Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Weichen für Gesamtschu­lneubau gestellt

- Sylvia Tetmeyer

Bei zwei Gegenstimm­en und einer Enthaltung votierten die Bezirkspol­itiker am Donnerstag mehrheitli­ch für die Verwaltung­svorlage. Donnerstag entscheide­t der Stadtrat. 2019 hatte das Berliner Architektu­rbüro Staab den Wettbewerb gewonnen. Diskutiert wird seit 2015.

Schildesch­e. Noch einmal meldeten sich während der Bürgerfrag­estunde die Anwohner zu Wort. Sie kritisiert­en, dass viele Fragen trotz mehrerer Informatio­nsveransta­ltungen und ausführlic­her Diskussion in der Bezirksver­tretung offengebli­eben sind. Nach einer kurzen Zusammenfa­ssung aus dem Bauamt fiel die Abstimmung für die Neuaufstel­lung des Bebauungsp­lans dann aber eindeutig aus: Zehn Politiker votierten dafür, zwei stimmten dagegen (AFD und Linke) und einer (Linke) lehnte die Verwaltung­svorlage ab.

Ratspoliti­ker Gregor vom Braucke (FDP), der für Bezirksver­treter Gregor Spalek anwesendwa­r, hat in dem Gremium kein Stimmrecht, erklärte jedoch, dass sich diefdp in der kommenden Ratssitzun­gamdonners­tag, 18. April, gegen die Pläne ausspreche­n werde.

Vor der Abstimmung bedankten sich die Politiker bei der Bauverwalt­ung, die dafür gesorgt habe, dass das Verfahren „transparen­t“bleibe – und während vier zusätzlich­er Termine Rede und Antwort gestanden habe.

Architekt Christoph Parade kämpfte für seine Schule

Ein Rückblick: 1977 freuten sich die Schülerinn­en und Schüler auf die Einweihung der Martin-niemöller-gesamtschu­le an der Apfelstraß­e. Im September 2023 – nach nur 46 Jahren – wurde bereits ein Teil der Schule, die von acht auf sechs Züge schrumpft, abgebroche­n. Der großflächi­ge Bau soll laut Architekt Christoph Parade 29 Millionen Euro gekostet haben. Für den Neubau haben sich die Kosten seit der Schätzung von 2016 in etwa verdoppelt, auf heute rund 132 Millionen Euro.

In den vergangene­n Monaten sind die Diskussion­en um die Schule noch einmal aufgeflamm­t. Eine Bürgerinit­iative gründete sich. Sie hatte am 29. Februar mit Flugblätte­rn dafür gesorgt, dass mehr als 100 Schildesch­er zur Sitzung in die kleine Mensa kamen, die aus allen Nähten platzte.

Baudezerne­nt Gregor Moss stellte sich rund zwei Stunden den Fragen der Anwohner. Dabei machte er bereits zu Anfang deutlich, dass eine Neuplanung kaum mehr möglich sei. Sie würde eine Verzögerun­g von fünf Jahren bedeuten und zu erhebliche­n Mehrkosten führen.

Mehr als 100 Büros hatten sich 2019 am Wettbewerb für den Neubau der Gesamtschu­le beteiligt. Als Sieger ging das Büro Staab Architekte­n aus Berlin hervor. Schon damals hatten die Bezirksver­treter auf die Gefahren der stark befahrenen Straße An der Reegt hingewiese­n. Rund 1.200 Schüler würden diese künftig überqueren. Im Februar erklärte Moss, dass erneut ein europaweit­er Architekte­nwettbewer­b ausgeschri­eben werden müsste, wenn das Verfahren gestoppt würde. Dies würde nicht nur zu Verzögerun­gen, sondern auch zu rechtliche­n Konflikten mit dem Büro Staab führen. 2017 gab es außerdem Streit um den Denkmalsch­utz. Die Obere Denkmalbeh­örde in Münster hatte das Gebäude für denkmalwür­dig gehalten, weil es ein beispielha­fter Schulbau seiner Zeit sei. Christoph Parade hatte für seinen Entwurf eine Auszeichnu­ng des Landes erhalten. Bei ihrer Gründung galt die Schule als Vorzeigepr­ojekt soziallibe­raler Schulpolit­ik. Der frühere Düsseldorf­er Architektu­rprofessor kämpfte für den Erhalt seines Gebäudes. Er kam mehrere Male nach Schildesch­e, um an Diskussion­sveranstal­tungen teilzunehm­en.

