Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Stadt verfügt wieder über große Bauland-brache
Der erste Besitzer verursachte eine Milliarden-pleite, sein Nachfolger stritt nur mit der Stadt, dessen Nachfolger schloss den finalen Vergleich – unter Druck. Nach elf langen Jahren.
Bielefeld. 20.000 Quadratmeter bestes Bauland befinden sich wieder im alleinigen Besitz der Stadt. Die große Brache an der Greifswalder Straße in Stieghorstkehrt damit auf den Immobilien-markt der Möglichkeiten nach elf Jahren der Stagnation zurück. „Es war ein schwerer Weg, aber wir haben es geschafft“, sagt Jürgen Bültmann. Er fasst eine Entwicklung zusammen, die 2013 mit ambitionierten Zielen begann, später aber über vollmundige Investoren-versprechen nie hinauskam und final in einem Rechtsstreit mündete – der mit einem für die Stadt vorteilhaften Vergleich endete.
Bültmann arbeitet als kaufmännischer Betriebsleiter beim Immobilienservicebetrieb (ISB) der Stadt und ist in dieser Funktion fast von Anfang an mit der Causa vertraut: 2013 erwarb das Immobilien-unternehmen „Dolphin Capital“aus Hannover das Bauland von der Stadt – unter der Prämisse einer entsprechenden Wohnbebauung. Die Firma florierte, so schien es zumindest. Später zeigte sich, dass sie grandios floppte – mit einer mutmaßlich kriminellen Milliarden-pleite im Jahr 2021. Dass die Bielefelder Brache auf diesem Wege nicht in der Insolvenzmasse landete, lag an einem vorherigen Besitzerwechsel.
2017 hatte ein ehemaliger Dolphin-dienstleister die Grundstücke übernommen, nannte seine Gesellschaft „5. EP Projekt Greifswalder Gmbh & Co KG“, erhielt zwischen 2018 und 2020 Baugenehmigungen für 200 Wohnungen in 14 Mehrfamilienhäusern – errichtete aber kein einziges. Der Eintrag der „Eigentumsübertragungsvor-merkung“im Grundbuch für die rund 2 Hektar große Fläche sei die Ursache gewesen, weshalb er für sein Bauprojekt nie Kredite von Banken bekommen habe für die Finanzierung, daihmdaslandja formal nicht gehöre, hatte der Nachfolge-investor wiederholt geklagt.
Ursprünglich hatte dieser Eintrag verhindert, dass die Stadt als Eigentümerin den Grund doch noch anderweitig verkauft. Gleichzeitig bedeutete sie aber auch eine Sicherung gegen potenzielle Bodenspekulanten.
Wert der Wiesen ist auf 9 Millionen Euro geklettert
Beim Verkauf der Brache lag der Bodenrichtwert bei rund 185 Euro pro Quadratmeter, was einem Gesamtwert von 3,7 Millionen Euro entsprach. Mittlerweile ist der Quadratmeterpreis auf 450 Euro geklettert, katapultiert den Wert der Wiesen auf 9 Millionen Euro. Zwar bloß ein Richtwert, doch teures Bauland kombiniert mit gestiegenen Baukosten sowie gestiegenen Zinsen, „wir sprechen hier von einer 3 vor dem Komma“, sagt Bültmann, das seien nicht gerade die besten Rahmenbedingungen für Investoren.
Die momentan vorherrschende Zurückhaltung zeige sich auch an den Aktivitäten der lokalen Größen: So habe die Baugenossenschaft Freie Scholle vorerst keine größeren Projekte im Fokus, und die städtische BGW sei primär mit Sanierungen beschäftigt und der Fertigstellung von Quartiers-bauten. Auch Vonovia, nach eigenen Angaben mit 485.000 Wohnungen das führende Immobilien-unternehmen in Deutschland, habe alle Neubauprojekte gestoppt – die Altbauten der renovierten Conti-bronx grenzen direkt an die Greifswalder Straße.
Dazu gebe es gegenwärtig noch das Problem der begrenzten Verlässlichkeit der Fördervoraussetzungen, sagt Bültmann. Die einstigen Baugenehmigungen für die komplette Brache beliefen sich auf 200 Wohnungen. Durch die Baulandstrategie muss ein Drittel davon als Sozialwohnungen ausgewiesen werden – öffentlich gefördert. In der Vergangenheit hatte unter anderem auch die Konfusion um KFWFörderungen die Ambitionen am Bau ausgebremst, was die Wohnungsnot weiter forciert.
„Wir führen vertrauensvolle wie vertrauliche Gespräche“, sagt Jürgen Bültmann und begegnet so auch Begehrlichkeiten aus der Politik, die nach Jahren der Stagnation durchaus auf ein Signal wartet. Soein Signal beendetedann auch ganz flott den sich abzeichnenden juristischen Dauer-disput über den Verbleib der Brache: Die Stadt hatte in einem zweiten Prozess bereits 2021 auf Rückgabe der Immobilien geklagt wegen nichterfüllter Auflagen aus dem Kaufvertrag. Die Anwälte des zwischenzeitlich abermals gewechselten investors argumentierten, dass der Grundbucheintrag alle Ambitionen des Investors abwürge.
Als Anfang 2023 jedoch eine sogenannte Streithelferin aus London ihre Ansprüche anmeldete und der Partei des Investors zum Sieg verhelfen wollte, ging alles ganz fix. Zum Verdruss der Briten schlossen Klägerin und Beklagte plötzlich einen Vergleich, der auch einem sofortigen Protest standhielt. Das Oberlandesgericht in Hamm fand die Vereinbarung einwandfrei. Ein weiteres Jahr später hat die Stadt ihre Grundstücke zurück und Stieghorst eine Perspektive für die Greifswalder Straße. „Es ist schön, dass es jetzt weitergehen kann“, sagt Bezirksvertreter Simon Lange von der CDU. Die Fläche habe immer viel Potenzial geboten für eine Entwicklung, auch habe die CDU immer für eine Wohnbebauung votiert – doch in der gegenwärtigen Situation müssemanauch offen sein für andere Vorschläge der Nutzung.