen Haltung der Politik. Die hat sie in dieser Woche zwar mit ihrer breiten Zustimmungzur Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt und Polizei gezeigt, ist dann aber doch wieder in die alten Verhaltensmuster abgeglitten. Problem erkannt, aber noch lange nicht gebannt.