Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Angst vor Verlust der Wettbewerbsfähigkeit
Positionen zu Folgen der Energiewende.
Zuletzt hat der Krieg in der Ukraine dafür gesorgt, dass Energie knapper und teurer geworden ist. Gleichzeitig bringt der Klimaschutz den Ausstieg aus Kohle und Gas. Kann das funktionieren, können die Menschen das bezahlen, bleibt die Wirtschaft konkurrenzfähig? Beim jüngsten Vortragsabend des Weiterbildungsvereins Gildenhaus gab es dazu drei Perspektiven: die des Energieversorgers, die des Unternehmers und die der Politikerin.
Wie bringt man Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit unter einen Hut? Für Martin Uekmann, einerderbeidengeschäftsführer der StadtwerkeGruppe, ist das der springende Punkt bei der Energiewende. Die brauche stabile Rahmenbedingungen und darüber hinaus einen breiten gesellschaftlichen Konsens.
Bis 2030 sollen alle Bielefelder Haushalte mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt werden. Leicht wird das nicht. Denn der Strombedarf steigt – vor allem durch E-MObilität und elektrische Heizungen wie Wärmepumpen.
Was wird aus den Netzen? Bundesweit stecken Stromund Gasleitungen für Milliarden von Euro im Boden. Um die optimal zu nutzen, brauche es die kommunale Wärmeplanung an der die Stadtwerke derzeit mitarbeiten, so Uekmann. Die Auswirkung werden viele spüren: Wo Fernwärmeleitungen liegen, werden keine neuen Stromkabel mehr verlegt, damit dort an kühlen Morgen zahlreiche Wärmepumpen gleichzeitig anlaufen können.
Reinhard Tweer ist Vorsitzender des Metall-unternehmerverbandes Bielefeld-herford-minden und Geschäftsführer einer Stahlgießerei mit Kunden in der ganzen Welt. 35 Millionen Kilowattstunden Strom braucht sein Unternehmen pro Jahr, um Metalle zu schmelzen und Bauteile für Fahrzeuge, die Landwirtschaft oder auch für Windräder zu gießen. Die Strompreisexplosion im vergangenen Jahr habe Mehrkosten in Millionenhöhe verursacht, berichtet der Unternehmer.
Aktuell beklagt er vor allem die enormen Netzentgelte, die durch den Bau von Leitungen für den Anschluss von nachhaltigen Stromerzeugungsanlagen entstehen. „Hohe Stromkosten führen dazu, dass Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig ist“, sagt Tweer und warnt vor einer Deindustrialisierung und davor, abhängig von China zu werden. Denn viele Bauteile, die für die Energiewende gebraucht würden, kämen nur noch von dort. Er selbst hat Kunden verloren, die zu Billiganbietern etwa in Indien gegangen sind. Auch in der Türkei und in Frankreich werde die Konkurrenz stärker. Die Belastungen für die energieintensive Industrie müssten gesenkt werden, fordert Tweer.
„Die Energiewende ist notwendig für den Klimaschutz“, betont Wiebke Brems. Die Elektro-ingenieurin ist Vorsitzender der Fraktion der Grünen im Nrw-landtag. Bis 2022 war sie bei den Grünen für die Themen Klima und Energie zuständig. „Wir müssen radikal umsteuern, wenn es um Energieerzeugung, das Wirtschaften und unsere Art, zu leben, geht“, heißt ihre Position.
Auch weil Deutschland abhängig war von billigem Gas und Öl aus Russland, sei die Energiewende lange verschlafen, teilweise sogar blockiert worden, analysiert Wiebke Brems. Ihr Ziel: NRW soll die erste klimaneutrale Industrieregion in Europa werden. „Aber birgt der Anspruch, Erster sein zu wollen, nicht die Gefahr, dass die Wirtschaftlichkeit der Betriebe leidet und andere Länder uns überholen, die weniger Wert auf Klimaschutz legen?“, wendet Gildenhaus-vorsitzender René Pankoke ein. Wiebke Brems glaubt an das Gegenteil: „Nur wenn wir hier beweisen, dass klimaneutrale Wirtschaft möglich ist, werden uns andere in der Welt nacheifern.“
Klimaneutralität heißt das Ziel