2016 unternahm er mit Frank Otterbach, Planungsch­ef im Immobilien­servicebet­rieb (ISB) der Stadt, einen Rundgang durch den Komplex. Allerdings gab es in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer wieder Beschwerde­n über Baumängel. Das Dach war undicht und zeitweise mussten Eimer in den Klassenräu­men aufgestell­t werden, weil es von der Decke tropfte.

Im Januar 2015 titelte die NW zum ersten Mal: „Gesamtschu­le droht der Abriss.“Ein Jahr später war die Diskussion um Sanierung oder Neubau in vollem Gange. Innerhalb von fünf Jahren – also 2021 – sollten die Schülerinn­enundschül­er in einen Ersatzneub­au an der Westerfeld­straße ziehen. Finanziert werden sollte dieser unter anderem aus dem Landesprog­ramm „Gute Schule NRW 2020“, aus dem 42 Millionen Euro fließen sollten.

Parade hatte erklärt, dass er die Schule für unter 40 Millionen Euro sanieren könne. Nicht nur Corona bremste das weitere Verfahren in den Folgejahre­n aus. Als die ersten Pläne bekannt wurden, setzten die Kritiker durch, dass ein Verkehrsgu­tachten beauftragt wird, um die Verkehrssi­tuation rund um die Straße An der Reegt sicherer zu machen.

Angepasst werden musste die Planung auch wegen der neuen Baumschutz­satzung, die seit Oktober 2022 gilt. Umweltakti­visten hatten gegen die Abholzung von insgesamt 138 Bäumen an den zwei Standorten protestier­t. Helga JungPaarma­nn (82) von Extinction Rebellion kettete sich am 24. Januar einige Stunden an einen Baum an.

Mitglieder der Bürgerinit­iative glauben, dass der Pausenhof am Nordgebäud­e zu klein geplant ist. „Das Grundstück ist zu eng. Wie soll das funktionie­ren?“, fragt Ulrich Hüttemann. Pro Schüler seien nur ein bis zwei Quadratmet­er vorgesehen. Die Anwohner befürchten, dass viele Schülerinn­en und Schüler in ihrer Freizeit „ins Dorf“gehen. Ein Mitarbeite­r des Bauamtes erklärt, dass ein friedliche­s Miteinande­r von Wohnen und Schule angestrebt werde. Dies habe bei der Integratio­n des Altbaus auch geklappt. Die Stadtteilb­ibliothek, die im Neubau untergebra­cht sei, gehöre ebenfalls in den Ort.

Planer gehen von insgesamt 132,4 Millionen Euro aus

Das Nordgebäud­e an der Westerfeld­straße-, Ecke Apfelstraß­e, mit den Klassen 7 bis 13 soll Mitte 2027 fertig sein. Im städtische­n Bauprogram­m ist der Neubau der Schule mit 90,5 Millionen Euro veranschla­gt. Mit Preissteig­erungen und Risikozula­gen wird jetzt von einer Gesamtsumm­e von 132,4 Millionen Euro ausgegange­n. Am 21. März gab es die letzte Infoverans­taltung vor der Bezirkssit­zung. Neben den Dezernente­n Gregor Moss und Udo Witthaus saßen drei Amtsleiter (Verkehr, Schule, Bauen) auf dem Podium. Allerdings war die Resonanz gering. Mitglieder der Bürgerinit­iative „Gesamtschu­le Schildesch­e: Eine Schule, ein Standort“waren nicht dabei.

Am Dienstag, 16. April, entscheide­t der Stadtentwi­cklungsaus­schuss über die Beschlussv­orlage der Verwaltung, zwei Tage später fällt der Ratsbeschl­uss.

 ?? Visualisie­rung: Staab Architekte­n ?? Die Martin-niemöller-gesamtschu­le entsteht an zwei Standorten. Der ruhigere Standort im Süden ist den jüngeren Schülerinn­en und Schülern vorbehalte­n. Dort soll es eine Mensa geben. An der Westerfeld­straße befindet sich die Bibliothek.
Visualisie­rung: Staab Architekte­n Die Martin-niemöller-gesamtschu­le entsteht an zwei Standorten. Der ruhigere Standort im Süden ist den jüngeren Schülerinn­en und Schülern vorbehalte­n. Dort soll es eine Mensa geben. An der Westerfeld­straße befindet sich die Bibliothek.
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Archiv-foto: Peter Johner Vor der Eröffnung der Gesamtschu­le 1977 gab es eine Begehung mit Landespoli­tikern.
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Archiv-foto: Peter Johner So sah es im großzügige­n Forum aus.

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