Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Drei Frauen – drei Sichtweisen
„Der Zopf“erzählt die Geschichten von drei Frauen an drei verschiedenen Orten der Erde. Das Drama mit Fotinì Peluso, Mia Maelzer und Kim Raver wechselt beim Erzählen fortwährend die Perspektiven.
Wenn der Hahn kräht oder der Wecker klingelt, nimmt für viele Frauen rund um den Globus ein anstrengender Tag seinen Anfang. In Indien steht Smita (Mia Maelzer, „Stolen“) als „Unberührbare“auf der untersten Stufe der Gesellschaft. Während ihr Mann Ratten fürs Abendbroterlegt, leert sie Klos der Bauern und Brahmanen, die ihr den Lohn für die ekelerregende Arbeit schuldig bleiben.
Smitas kleine Tochter soll es einmal besser haben, doch dazu müsste sie die Schule besuchen, was ihr das Kastensystem verwehrt. Als der Versuch fehlschlägt, einen Brahmanen mit Geld zur Einschulung ihrer Kleinen zu überreden, fasst Smita einen mutigen Entschluss. Sie verlässt ihren Mann und macht sich mit dem Kind auf den beschwerlichen Weg zu Verwandten gen Süden, woes dieunberührbarenbesser haben sollen. Andere Frauen wurden schon für geringere „Vergehen“vergewaltigt und getötet.
In Italien arbeitet die belesene Giulia (Fotinì Peluso, „Griechischer Salat“) im Unternehmen ihres liebenden Vaters. Die Firma bereitet menschliches Naturhaar für die Weiterverarbeitung zu Perücken auf. Als Papa nach einem Unfall ins Koma fällt, wird die junge Frau mit der Tatsache konfrontiert, dass das Atelier überschuldet ist und Werkstatt und Wohnhaus der Familie demnächst dem Kuckuck zum Opfer fallen werden.
Mutter engagiert sich für eine Zweckheirat mit dem Spross einer wohlhabenden Familie, die für die Schulden aufkommen würde. Giulia hat sich aber aufdenersten Blick in den Inder Kamal (Avi Nash, „The
Walking Dead“) verliebt, einen Seelenverwandten. Sie steht vor der schwersten Entscheidung ihres jungen Lebens.
In Montreal steht Sarah (Kim Raver, „Grey’s Anatomy – Die jungen Ärzte“) nicht vor finanziellen, sondern vor buchstäblich existenziellen Problemen. Gerade, als die erfolgreiche Anwältin und alleinerziehende Mutter dreier Kinder in ihrer Kanzlei zur Partnerin aufsteigen soll, wird bei ihr Krebs diagnostiziert. Sie versucht, die Operation und die Chemovordenkollegengeheimzuhalten. Wer im Haifischbecken schwimmt, sagt sie, darf nicht bluten. Dann läuft ihr im Krankenhaus ausgerechnet ihre ambitionierte, junge Assistentin über den Weg.
Am Anfang war das Buch. Mit „Der Zopf“bringt die französische Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Laetitia Colombani („Wahnsinnig verliebt“) ihren gleichnamigen Bestsellerroman auf die große Leinwand. Ihr Film springt zwischen den Geschichten hin und her, die sich in puncto Spannung und Emotionalität ebenbürtig sind. Auch die drei charismatischen Protagonistinnen, die unterschiedlichen Generationen angehören, wachsendemzuschauer gleichermaßen ans Herz.
Als wunderbareklammerfür die Erzählstränge erweist sich die Musik von Ludovico Einaudi, dessen Virtuosität am Klavier schon wesentlich zum Erfolg der Tragikomödie „Ziemlich beste Freunde“beigetragen hat. Die Kausalkette, die die drei Protagnistinnen verbinden wird, liegt natürlich sofort auf der Hand.
Aber es ging der Filmemacherin bestimmt nicht darum, mit einem geschickt eingefädelten Kommentar zur Globalisierung zu überraschen. Sie erzählt vielmehr von mutigen Frauen, die sich täglich und allerorten den Widrigkeiten des Lebens entgegenstemmen. Dabei erzählt Colombani, auch das gilt es dieser Tage zu erwähnen, niemals einseitig.
Da hinter einer starken Frau oft ein starker Mann steht, kommen auch wunderbar gezeichnete männliche Figuren zum Zug, während die Damen auch erbärmliche Schwächen an den Tag legen dürfen. Weil all diese Facetten zur Realität des Lebens dazugehören.