Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
„Ich wollte immer mitreden“
Rosely Schweizer, älteste Tochter von Rudolf August Oetker, erzählt zum Weltfrauentag, wie sie eine der mächtigsten Frauen in der deutschen Wirtschaft wurde und ihren Weg in die Politik fand.
Bielefeld. Sie ist die älteste der acht Kinder von Firmenpatriarch Rudolf August Oetker (1916 bis 2007) und darf von sich sagen, eine der mächtigsten Frauen in der deutschen Wirtschaft gewesen zu sein: Rosely Schweizer, einst Vorsitzende des Oetkerschen Familienbeirates und damit Herrin über ein Milliarden-imperium, war jetzt zu Gast beim Leinewebertalk der Bielefelder CDU. Zum Internationalen Frauentag berichtete sie, wie sie sich als Frau in Politik und Wirtschaft durchgesetzt hat. Dabei wurde schnell klar: Von ihrem Vater hat sie den verschmitzten Humor und die Willenskraft geerbt.
„Ich war heute auf dem Johannisfriedhof, habe das Grab meines Vaters besucht“, sagt die 83-Jährige. Da sei ihr noch einmal bewusst geworden, welch gewaltigen Wandel sie in ihren Lebensjahrzehnten miterleben durfte. Als sie 1940 in Hamburg geboren wurde, war es erst wenige Jahre her, dass Frauen überhaupt wählen durften. Jahrzehnte zuvor sei es „Frauen, Geistesgestörten und Kindern“verboten gewesen, politische Versammlungen zu besuchen. „Und zwar in dieser Reihenfolge.“Noch nach dem Zweiten Weltkrieg galt: Heiratete eine Frau, konnte ihr Mann über deren Vermögen verfügen. „Das war die größte Sorge meines Vaters“, schmunzelt sie.
Was Frauen zu leisten imstande sind, erlebte Rosely Schweizer am Beispiel ihrer Großmutter mütterlicherseits. Käteahlmannführte inrendsburg eine Eisengießerei mit 3300 Beschäftigten. „Sie war mein großes Vorbild“, sagt sie und beschreibt ihren ersten „Arbeitsplatz“: unter Omas Schreibtisch mit Malblock und Stiften. Ein Grundsatz der Gießerei-chefin: „Es ist mir egal, ob mir ein Mann in der Straßenbahn einen Platz anbietet. Mir ist wichtiger, wenn er mir einen Platz in einem Aufsichtsrat anbietet.“Doch es sollte noch lange dauern, bis Frauen in der Wirtschaft in größerer Zahl in solche Gremien gelangen konnten. Rosely Schweizer berichtet von einer Begegnung mit Stahlboss Gerhard Cromme. Der sprach mal vor 150 Unternehmerinnen. Es ging darum, wie der Frauenanteil in Aufsichtsräten erhöht werden könnte. Cromme mahnte: Ein Aufsichtsrat sei nun mal kein Kaffeekränzchen. „Vor 150 gestandenen Unternehmerinnen“, wiederholt sie noch immer fassungslos. Auch ihr Vater Rudolf August Oetker war nicht unbedingt begeistert von den beruflichen Plänen seiner Tochter. Rosely Schweizer studierte Wirtschaft und schloss das Studium 1964 als Diplomvolkswirtin ab. 1977 wurde sie in den Beirat der Sektkellerei Söhnleinberufen, die später die Sektkellerei Henkell übernahm. Ab 1998 war sie dann Mitglied des Beirats der Oetkergruppe. Nach dem Tod ihres Vaters übernahm sie den Vorsitz dieses einflussreichen Gremiums, das heute ihr Sohn Rudolf Louis leitet.
In der Politik erlebte Schweizer ebenfalls, dass es Frauen schwerer haben, sich durchzusetzen. Ihre politische Laufbahn in der CDU begann per Zufall in ihrem Wohnort Murrhardt, einerkleinstadtbei Stuttgart, wo sie mit ihrem Mann Folkart eine Familie gegründet hatte. „Beim Einkaufen wurde ich auf dem Marktplatz angesprochen, ob ich für den Gemeinderat kandidieren würde. Ich habe spontan Ja gesagt. Dass ich nicht erst meinen Mann um Erlaubnis fragen musste, überraschte die Fragestellerin am meisten.“
Immerhin war das Mitte der 80er Jahre, also zu einem Zeitpunkt, wo die Gleichberechtigung schon hätte weiter fortgeschritten sein müssen. Rosely Schweizer ging ihren Weg, wurde Mitglied im Bundesvorstand des CDU-WIRTschaftsrates. Fast zehn Jahre war sie Abgeordnete im baden-württembergischen Landtag, wurde wirtschaftspolitische Sprecherin der CDUFraktion und wichtige Beraterin des späteren Ministerpräsidenten Günther Oettinger.
Beim Leinewebertalk präsentiert sie sich als Frau mit Prinzipien und viel Selbstbewusstsein. „Ich wollte immer mitreden“, sagt sie. Gefragt, was sie von einer gendergerechten Sprache hält, antwortet Rosely Schweizer. „Ich fühle mich nicht als Sternchen angehängt an irgendeinen männlichen Begriff.“Welches Rezept sie jungen Frauen mit auf den Weg geben kann, damit sie sich in einer immer noch stark von Männern dominierten Wirtschaftswelt durchsetzen kann, will eine Zuhörerin wissen. Die Unternehmerin, die 2023 als erste Frau mit dem Deutschen Gründerpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde, antwortet mit einer Weisheit ihrer Großmutter: „Stell’ dein Licht nicht unter denscheffel, dafindetdichkein Mensch.“
„Meine Großmutter war meine Mentorin und mein großes Vorbild“