Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
„Die Inflation der Bilder bedrückt mich“
Detlev Buck spricht im Interview über die Verfilmung eines Romans des Vizekanzlers, seinen Nebenjob als Landwirt mit 30 Rindern, den Klimawandel und warum ihm die Künstliche Intelligenz Sorgen macht.
Herrbuck, Sie sind in der Verfilmung des Romans „Hauke Haiens Tod“zu sehen, den Robert Habeck gemeinsam mit seiner Frau Andrea Paluch geschrieben. Kennen Sie den Vizekanzler persönlich? Sie stammen ja beide aus Schleswig-holstein.
Detlev Buck: Na ja, Habeck lebt oben in Flensburg, ich bin unten aus dem Holsteinischen zwischen Hamburg und Lübeck. Ich sollte mal eine Wahlveranstaltung mit ihm machen, da habe ich aber gesagt: Ich mache keine Parteipolitik. Ich interessiere mich für Politik, und ich höre mir auch alle Seiten an, aber ich habe kein Parteibuch und habe das dann nicht gemacht. Ansonsten habe ich ihn schon öfter getroffen, weil er ja auch ein interessierter Typ ist, auch an Film und solchen Dingen.
Der Roman und seine Verfilmung knüpfen an Theodor Storms berühmte Schauernovelle „Der Schimmelreiter“an. Sie spielen Hauke Haien, der die Natur mit modernen Methoden zähmen will und stirbt. Sind Sie abergläubisch?
Eher nicht, aber ich respektiere Aberglauben. Der Film sollte ja ursprünglich noch mehr in Richtung Mysterythriller gehen, es war ein langes Hin und Her, und am Ende hat Regisseur Andreas Prochaska einen anderen Schwerpunkt gesetzt. Es geht um Hauke Haiens Tochter, die Jahre nach seinem Tod wissen will, was damalseigentlich los war. Es ist also eine Geschichte für die Next Generation. Die will ja auch wissen, was in der Vergangenheit schief gelaufen ist. Robert Habeck war bei der Premiere des Films, und ich glaube er fand ihn auch gut, besonders auch diese Perspektive der jungen Leute.
Viele junge Leute protestieren gegen den menschengemachten Klimawandel.. .
Ich sehe das an meinen Kindern. Wenn ich zu lange den Wasserhahn laufen lasse, dann sagen die: Mensch, jetzt dreh doch mal den Hahn ab. Die haben schon ein stärkeres Umweltbewusstsein als ich. Die haben ja auch das Recht, die Dinge anders machen zu wollen, denn die bleiben ja wahrscheinlich ein bisschen länger auf der Erde als wir.
Hat Theodor Storm mit Hauke Haien schon 1888 den modernen Menschen vorweggenommen, der in seiner Hybris die Natur zerstört?
Das mit der Hybris des Menschen ist ein uraltes Thema, und heute sehen wir die Folgen tagtäglich in den Nachrichten. Ein Freund von mir hat auf einem meiner Felder ein Tausende Jahre altes Beil aus der Steinzeit gefunden. An dieser Stelle hat also damals irgendein Mensch schon gearbeitet, sicherlich auch mit Tieren – und heute werden die Felder mit Hilfe von Robotern bearbeitet. Und dann frageichmich: Werstehtin30jahren hier, wo ich jetzt stehe? Das Land ist länger da als jeder Mensch, das macht einen demütig.
Sie sind nicht nur Regisseur und Schauspieler, sondern auch gelernter Landwirt, auf einem bauernhof groß geworden und haben 30 rinder. Was machen Sie sonst noch so auf Ihrem Hof?
Ich lege jedes Frühjahr auf achteinhalb Hektar eine Blühwiese an, da stellt ein Freund von mir seine Bienenvölker hin. Das ist auch alles vertraglich geregelt, ich kriege dafür eine Gegenleistung vom Land, sonst wäre das ein zu teurer Spaß.
Ihre Filme sind oft moderne Heimatfilme. Was fasziniert Sie so an der Provinz?
Es hatdamitzutun, dass ich damit groß geworden bin. Wenn ich auf dem Land bin, ist der Rhythmus ein ganz anderer als in der Stadt, es kommt mir immer vor wie ein Wunder. Weltweit haben die Provinz und das Land eine ähnliche Struktur. Die Langsamkeit, die Sturheit der Leute, die Lethargie teilweise. Mich fasziniert die Konsistenz – dass es in der Natur und auf dem Land immer wiederkehrende Prozesse gibt. Aber natürlich hat die Digitalisierung das Landschaftsbild wahnsinnig verändert. Man sieht ja auch keine Kuh mehr draußen, weil die alle vom Computer gemolken werden. Aber trotz des Strukturwandels verliert die Provinz nicht an Reiz für mich. Was mich bedrückt ist, dass wir diese enorme Inflationierung des Bildes haben. Alles ist voller Bilder.
Durch den Streamingboom?
Ja, aber nicht nur. Tiktok liefert zum Beispiel auch bewegte Bilder, und das Handy ist ja regelrecht ein neues Organ des Menschen geworden. Es werden so viele Geschichten erzählt, denen aber gar keine erlebte Wirklichkeit mehr zugrunde liegt. Dann kommt noch die Künstliche Intelligenz on top, und es gibt überhaupt keine Wahrhaftigkeit mehr in den Bildern. Mit KI hat man eine Büchse der Pandora geöffnet. Die Leute können einen großen, kunstvollen Film gar nicht mehr genießen, weil sie so mit Fast Pictures zugeballert werden.
Was sind denn Ihre nächsten Filmprojekte?
Da gibt’s ein paar Sachen. Unter anderem zwei Imagefilme für den Hauptverband Deutscher Filmtheater, damit die Leute wieder ins Kino gehen. Ob das hilft, weiß ich nicht. Die Masse ist eher beim schnellen Bild zu Hause. Die Aufmerksamkeit von jungen Menschen liegt maximal bei 15 Minuten, oder sie gucken parallel Handy und Film.
Das klingt nicht gerade optimistisch. . .
Stimmt. Aber ich will nicht wimmern. Meckern ja, aber nicht wimmern. Ich hab mal ein Interview mit einem 100Jährigen gesehen, der hat in seinem Leben alle möglichen großen Katastrophen erlebt, darunter den Absturz der Hindenburg 1937. Der hat am Ende des Gesprächs gesagt: „Ich bin gespannt, wie es weitergeht.“Das hat mich tief beeindrucktund das kann ich nur unterschreiben.
Das Gespräch führte Cornelia Wystrichowski