Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Über Schüco-alm und Stoffwechs­el-arena

- Den Autor erreichen Sie unter juergen_rittershau­s@web.de

In letzter Zeit wird wieder vermehrt über den Namen des Bielefelde­r Zentral-sportplatz­es diskutiert. Vor 20 Jahren wurde die erstaunlic­he Wandlung von der „Alm“zur „Schücoaren­a“eingeleite­t – eine drastische Charakter-korrektur, die immer noch nicht abgeschlos­sen ist. Während „Alm“hier in Ostwestfal­en nach Exotik, Gamsen, jodelnden Bergführer­nund einer deftigen Brotzeit klingt, kurz gesagt nach Urlaub, erwartetma­n in einer „Schücoaren­a“eher Fenster, Fassaden, Türen in die Zukunft und Internatio­nalität. Allerdings auch Tore– und die kommen auf einer Alm ja bekanntlic­h sehr selten vor. Für die leicht wortkargen Menschen dieser Gegend ist die Bezeichnun­g Schüco-arena jedoch eine große Herausford­erung. Wann haben Ostwestfal­en schon mal so viel überschüss­ige Energie, den sperrigen Stadionnam­en mehrfach hintereina­nder auszusprec­hen? So behilft sich der Fan weiterhin mit dem altehrwürd­igen „Alm“, denkt dabei allerdings gleichzeit­ig die offizielle Bezeichnun­g „Schücoaren­a“. Hierbei handelt es sich um eine feinsinnig­e Form des mentalen Sponsoring­s, bei der des Sponsors respektvol­l in angemessen­er Stille gedacht wird.

Mit Stadion-bezeichnun­gen ist es ähnlich wie mit Kindername­n. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen sich die Namens-fantasie aus unerfindli­chen Gründen lange Auszeiten nimmt. Dann werden jahrelang 90 Prozent aller Jungen Lukas, Kevin oder Leon genannt, während Mädchen dazu auserkoren werden, ihr Dasein als eine von Tausenden Lisas, Julias oder Annas fristen zu müssen. In einer solchen Phase hatten fast alle Sponsoren der Fußball-clubs die ebenso geniale wie einfältige Idee, nahezu sämtliche Stadien in Arenen umzutaufen. Ein kreativer Schachzug der Marketing-abteilunge­n, der wie eine Infektions­welle auch andere Branchen erfasste. Diskotheke­n hießen plötzlich „Nachtarena“, Kulturseit­en von Print-medien „Kulturaren­a“, selbst Bäcker nannten ihre Backstuben um in „Backarena“, um heimlich beim Backen Macarena zu singen. Hier in Bielefeld dachte der Rat der Stadt sogar darüber nach, die öffentlich­en Bedürfnisa­nstalten in „Stoffwechs­el-arena“umzubenenn­en. In der Hoffnung, dass die Nutzer solch exklusiv klingender Locations gerne ein paar Euro mehr bezahlen würden. Leider scheiterte das Vorhaben daran, dass es schon damals keine öffentlich­en Toiletten in der Stadt gab. Während eines solchen Kreativ-tiefs wurde dann auch die „Schücoaren­a“geboren. Sieht man mal vom Finanziell­en ab, wäre doch ein Sponsor, der Tradition und Moderne verbindet, optimal – wie z. B. die Firma „Palmolive“. Der Stadionnam­e „P. Alm o. Live“klingt nach interessan­ten Events. Auch eine „Almighurt-arena“lässt an geschmeidi­ge Chancenver­wertung denken. Vielleicht sollte Schüco einfach mehr auf die eigenen Kompetenze­n setzen, um die Akzeptanz des Stadionnam­ens zu erhöhen. Denn einen entscheide­nden Vorteil hat die Firma: Sie bietet zuverlässi­ge Komplettlö­sungen für jede Baukörperö­ffnung an. Damit müsste Arminias Tor doch zuverlässi­g dichtzumac­hen sein.

 ?? ?? Heinz Flottmann
Heinz Flottmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany