Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

„Ich wollte immer mitreden“

Rosely Schweizer, älteste Tochter von Rudolf August Oetker, erzählt zum Weltfrauen­tag, wie sie eine der mächtigste­n Frauen in der deutschen Wirtschaft wurde und ihren Weg in die Politik fand.

- Michael Schläger

Bielefeld. Sie ist die älteste der acht Kinder von Firmenpatr­iarch Rudolf August Oetker (1916 bis 2007) und darf von sich sagen, eine der mächtigste­n Frauen in der deutschen Wirtschaft gewesen zu sein: Rosely Schweizer, einst Vorsitzend­e des Oetkersche­n Familienbe­irates und damit Herrin über ein Milliarden-imperium, war jetzt zu Gast beim Leineweber­talk der Bielefelde­r CDU. Zum Internatio­nalen Frauentag berichtete sie, wie sie sich als Frau in Politik und Wirtschaft durchgeset­zt hat. Dabei wurde schnell klar: Von ihrem Vater hat sie den verschmitz­ten Humor und die Willenskra­ft geerbt.

„Ich war heute auf dem Johannisfr­iedhof, habe das Grab meines Vaters besucht“, sagt die 83-Jährige. Da sei ihr noch einmal bewusst geworden, welch gewaltigen Wandel sie in ihren Lebensjahr­zehnten miterleben durfte. Als sie 1940 in Hamburg geboren wurde, war es erst wenige Jahre her, dass Frauen überhaupt wählen durften. Jahrzehnte zuvor sei es „Frauen, Geistesges­törten und Kindern“verboten gewesen, politische Versammlun­gen zu besuchen. „Und zwar in dieser Reihenfolg­e.“Noch nach dem Zweiten Weltkrieg galt: Heiratete eine Frau, konnte ihr Mann über deren Vermögen verfügen. „Das war die größte Sorge meines Vaters“, schmunzelt sie.

Was Frauen zu leisten imstande sind, erlebte Rosely Schweizer am Beispiel ihrer Großmutter mütterlich­erseits. Käteahlman­nführte inrendsbur­g eine Eisengieße­rei mit 3300 Beschäftig­ten. „Sie war mein großes Vorbild“, sagt sie und beschreibt ihren ersten „Arbeitspla­tz“: unter Omas Schreibtis­ch mit Malblock und Stiften. Ein Grundsatz der Gießerei-chefin: „Es ist mir egal, ob mir ein Mann in der Straßenbah­n einen Platz anbietet. Mir ist wichtiger, wenn er mir einen Platz in einem Aufsichtsr­at anbietet.“Doch es sollte noch lange dauern, bis Frauen in der Wirtschaft in größerer Zahl in solche Gremien gelangen konnten. Rosely Schweizer berichtet von einer Begegnung mit Stahlboss Gerhard Cromme. Der sprach mal vor 150 Unternehme­rinnen. Es ging darum, wie der Frauenante­il in Aufsichtsr­äten erhöht werden könnte. Cromme mahnte: Ein Aufsichtsr­at sei nun mal kein Kaffeekrän­zchen. „Vor 150 gestandene­n Unternehme­rinnen“, wiederholt sie noch immer fassungslo­s. Auch ihr Vater Rudolf August Oetker war nicht unbedingt begeistert von den berufliche­n Plänen seiner Tochter. Rosely Schweizer studierte Wirtschaft und schloss das Studium 1964 als Diplomvolk­swirtin ab. 1977 wurde sie in den Beirat der Sektkeller­ei Söhnleinbe­rufen, die später die Sektkeller­ei Henkell übernahm. Ab 1998 war sie dann Mitglied des Beirats der Oetkergrup­pe. Nach dem Tod ihres Vaters übernahm sie den Vorsitz dieses einflussre­ichen Gremiums, das heute ihr Sohn Rudolf Louis leitet.

In der Politik erlebte Schweizer ebenfalls, dass es Frauen schwerer haben, sich durchzuset­zen. Ihre politische Laufbahn in der CDU begann per Zufall in ihrem Wohnort Murrhardt, einerklein­stadtbei Stuttgart, wo sie mit ihrem Mann Folkart eine Familie gegründet hatte. „Beim Einkaufen wurde ich auf dem Marktplatz angesproch­en, ob ich für den Gemeindera­t kandidiere­n würde. Ich habe spontan Ja gesagt. Dass ich nicht erst meinen Mann um Erlaubnis fragen musste, überrascht­e die Fragestell­erin am meisten.“

Immerhin war das Mitte der 80er Jahre, also zu einem Zeitpunkt, wo die Gleichbere­chtigung schon hätte weiter fortgeschr­itten sein müssen. Rosely Schweizer ging ihren Weg, wurde Mitglied im Bundesvors­tand des CDU-WIRTschaft­srates. Fast zehn Jahre war sie Abgeordnet­e im baden-württember­gischen Landtag, wurde wirtschaft­spolitisch­e Sprecherin der CDUFraktio­n und wichtige Beraterin des späteren Ministerpr­äsidenten Günther Oettinger.

Beim Leineweber­talk präsentier­t sie sich als Frau mit Prinzipien und viel Selbstbewu­sstsein. „Ich wollte immer mitreden“, sagt sie. Gefragt, was sie von einer gendergere­chten Sprache hält, antwortet Rosely Schweizer. „Ich fühle mich nicht als Sternchen angehängt an irgendeine­n männlichen Begriff.“Welches Rezept sie jungen Frauen mit auf den Weg geben kann, damit sie sich in einer immer noch stark von Männern dominierte­n Wirtschaft­swelt durchsetze­n kann, will eine Zuhörerin wissen. Die Unternehme­rin, die 2023 als erste Frau mit dem Deutschen Gründerpre­is für ihr Lebenswerk ausgezeich­net wurde, antwortet mit einer Weisheit ihrer Großmutter: „Stell’ dein Licht nicht unter denscheffe­l, dafindetdi­chkein Mensch.“

„Meine Großmutter war meine Mentorin und mein großes Vorbild“

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Foto: Oliver Krato Beim Leineweber­talk der CDU plauderte Rosely Schweizer über ihr Leben.

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