Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
So funktioniert die Bezahlkarte
Der Bundestag hat die Möglichkeit beschlossen, Chipkarten statt Bargeld an Geflüchtete und Asylbewerber auszugeben.
Berlin. Der Bundestag hat eine deutschlandweit einheitliche Rechtsgrundlage für eine Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylbewerber beschlossen. Für das Ampel-gesetz stimmte die überwiegende Zahl der Koalitionsabgeordneten, mit Ausnahme einiger Grüner – und auch AFD und WagenknechtPartei BSW. Dagegen stimmte die CDU/CSU und die Linke. Damit ist nun im Asylgesetz festgeschrieben, dass die Bundesländer künftig einen Teil der staatlichen Leistungen als Guthaben erhalten statt als Bargeld ausgeben können, wenn sie das wollen. Was verspricht sich die Bundesregierung davon? Wie funktioniert das System? Was sagen die Kritiker? Eine Übersicht:
Was ist die Bezahlkarte, und wie funktioniert sie?
Mit der Bezahlkarte sollen Asylbewerber – wie mit einer Ec-karte – in Zukunft bargeldlos einkaufen können. Die Geflüchteten sollen dabei mindestens einen Teil ihrer Leistungen als Kartenguthaben erhalten. Die Karte soll ohne Kontobindung funktionieren. In welcher Höhe Leistungen dann noch in Form von Bargeld ausgezahlt werden, entscheidet jedes Bundesland selbst. Auch mögliche Zusatzfunktionen der Karte sind Ländersache. Außerdem soll die Nutzung der Karte in den einzelnen Ländern regional eingeschränkt werden können. Die technischeabwicklungsoll hingegen bundesweit einheitlich geregelt werden.
„Mit der Bezahlkarte können Waren und Dienstleistungen des täglichen Lebens bezahlt werden, ebenso wie Lebensmittel im Supermarkt oder auch der Friseurbesuch oder die Fahrkarte am Automaten“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). „Die Möglichkeit, Bargeld abzuheben, ist aber eingeschränkt unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalles und der Umstände vor Ort. Ein entscheidender Punkt für uns ist dabei, dass Überweisungen, Geldleistungen ins Ausland nicht mehr möglich sind.“
Wann genau kommt die Bezahlkarte?
14 der 16 deutschen Bundesländer haben sich auf ein einheitliches Vorgehen geeinigt und hatten deshalb auf einen Bundestagsbeschluss gedrängt. Einen konkreten Termin für die Einführung eines bundesweiten Systems gibt es bisher nicht. Voraussichtlich soll es aber 2025 losgehen. Die entsprechende Ausschreibung für einen Dienstleister beginnt am 31. Januar 2024. Bayern und Mecklenburg-vorpommern wollen jeweils einen eigenen Weg gehen.
Rechtlich und technisch können Kommunen und Länder schon jetzt eigene Bezahlkarten an Asylbewerber ausgeben, einige Städte und Gemeinden praktizieren das bereits.
Sind Überweisungen ins Ausland möglich?
Nein. So soll verhindert werden, dass Geflüchtete Geld von Deutschland an Angehörige und Freunde in ihren Herkunftsländern senden können. Dadurch soll auch der Anreiz für eine Flucht nach Deutschland aus finanziellen Gründen und die Bezahlmöglichkeit für Schleuser genommen werden. Es soll nur in Deutschland möglich sein, mit der Karte zu bezahlen. Auch Karte-zu-karte-überweisungen und sonstige Überweisungen im In- und Ausland sind nicht vorgesehen.
Lässt sich mit der Karte Bargeld abheben?
Dies ist grundsätzlich möglich – allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag. Wie hoch dieser Betrag genau ausfallen und wie oft man ihn abheben kann, soll jede Kommune theoretisch selbst entscheiden. Ob es eine einheitliche Regelung unter den 14 Ländern geben soll, wird derzeit noch diskutiert.
Wo wird die Bezahlkarte bereits eingesetzt?
Einige Landkreise in Deutschland haben bereits ein Bezahlkartenmodell eingeführt. Hannover arbeitet beispielsweise mit der sogenannten Social Card – hier überweist die Stadt ihre Sozialleistungen monatlich auf die Karte. Diese basiert auf einer herkömmlichen Visa-debitkarte und hat praktisch keinerlei Einschränkungen. In Bayern soll es erste Pilotprojekte im Frühling geben.
Unterdessenführt derwartburgkreis in Thüringen bereits in wenigen Wochen eine Bezahlkarte für Geflüchtete ein. Ab 1. März sollen die ersten 100 Karten ausgegeben werden. Sie sollen dann nur innerhalb des Kreises eingesetzt werden können – überall dort, wo Kreditkarten akzeptiert werden.
Was sagen Befürworter des neuen Systems?
Der Berliner Senat sieht in der Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands. Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützt die Pläne. Aus kommunaler Sicht seien Bezahlkarten ein guter Baustein, um Migration zu begrenzen und Integration zu steuern, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger.
Welche Kritikpunkte gibt es? Kritik an dem Vorhaben kommtunteranderemvonden Berliner Grünen. Durch die Karte würden Flüchtlinge stigmatisiert und in ihrem Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt, sagte der Sprecher der Grünen für Migrationsfragen im Abgeordnetenhaus, Jian Omar. Auch die brandenburgische Integrationsbeauftragte Doris Lemmermeier bezeichnete die Pläne als eine Art der Diskriminierung. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-radovan, forderte deshalb, dass die Bezahlkarten von gängigen Banken angeboten werden sollen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) warnte davor, den Anteil des Bargelds für Geflüchtete zu gering zu halten. Geflüchtete stünden nicht selten unter dem Druck, Krankheitskosten der Familien im Herkunftsland mitzutragen oder schuldeten Schleusern Geld.