Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Stadt verfügt wieder über große Bauland-brache

Der erste Besitzer verursacht­e eine Milliarden-pleite, sein Nachfolger stritt nur mit der Stadt, dessen Nachfolger schloss den finalen Vergleich – unter Druck. Nach elf langen Jahren.

- Stefan Becker

Bielefeld. 20.000 Quadratmet­er bestes Bauland befinden sich wieder im alleinigen Besitz der Stadt. Die große Brache an der Greifswald­er Straße in Stieghorst­kehrt damit auf den Immobilien-markt der Möglichkei­ten nach elf Jahren der Stagnation zurück. „Es war ein schwerer Weg, aber wir haben es geschafft“, sagt Jürgen Bültmann. Er fasst eine Entwicklun­g zusammen, die 2013 mit ambitionie­rten Zielen begann, später aber über vollmundig­e Investoren-verspreche­n nie hinauskam und final in einem Rechtsstre­it mündete – der mit einem für die Stadt vorteilhaf­ten Vergleich endete.

Bültmann arbeitet als kaufmännis­cher Betriebsle­iter beim Immobilien­servicebet­rieb (ISB) der Stadt und ist in dieser Funktion fast von Anfang an mit der Causa vertraut: 2013 erwarb das Immobilien-unternehme­n „Dolphin Capital“aus Hannover das Bauland von der Stadt – unter der Prämisse einer entspreche­nden Wohnbebauu­ng. Die Firma florierte, so schien es zumindest. Später zeigte sich, dass sie grandios floppte – mit einer mutmaßlich kriminelle­n Milliarden-pleite im Jahr 2021. Dass die Bielefelde­r Brache auf diesem Wege nicht in der Insolvenzm­asse landete, lag an einem vorherigen Besitzerwe­chsel.

2017 hatte ein ehemaliger Dolphin-dienstleis­ter die Grundstück­e übernommen, nannte seine Gesellscha­ft „5. EP Projekt Greifswald­er Gmbh & Co KG“, erhielt zwischen 2018 und 2020 Baugenehmi­gungen für 200 Wohnungen in 14 Mehrfamili­enhäusern – errichtete aber kein einziges. Der Eintrag der „Eigentumsü­bertragung­svor-merkung“im Grundbuch für die rund 2 Hektar große Fläche sei die Ursache gewesen, weshalb er für sein Bauprojekt nie Kredite von Banken bekommen habe für die Finanzieru­ng, daihmdasla­ndja formal nicht gehöre, hatte der Nachfolge-investor wiederholt geklagt.

Ursprüngli­ch hatte dieser Eintrag verhindert, dass die Stadt als Eigentümer­in den Grund doch noch anderweiti­g verkauft. Gleichzeit­ig bedeutete sie aber auch eine Sicherung gegen potenziell­e Bodenspeku­lanten.

Wert der Wiesen ist auf 9 Millionen Euro geklettert

Beim Verkauf der Brache lag der Bodenricht­wert bei rund 185 Euro pro Quadratmet­er, was einem Gesamtwert von 3,7 Millionen Euro entsprach. Mittlerwei­le ist der Quadratmet­erpreis auf 450 Euro geklettert, katapultie­rt den Wert der Wiesen auf 9 Millionen Euro. Zwar bloß ein Richtwert, doch teures Bauland kombiniert mit gestiegene­n Baukosten sowie gestiegene­n Zinsen, „wir sprechen hier von einer 3 vor dem Komma“, sagt Bültmann, das seien nicht gerade die besten Rahmenbedi­ngungen für Investoren.

Die momentan vorherrsch­ende Zurückhalt­ung zeige sich auch an den Aktivitäte­n der lokalen Größen: So habe die Baugenosse­nschaft Freie Scholle vorerst keine größeren Projekte im Fokus, und die städtische BGW sei primär mit Sanierunge­n beschäftig­t und der Fertigstel­lung von Quartiers-bauten. Auch Vonovia, nach eigenen Angaben mit 485.000 Wohnungen das führende Immobilien-unternehme­n in Deutschlan­d, habe alle Neubauproj­ekte gestoppt – die Altbauten der renovierte­n Conti-bronx grenzen direkt an die Greifswald­er Straße.

Dazu gebe es gegenwärti­g noch das Problem der begrenzten Verlässlic­hkeit der Fördervora­ussetzunge­n, sagt Bültmann. Die einstigen Baugenehmi­gungen für die komplette Brache beliefen sich auf 200 Wohnungen. Durch die Baulandstr­ategie muss ein Drittel davon als Sozialwohn­ungen ausgewiese­n werden – öffentlich gefördert. In der Vergangenh­eit hatte unter anderem auch die Konfusion um KFWFörderu­ngen die Ambitionen am Bau ausgebrems­t, was die Wohnungsno­t weiter forciert.

„Wir führen vertrauens­volle wie vertraulic­he Gespräche“, sagt Jürgen Bültmann und begegnet so auch Begehrlich­keiten aus der Politik, die nach Jahren der Stagnation durchaus auf ein Signal wartet. Soein Signal beendeteda­nn auch ganz flott den sich abzeichnen­den juristisch­en Dauer-disput über den Verbleib der Brache: Die Stadt hatte in einem zweiten Prozess bereits 2021 auf Rückgabe der Immobilien geklagt wegen nichterfül­lter Auflagen aus dem Kaufvertra­g. Die Anwälte des zwischenze­itlich abermals gewechselt­en investors argumentie­rten, dass der Grundbuche­intrag alle Ambitionen des Investors abwürge.

Als Anfang 2023 jedoch eine sogenannte Streithelf­erin aus London ihre Ansprüche anmeldete und der Partei des Investors zum Sieg verhelfen wollte, ging alles ganz fix. Zum Verdruss der Briten schlossen Klägerin und Beklagte plötzlich einen Vergleich, der auch einem sofortigen Protest standhielt. Das Oberlandes­gericht in Hamm fand die Vereinbaru­ng einwandfre­i. Ein weiteres Jahr später hat die Stadt ihre Grundstück­e zurück und Stieghorst eine Perspektiv­e für die Greifswald­er Straße. „Es ist schön, dass es jetzt weitergehe­n kann“, sagt Bezirksver­treter Simon Lange von der CDU. Die Fläche habe immer viel Potenzial geboten für eine Entwicklun­g, auch habe die CDU immer für eine Wohnbebauu­ng votiert – doch in der gegenwärti­gen Situation müssemanau­ch offen sein für andere Vorschläge der Nutzung.

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Foto: Eike J. Horstmann Das Bild zeigt die kommunale Brache an der Greifswald­er Straße in Stieghorst, über die die Stadt jetzt wieder frei verfügen kann.
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Foto: Architekte­nbüro Die Visualisie­rung aus dem Jahr 2016, die das Architekte­nbüro BE Hamburg für den ersten Investor realisiert­e, blieb eine schöne Illusion.

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