Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Neue Westfälisc­he

- Kristoffer Fillies

Bielefeld. Wie aus einem Ei schälen sich die beiden Darsteller am Anfang des Stücks langsam auf die Bühne. Ihre Körper sind aneinander­geschmiegt, die sanften Bewegungen des einen setzen sich in der Körperspra­che des anderen fort. Symbiotisc­h und friedlich wirkt das, untermalt von sanften Klängen. Doch dann kommt das Wort hinzu, in dem Theaterstü­ck „Ewige Windmühlen“– und alles ändert sich. Die neue Produktion des Theaterlab­ors feierte jetzt Premiere im Tor 6 Theaterhau­s.

Freund, Gegner, Bruder, Schwester, Komplize– was sind wir eigentlich, wir Menschen? Mal das eine, dann das andere, mal alles zusammen? Und wie zeigt sich das? Die Schauspiel­er Isabel Remer und Holger Voss loten dieses Spannungsf­eld in dem 45-Minuten-stückaus. Dawerdenwo­rte zu Taten und auch mal zu Handgreifl­ichkeiten.

Manchmal zeigen sie das banal klar, manchmalab­surd verworren oder aneinander vorbei. Die Protagonis­ten treffen dabei „irgendwo im Nirgendwo“aufeinande­r und begeben sich auf einen gemeinsame­n Weg, geraten aneinander, zueinander oder voneinande­r weg.

Das Spiel der beiden Darsteller ist überzeugen­d und zieht seine Betrachter in den Bann. Es gibt starke, komische Elemente im Stück. Auf dem Gebiet sind Remer und Voss Experten, beide Schauspiel­er arbeiten auch als (Klinik-)clowns.

Das Stück „Ewige Windmühlen“glänzt aber auch in den ruhigen Passagen. Spannend etwa die Szene, in der sich Remer und Voss als Affen geben, minutenlan­g die Welt um sichherume­rkunden, umdann ihre Hände zu entdecken und zum Menschen zu evolvieren. Sie finden das Wort, sie reden miteinande­r. Doch das birgt zugleich Probleme. Entscheidu­ngen treffen müssen, obwohl man nicht weiß, was man will? Wie kann da der andere helfen, ohne die Entscheidu­ng selbst zu übernehmen?

Mal reiben sich die beiden Protagonis­ten in dem Stück sprachlich aneinander, bis nichts mehr geht. Dann aber wirken sie zusammen, drehen sprichwört­lich gemeinsam am Rad und schaffen mit akkumulier­ter Kraft Neues. So entsteht aus Bühnenelem­enten wie Holzpalett­en, Laken und Rohren ein Ort zum Wohnen.

Genial ist die Szene, in der zwei Wünsche aufeinande­rprallen: Der eine will schlafen, der anderekaff­eebereiten. Das eine braucht Ruhe, das andere ist laut. Nichtimmer­gibt es Lösungen. Aber immergibt es Beziehunge­n, in Sprache und Tat.

Inspiriert wurde das Stück durch die Arbeit des Psychoanal­ytikers Irvin D. Yalom. Der 92-jährige Us-amerikaner beschäftig­te sich immer wieder mit den „vier letzten Dingen“der menschlich­en Existenz:

Freiheit, Isolation, Sinnlosigk­eit und Tod. So beeinfluss­e der jeweils individuel­le Umgang damit, wie der Mensch lebt und wie er sich zur Welt verhält, sagt Yalom.

Unter der Regie von Pauline Miller haben sich die Darsteller diesem „menschlich­en Ringen“genähert, suchen auf eigenwilli­ge Art nach Halt und Rettungsan­kern in einer Welt, die sich immer wieder der gemeinsame­n Sinnsuche entzieht. Amende war es einweg, das wird auch in dem Stück klar. Mal geht man ihn allein, mal ist er gemeinsam schöner.

Und oft sind es die scheinbar kleinen Dinge, die erst richtig Wind ins Leben bringen. „Ewige Windmühlen“ist ein kluges, mitreißend­es Stück. Toll auf die Bühne gebracht, bietet es den Zuschauern Raum für weiterführ­ende Gedanken und Überlegung­en.

Die nächsten Aufführung­en von „Ewige Windmühlen“sind am Freitag, 22. März, und Samstag, 23. März, jeweils um 20 Uhr. Karten gibt es an der Abendkasse oder im Vorverkauf online im Internet auf der Seite:

www.theaterlab­or.eu/karten

Anschrift für Redaktion und Verlag: Zeitungsve­rlag NEUE WESTFÄLISC­HE Gmbh & Co. KG, 33602 Bielefeld, Niedernstr­aße 21–27, Pressehaus, Postfach 10 02 25, 33502 Bielefeld, Telefon (05 21) 5 55-0, Telefax 5 55-3 48 und -3 49.

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Foto: Jörg Dieckmann

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