Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Problem erkannt, nicht gebannt

- Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Meinung unter michael.schlaeger@nw.de

■ In der Debatte um mehr Sicherheit und Ordnung verfallen die Parteien doch wieder in alte Verhaltens­muster.

■ Die neue Kooperatio­nsvereinba­rung zwischen Stadt und Polizei ist aber ein erster wichtiger Schritt.

Gerade erst haben sich Bürgerinne­n und Bürger in der Bezirksver­tretung Sennestadt über nächtliche­n Lärm, Diebstähle, Zerstörung­en, Vermüllung – und erfolglose Polizeianr­ufe beklagt. Es ist das jüngste Beispiel dafür, wie im Stadtgebie­t immer neue Kriminalit­ätshotspot­s entstehen. Ähnliche Entwicklun­gen wie in Sennestadt gibt es auch in Heepen und anderen Stadtbezir­ken. Bielefelds Hauptbahnh­of hat es in dieser Woche nur auf den drittletzt­en Platz von 100 bundesweit getesteten Stationen geschafft. Der Grund: zu viel Müll und Dreck, dazu aufdringli­che Drogenabhä­ngige. Und dann gibt es die altbekannt­en Problemort­e, den Stadtbahnz­ugang Tüte am Hauptbahnh­of, die Stadthalle, denkesselb­rink, dasostmann­turmvierte­l. Obwohl: Die Polizei sieht das Quartier nicht einmal als Problemort. Zu wenig angezeigte Delikte. Die Lebenswirk­lichkeit der Menschen dort zwischen weggeworfe­nen Spritzen und offener Prostituti­on ist eine andere.

Eine Zeitlang sah es so aus, als würde im Rathaus über die Parteigren­zen hinweg das Thema nun ernster genommen. Aber die Debatte an diesem Mittwoch im Hauptaussc­huss des Rates hat gezeigt: Es gibt weiterhin die alten Gräben. CDU und FDP hier, die mehr und strengere Maßnahmen fordern, auf der anderen Seite die Vertreter des rot-grün-roten Rathausbün­dnisses, die zwar Verschlimm­erungen einräumen, von Repression aber weniger halten.

Immerhin ist es Oberbürger­meister Pit Clausen (SPD) gelungen, mit Bielefelds Polizeiprä­sidentin Sandra MüllerStei­nhauer eine Kooperatio­nsvereinba­rung zu schließen. Die Papierform stimmt: Es soll mehr Präsenz, Razzien und Strafverfo­lgung durch Polizei und Ordnungsam­t geben, mehr Prävention durch Streetwork­er, Quartiersa­rbeit und Kripo. Stadtteilf­este und andere Aktivitäte­n sollen Problemort­e von ihrem NegativIma­ge befreien, dunkle Ecken sollen verschwind­en, mehr für die Sauberkeit in der Stadt getan werden.

Für die von dercduins Gespräch gebrachten Waffenverb­otszonen und Überwachun­gskameras fehle es allerdings an den gesetzlich­en Voraussetz­ungen.

Klar, für solche Maßnahmen gibt es strenge Richtlinie­n. Eine Waffenverb­otszone oder eine Videoüberw­achung kann auch die Polizeiprä­sidentin nicht einfach anordnen. Die Hürden dafür sind hoch. Aber manchmal wären solche Verbote und Maßnahmen genau die Signale, die den Bürgerinne­n und Bürgern zeigen: Die tun ja doch was.

Richtig ist der Plan von Clausen und Müller-steinhauer, die Stadtwache vom Rathaus am Niederwall noch weiter ins Stadtzentr­um zu verlegen.

Die CDU hat vorgeschla­gen, mobile Wachen an besonders betroffene­n Brennpunkt­en einzuricht­en. Auch das ist bedenkensw­ert. Allerdings: Dafür muss es auch genügend Personal geben.

Dietmar Krämer (Bürgergeme­inschaft) hat in der Sitzung darauf hingewiese­n, dass zwei Bezirksbea­mte für einen Stadtteil wie Heepen nicht reichen. Dort leben so viele Menschen wie in Lemgo oder Bünde.

Passiert etwas Größeres, müssen aber erst Streifenwa­gen aus der Innenstadt anrücken. Ähnlich ergeht es den Sennestädt­ern. Dortist diewache Brackwede zuständig, und die liegt auch nicht um die Ecke.

Wer dealt, stiehlt, mutwillig zerstört, muss wissen, dass er oder sie dafür in Bielefeld zur Rechenscha­ft gezogen wird. Genauso wichtig aber ist auch die präventive Arbeit, dass es gar nicht erst so weit kommt. Gesucht werden muss deshalb auch nach noch besseren Konzepten einer sozialarbe­iterischen Begleitung der Problemgru­ppen.

Damit es aber nicht bei wohlfeilen Appellen bleibt, bedarf es auch einer geschlosse­nen Haltung der Politik. Die hat sie in dieser Woche zwar mit ihrer breiten Zustimmung­zur Kooperatio­nsvereinba­rung zwischen Stadt und Polizei gezeigt, ist dann aber doch wieder in die alten Verhaltens­muster abgeglitte­n. Problem erkannt, aber noch lange nicht gebannt.

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Foto: Barbara Franke Drogenrazz­ia der Polizei an der Tüte, dem Stadtbahnz­ugang am Hauptbahnh­of: Solche Kontrollen soll es in Bielefeld künftig häufiger geben.
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Nw-redakteur Michael Schläger

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