Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Jüdische Schildescher im Ns-staat
Der Heimatverein lädt zur Vortragsreihe „Schildesche unterm Hakenkreuz“ein. Amdienstag, 9. April, referiert der Jurist und Historiker Kai-uwe von Hollen im Gemeindehaus.
Schildesche. Jüdische Familien bekamen auch in Schildesche den Hass und den Wahn der Nationalsozialistenzu spüren. Ihre Namen – wie beispielsweise Löwenberg und Grünewald – waren im Ort noch im 19. und 20. Jahrhundert wohlbekannt. Ihre Familienmitglieder wurden später in „Judenhäusern“gesammelt, in Ns-lager deportiert und ermordet.
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Schildesche geht bis ins 17. Jahrhundert zurück. 1691 gab es fünf jüdische Familien. 1849 zählte die jüdische Gemeinde 71 Mitglieder.
Sie verfügte über einen Gebetsraum, der noch heute als Fachwerkanbau „Am Kruge 12“vorhanden ist und vom Kirchplatz aus über eine Treppe – imvolksmund heutenoch „Judentreppe“genannt – erreicht werden konnte. Der Jurist und Historiker Kai-uwe von Hollen hat über viele Jahre die Geschichte der Schildescher Juden erforscht und ihre Spuren bis nach Uruguay und in die USA verfolgt.
Mit den Ausführungen und der Beschreibung von Einzelschicksalen wird der Referent das Leid dieser verfolgtenmenschen veranschaulichen. Wie beispielsweise das des Ehepaares Grünewald – Sally (18731940) und Pauline, geborene Löwenstein (1862-1942). Sie betrieben ein Schlachtergeschäft in Schildesche „Im Stift 14“. Beide waren im gesellschaftlichen Leben des Ortes sehr aktiv, Sally engagierte sich als Mitglied des Krieger- und des Kegelvereins, Pauline versorgte kranke und bedürftige Nachbarn mit Suppen.
Sallygrünewaldsollsehrpatriotisch eingestellt gewesen sein. Seinem Großneffen berichtete er vom Kaiser Wilhelmii. underzählte Geschichten aus seiner Soldatenzeit, auf der Geige musste er ihm Militärmärsche vorspielen. All dies beendete der Nationalsozialismus. Zwischen 1938 und 1942 wurden zehn Juden in ihrhaus eingewiesen, es wurde zum „Judenhaus“deklariert. In der Reichspogromnacht 1938 zerschlugennazis ihre Schaufensterscheibe. Die Reparaturkosten musste das Ehepaar selbst tragen. Zusätzlich entstanden 900 Reichsmark „Sühneleistungen“. Am 9. April starb Sally Grünewald nach einer längeren Krebserkrankung und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Bielefeld beigesetzt.
Ein christlicher Arzt hatte eine Behandlung abgelehnt. Im Juli 1942 erhielt die inzwischen 80-jährige Pauline Grünewald den Deportationsbefehl. Noch in der Sammelstelle „Gaststätte Kyffhäuser“am Kesselbrink wurde ihr Haus enteignet – die 80-Jährige also faktisch zur Volks- und Staatsfeindin erklärt. Anfang August 1942 kam sie ins Konzentrationslager Theresienstadt und am 13. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka. Dort wurde sie mit Motorabgasen ermordet.
Der Vortrag von Kai-uwe von Hollen findet am 9. April im Gemeindehaus der evangelischen Stiftskirchengemeinde, Johannisstraße13, statt. Beginn ist um 19 Uhr.