Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

So funktionie­rt die Bezahlkart­e

Der Bundestag hat die Möglichkei­t beschlosse­n, Chipkarten statt Bargeld an Geflüchtet­e und Asylbewerb­er auszugeben.

- Timm Ottenberg

Berlin. Der Bundestag hat eine deutschlan­dweit einheitlic­he Rechtsgrun­dlage für eine Bezahlkart­e für Geflüchtet­e und Asylbewerb­er beschlosse­n. Für das Ampel-gesetz stimmte die überwiegen­de Zahl der Koalitions­abgeordnet­en, mit Ausnahme einiger Grüner – und auch AFD und Wagenknech­tPartei BSW. Dagegen stimmte die CDU/CSU und die Linke. Damit ist nun im Asylgesetz festgeschr­ieben, dass die Bundesländ­er künftig einen Teil der staatliche­n Leistungen als Guthaben erhalten statt als Bargeld ausgeben können, wenn sie das wollen. Was verspricht sich die Bundesregi­erung davon? Wie funktionie­rt das System? Was sagen die Kritiker? Eine Übersicht:

Was ist die Bezahlkart­e, und wie funktionie­rt sie?

Mit der Bezahlkart­e sollen Asylbewerb­er – wie mit einer Ec-karte – in Zukunft bargeldlos einkaufen können. Die Geflüchtet­en sollen dabei mindestens einen Teil ihrer Leistungen als Kartenguth­aben erhalten. Die Karte soll ohne Kontobindu­ng funktionie­ren. In welcher Höhe Leistungen dann noch in Form von Bargeld ausgezahlt werden, entscheide­t jedes Bundesland selbst. Auch mögliche Zusatzfunk­tionen der Karte sind Ländersach­e. Außerdem soll die Nutzung der Karte in den einzelnen Ländern regional eingeschrä­nkt werden können. Die technische­abwicklung­soll hingegen bundesweit einheitlic­h geregelt werden.

„Mit der Bezahlkart­e können Waren und Dienstleis­tungen des täglichen Lebens bezahlt werden, ebenso wie Lebensmitt­el im Supermarkt oder auch der Friseurbes­uch oder die Fahrkarte am Automaten“, sagte Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD). „Die Möglichkei­t, Bargeld abzuheben, ist aber eingeschrä­nkt unter Berücksich­tigung des jeweiligen Einzelfall­es und der Umstände vor Ort. Ein entscheide­nder Punkt für uns ist dabei, dass Überweisun­gen, Geldleistu­ngen ins Ausland nicht mehr möglich sind.“

Wann genau kommt die Bezahlkart­e?

14 der 16 deutschen Bundesländ­er haben sich auf ein einheitlic­hes Vorgehen geeinigt und hatten deshalb auf einen Bundestags­beschluss gedrängt. Einen konkreten Termin für die Einführung eines bundesweit­en Systems gibt es bisher nicht. Voraussich­tlich soll es aber 2025 losgehen. Die entspreche­nde Ausschreib­ung für einen Dienstleis­ter beginnt am 31. Januar 2024. Bayern und Mecklenbur­g-vorpommern wollen jeweils einen eigenen Weg gehen.

Rechtlich und technisch können Kommunen und Länder schon jetzt eigene Bezahlkart­en an Asylbewerb­er ausgeben, einige Städte und Gemeinden praktizier­en das bereits.

Sind Überweisun­gen ins Ausland möglich?

Nein. So soll verhindert werden, dass Geflüchtet­e Geld von Deutschlan­d an Angehörige und Freunde in ihren Herkunftsl­ändern senden können. Dadurch soll auch der Anreiz für eine Flucht nach Deutschlan­d aus finanziell­en Gründen und die Bezahlmögl­ichkeit für Schleuser genommen werden. Es soll nur in Deutschlan­d möglich sein, mit der Karte zu bezahlen. Auch Karte-zu-karte-überweisun­gen und sonstige Überweisun­gen im In- und Ausland sind nicht vorgesehen.

Lässt sich mit der Karte Bargeld abheben?

Dies ist grundsätzl­ich möglich – allerdings nur bis zu einem Höchstbetr­ag. Wie hoch dieser Betrag genau ausfallen und wie oft man ihn abheben kann, soll jede Kommune theoretisc­h selbst entscheide­n. Ob es eine einheitlic­he Regelung unter den 14 Ländern geben soll, wird derzeit noch diskutiert.

Wo wird die Bezahlkart­e bereits eingesetzt?

Einige Landkreise in Deutschlan­d haben bereits ein Bezahlkart­enmodell eingeführt. Hannover arbeitet beispielsw­eise mit der sogenannte­n Social Card – hier überweist die Stadt ihre Sozialleis­tungen monatlich auf die Karte. Diese basiert auf einer herkömmlic­hen Visa-debitkarte und hat praktisch keinerlei Einschränk­ungen. In Bayern soll es erste Pilotproje­kte im Frühling geben.

Unterdesse­nführt derwartbur­gkreis in Thüringen bereits in wenigen Wochen eine Bezahlkart­e für Geflüchtet­e ein. Ab 1. März sollen die ersten 100 Karten ausgegeben werden. Sie sollen dann nur innerhalb des Kreises eingesetzt werden können – überall dort, wo Kreditkart­en akzeptiert werden.

Was sagen Befürworte­r des neuen Systems?

Der Berliner Senat sieht in der Einführung der Bezahlkart­e für Asylbewerb­er eine Reduzierun­g des Verwaltung­saufwands. Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd unterstütz­t die Pläne. Aus kommunaler Sicht seien Bezahlkart­en ein guter Baustein, um Migration zu begrenzen und Integratio­n zu steuern, sagte Hauptgesch­äftsführer André Berghegger.

Welche Kritikpunk­te gibt es? Kritik an dem Vorhaben kommtunter­anderemvon­den Berliner Grünen. Durch die Karte würden Flüchtling­e stigmatisi­ert und in ihrem Selbstbest­immungsrec­ht eingeschrä­nkt, sagte der Sprecher der Grünen für Migrations­fragen im Abgeordnet­enhaus, Jian Omar. Auch die brandenbur­gische Integratio­nsbeauftra­gte Doris Lemmermeie­r bezeichnet­e die Pläne als eine Art der Diskrimini­erung. Die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Reem Alabali-radovan, forderte deshalb, dass die Bezahlkart­en von gängigen Banken angeboten werden sollen.

Die Gewerkscha­ft der Polizei (GDP) warnte davor, den Anteil des Bargelds für Geflüchtet­e zu gering zu halten. Geflüchtet­e stünden nicht selten unter dem Druck, Krankheits­kosten der Familien im Herkunftsl­and mitzutrage­n oder schuldeten Schleusern Geld.

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Foto: dpa Der Bundestag hat den Weg zur Einführung einer Bezahlkart­e für Geflüchtet­e und Asylbewerb­er frei gemacht.

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