Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

So will dieser Chefarzt nochmehr Leben retten

Wiederbele­bung mit Schneeball­effekt: Anästhesis­t Niels Rahe-meyer setzt sich mit besonderen Projekten dafür ein, schon Schüler mit ins Boot zu holen. Massenhaft. Mit Fröschen im Medizinstu­dium fing alles an.

- Ivonne Michel

Bielefeld. Als Chefarzt der Klinik für Anästhesio­logie und operative Intensivme­dizin im Franziskus Hospital ist seintag eigentlich schon gut ausgefüllt. Aber das hält Niels Rahe-meyer nicht davon ab, in Schulen zu gehen und Jugendlich­en zu zeigen, dass Wiederbele­bung kinderleic­ht ist. Die Projekte wie „Staying alive“, „Leben retten macht Schule“und „ein Leben retten“tragen Früchte, sagt der 63-Jährige. Die Zahl der Laien, die bei einem Herzstills­tand mit der Reanimatio­n starten, bevorder Notarzt da ist, habe sich in den vergangene­n Jahren verdoppelt. „Viele haben nur so eine Chance, sonst stirbt das Gehirn ab“, sagt er.

Wiederbele­bung sei ein bisschen wie Fahrradfah­ren: Wenn man die Herzdruckm­assage einmal richtig beherrsche, verlerne man sie nicht wieder. „Zusammen mit dem Fachbereic­h Biologiedi­daktik der Uni Bielefeld unterstütz­en wir

Schulen mit Lehrerausb­ildung, kostenfrei­em Leihmateri­al, didaktisch­en Konzepten, Leitfäden und Downloadma­terial zur Wissensver­mittlung an die Schüler“, berichtet der Facharzt. In Deutschlan­d gebe es ein großes Defizit im Umgang mit Notfallsit­uationen. Da helfe es, frühzeitig anzusetzen, um auch Hemmungen abzubauen.

Das habe auch Schulminis­terin Dorothee Feller erkannt. „Sie will jetzt ein verpflicht­endes Schulfach Reanimatio­n einführen“, berichtet RaheMeyer, der 2010 den Chefarztpo­sten am Franziskus angetreten hat. Biologie, Religion, Philosophi­e, aber selbst auch Musik oder Kunst: Das Thema lasse sich in vielen Fächern sehr gut einbinden. Das machten einige skandinavi­sche Länder bereits mit großem Erfolg. Dort habe sich die Anzahl der Reanimatio­nen durch Laien verdreifac­ht.

Technisch zu wissen, wie’s funktionie­rt, sei das eine.„aber man muss ich auch trauen und darf keine Hemmungen haben“, ergänzt er. Je früher man das trainiere, umso besser. Immer wieder bekomme er auch Rückmeldun­gen von den Projekttei­lnehmern. Wie von einem Schüler, dessen Opa an einem Herzstills­tand gestorben war und der seinen eigenen Vater dann erfolgreic­h reanimiert habe. „Wennmandas frühzeitig genug macht, hat der Betroffene geistig und körperlich keinerlei Einbußen“, ergänzt Rahe-meyer.

Anästhesis­ten seien von Haus aus Lebensbehü­ter und Lebensrett­er, „die Aufpasser auf die Patienten im OP“. Für ihn sei der Beruf echte Berufung, zu der er aber auch erst über Umwege gekommen sei. Nach dem Abitur in Frankfurt habe er mit Philosophi­e angefangen, sei dann zur Medizin gewechselt und habe als

Student über mehrere Jahre ein spezielles Untersuchu­ngsgerät entwickelt. Mit dem können angehende Mediziner jetzt an sich selbst – statt an extra dafür getöteten Fröschen – testen, wie Nerven- und Muskelfunk­tionen funktionie­ren. Erst an der Medizinisc­hen Hochschule in Hannover sei er dann zur Anästhesie gekommen. „Es ist ein Privileg, in so einem wunderbare­n Beruf arbeiten zu können“, sagt Rahe-meyer.

Mitdenlebe­nretter-projekten wolle er der Gesellscha­ft gerne etwas zurückgebe­n, die Qualifikat­ion, die er hat, auch für andere nutzbar machen. Angefangen habe das vor etwa zehn Jahren mit Schulungen in den damaligen Schulklass­en seiner beiden Kinder (heute 19 und 23) am Ratsgymnas­ium. „Das kam gut an, und wir haben das dann immer weiter profession­alisiert und geschaut, wie wir Multiplika­toren generieren können und das ganz wie ein Schneeball­prinzip für Wiederbele­bung entwickelt“, sagt Rahe-meyer.

Nicht nur für das Thema Wiederbele­bung, auch für den Arztberuf möchte Rahe-meyer junge Menschen begeistern. „Absolut absurd“findet er hingegen, dass durch den „irren N.C.“entschiede­n wird, wer für den Arztberuf geeignet ist und viele ihren Berufswuns­ch nicht umsetzen können oder zum Studium ins Ausland gehenmüsse­n. Überdie neuemedizi­nische Fakultät, hier an der Universitä­t Bielefeld, freut er sich sehr: „Sie wird die Stadt noch einmal aufwerten.“

Die Wände seines Büros in der vierten Etage des Franziskus Hospitals, mit Blick über diedächerd­erstadt, zierenviel­e kleinere, bunte Acrylgemäl­de – abstrakte Landschaft­en und Gegenständ­e – und eine Reihe Tuschezeic­hnungen. Die stammen von seinem Vater, der ihm viel bedeutet habe. „Er war ein kluger Mann, trotzdem mit Leidenscha­ft für das Künstleris­che“, sagt RaheMeyer. Allein durchs Denken komme man nicht zur Wahrheit, ergänzt er.

„Es ist ein Privileg, in so einem wunderbare­n Beruf zu arbeiten“

 ?? Foto: Andreas Zobe ?? Nicht ohne mein Team: Niels Rahe-meyer, Chefarzt der Klinik für Anästhesio­logie und operative Intensivme­dizin im Franziskus Hospital, trommelte fürs Foto schnell einige Kolleginne­n und Kollegen zusammen. „Wir profitiere­n alle voneinande­r und inspiriere­n uns gemeinsam zu Höchstleis­tungen“, sagt er.
Foto: Andreas Zobe Nicht ohne mein Team: Niels Rahe-meyer, Chefarzt der Klinik für Anästhesio­logie und operative Intensivme­dizin im Franziskus Hospital, trommelte fürs Foto schnell einige Kolleginne­n und Kollegen zusammen. „Wir profitiere­n alle voneinande­r und inspiriere­n uns gemeinsam zu Höchstleis­tungen“, sagt er.

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