Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Weichen für Gesamtschulneubau gestellt
Bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung votierten die Bezirkspolitiker am Donnerstag mehrheitlich für die Verwaltungsvorlage. Donnerstag entscheidet der Stadtrat. 2019 hatte das Berliner Architekturbüro Staab den Wettbewerb gewonnen. Diskutiert wird seit 2015.
Schildesche. Noch einmal meldeten sich während der Bürgerfragestunde die Anwohner zu Wort. Sie kritisierten, dass viele Fragen trotz mehrerer Informationsveranstaltungen und ausführlicher Diskussion in der Bezirksvertretung offengeblieben sind. Nach einer kurzen Zusammenfassung aus dem Bauamt fiel die Abstimmung für die Neuaufstellung des Bebauungsplans dann aber eindeutig aus: Zehn Politiker votierten dafür, zwei stimmten dagegen (AFD und Linke) und einer (Linke) lehnte die Verwaltungsvorlage ab.
Ratspolitiker Gregor vom Braucke (FDP), der für Bezirksvertreter Gregor Spalek anwesendwar, hat in dem Gremium kein Stimmrecht, erklärte jedoch, dass sich diefdp in der kommenden Ratssitzungamdonnerstag, 18. April, gegen die Pläne aussprechen werde.
Vor der Abstimmung bedankten sich die Politiker bei der Bauverwaltung, die dafür gesorgt habe, dass das Verfahren „transparent“bleibe – und während vier zusätzlicher Termine Rede und Antwort gestanden habe.
Architekt Christoph Parade kämpfte für seine Schule
Ein Rückblick: 1977 freuten sich die Schülerinnen und Schüler auf die Einweihung der Martin-niemöller-gesamtschule an der Apfelstraße. Im September 2023 – nach nur 46 Jahren – wurde bereits ein Teil der Schule, die von acht auf sechs Züge schrumpft, abgebrochen. Der großflächige Bau soll laut Architekt Christoph Parade 29 Millionen Euro gekostet haben. Für den Neubau haben sich die Kosten seit der Schätzung von 2016 in etwa verdoppelt, auf heute rund 132 Millionen Euro.
In den vergangenen Monaten sind die Diskussionen um die Schule noch einmal aufgeflammt. Eine Bürgerinitiative gründete sich. Sie hatte am 29. Februar mit Flugblättern dafür gesorgt, dass mehr als 100 Schildescher zur Sitzung in die kleine Mensa kamen, die aus allen Nähten platzte.
Baudezernent Gregor Moss stellte sich rund zwei Stunden den Fragen der Anwohner. Dabei machte er bereits zu Anfang deutlich, dass eine Neuplanung kaum mehr möglich sei. Sie würde eine Verzögerung von fünf Jahren bedeuten und zu erheblichen Mehrkosten führen.
Mehr als 100 Büros hatten sich 2019 am Wettbewerb für den Neubau der Gesamtschule beteiligt. Als Sieger ging das Büro Staab Architekten aus Berlin hervor. Schon damals hatten die Bezirksvertreter auf die Gefahren der stark befahrenen Straße An der Reegt hingewiesen. Rund 1.200 Schüler würden diese künftig überqueren. Im Februar erklärte Moss, dass erneut ein europaweiter Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden müsste, wenn das Verfahren gestoppt würde. Dies würde nicht nur zu Verzögerungen, sondern auch zu rechtlichen Konflikten mit dem Büro Staab führen. 2017 gab es außerdem Streit um den Denkmalschutz. Die Obere Denkmalbehörde in Münster hatte das Gebäude für denkmalwürdig gehalten, weil es ein beispielhafter Schulbau seiner Zeit sei. Christoph Parade hatte für seinen Entwurf eine Auszeichnung des Landes erhalten. Bei ihrer Gründung galt die Schule als Vorzeigeprojekt sozialliberaler Schulpolitik. Der frühere Düsseldorfer Architekturprofessor kämpfte für den Erhalt seines Gebäudes. Er kam mehrere Male nach Schildesche, um an Diskussionsveranstaltungen teilzunehmen.
2016 unternahm er mit Frank Otterbach, Planungschef im Immobilienservicebetrieb (ISB) der Stadt, einen Rundgang durch den Komplex. Allerdings gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Beschwerden über Baumängel. Das Dach war undicht und zeitweise mussten Eimer in den Klassenräumen aufgestellt werden, weil es von der Decke tropfte.
Im Januar 2015 titelte die NW zum ersten Mal: „Gesamtschule droht der Abriss.“Ein Jahr später war die Diskussion um Sanierung oder Neubau in vollem Gange. Innerhalb von fünf Jahren – also 2021 – sollten die Schülerinnenundschüler in einen Ersatzneubau an der Westerfeldstraße ziehen. Finanziert werden sollte dieser unter anderem aus dem Landesprogramm „Gute Schule NRW 2020“, aus dem 42 Millionen Euro fließen sollten.
Parade hatte erklärt, dass er die Schule für unter 40 Millionen Euro sanieren könne. Nicht nur Corona bremste das weitere Verfahren in den Folgejahren aus. Als die ersten Pläne bekannt wurden, setzten die Kritiker durch, dass ein Verkehrsgutachten beauftragt wird, um die Verkehrssituation rund um die Straße An der Reegt sicherer zu machen.
Angepasst werden musste die Planung auch wegen der neuen Baumschutzsatzung, die seit Oktober 2022 gilt. Umweltaktivisten hatten gegen die Abholzung von insgesamt 138 Bäumen an den zwei Standorten protestiert. Helga JungPaarmann (82) von Extinction Rebellion kettete sich am 24. Januar einige Stunden an einen Baum an.
Mitglieder der Bürgerinitiative glauben, dass der Pausenhof am Nordgebäude zu klein geplant ist. „Das Grundstück ist zu eng. Wie soll das funktionieren?“, fragt Ulrich Hüttemann. Pro Schüler seien nur ein bis zwei Quadratmeter vorgesehen. Die Anwohner befürchten, dass viele Schülerinnen und Schüler in ihrer Freizeit „ins Dorf“gehen. Ein Mitarbeiter des Bauamtes erklärt, dass ein friedliches Miteinander von Wohnen und Schule angestrebt werde. Dies habe bei der Integration des Altbaus auch geklappt. Die Stadtteilbibliothek, die im Neubau untergebracht sei, gehöre ebenfalls in den Ort.
Planer gehen von insgesamt 132,4 Millionen Euro aus
Das Nordgebäude an der Westerfeldstraße-, Ecke Apfelstraße, mit den Klassen 7 bis 13 soll Mitte 2027 fertig sein. Im städtischen Bauprogramm ist der Neubau der Schule mit 90,5 Millionen Euro veranschlagt. Mit Preissteigerungen und Risikozulagen wird jetzt von einer Gesamtsumme von 132,4 Millionen Euro ausgegangen. Am 21. März gab es die letzte Infoveranstaltung vor der Bezirkssitzung. Neben den Dezernenten Gregor Moss und Udo Witthaus saßen drei Amtsleiter (Verkehr, Schule, Bauen) auf dem Podium. Allerdings war die Resonanz gering. Mitglieder der Bürgerinitiative „Gesamtschule Schildesche: Eine Schule, ein Standort“waren nicht dabei.
Am Dienstag, 16. April, entscheidet der Stadtentwicklungsausschuss über die Beschlussvorlage der Verwaltung, zwei Tage später fällt der Ratsbeschluss.