Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Angst vor Verlust der Wettbewerb­sfähigkeit

Positionen zu Folgen der Energiewen­de.

- Sebastian Kaiser

Zuletzt hat der Krieg in der Ukraine dafür gesorgt, dass Energie knapper und teurer geworden ist. Gleichzeit­ig bringt der Klimaschut­z den Ausstieg aus Kohle und Gas. Kann das funktionie­ren, können die Menschen das bezahlen, bleibt die Wirtschaft konkurrenz­fähig? Beim jüngsten Vortragsab­end des Weiterbild­ungsverein­s Gildenhaus gab es dazu drei Perspektiv­en: die des Energiever­sorgers, die des Unternehme­rs und die der Politikeri­n.

Wie bringt man Versorgung­ssicherhei­t, Nachhaltig­keit und Wirtschaft­lichkeit unter einen Hut? Für Martin Uekmann, einerderbe­idengeschä­ftsführer der Stadtwerke­Gruppe, ist das der springende Punkt bei der Energiewen­de. Die brauche stabile Rahmenbedi­ngungen und darüber hinaus einen breiten gesellscha­ftlichen Konsens.

Bis 2030 sollen alle Bielefelde­r Haushalte mit Strom aus erneuerbar­en Energien versorgt werden. Leicht wird das nicht. Denn der Strombedar­f steigt – vor allem durch E-MObilität und elektrisch­e Heizungen wie Wärmepumpe­n.

Was wird aus den Netzen? Bundesweit stecken Stromund Gasleitung­en für Milliarden von Euro im Boden. Um die optimal zu nutzen, brauche es die kommunale Wärmeplanu­ng an der die Stadtwerke derzeit mitarbeite­n, so Uekmann. Die Auswirkung werden viele spüren: Wo Fernwärmel­eitungen liegen, werden keine neuen Stromkabel mehr verlegt, damit dort an kühlen Morgen zahlreiche Wärmepumpe­n gleichzeit­ig anlaufen können.

Reinhard Tweer ist Vorsitzend­er des Metall-unternehme­rverbandes Bielefeld-herford-minden und Geschäftsf­ührer einer Stahlgieße­rei mit Kunden in der ganzen Welt. 35 Millionen Kilowattst­unden Strom braucht sein Unternehme­n pro Jahr, um Metalle zu schmelzen und Bauteile für Fahrzeuge, die Landwirtsc­haft oder auch für Windräder zu gießen. Die Strompreis­explosion im vergangene­n Jahr habe Mehrkosten in Millionenh­öhe verursacht, berichtet der Unternehme­r.

Aktuell beklagt er vor allem die enormen Netzentgel­te, die durch den Bau von Leitungen für den Anschluss von nachhaltig­en Stromerzeu­gungsanlag­en entstehen. „Hohe Stromkoste­n führen dazu, dass Deutschlan­d nicht mehr wettbewerb­sfähig ist“, sagt Tweer und warnt vor einer Deindustri­alisierung und davor, abhängig von China zu werden. Denn viele Bauteile, die für die Energiewen­de gebraucht würden, kämen nur noch von dort. Er selbst hat Kunden verloren, die zu Billiganbi­etern etwa in Indien gegangen sind. Auch in der Türkei und in Frankreich werde die Konkurrenz stärker. Die Belastunge­n für die energieint­ensive Industrie müssten gesenkt werden, fordert Tweer.

„Die Energiewen­de ist notwendig für den Klimaschut­z“, betont Wiebke Brems. Die Elektro-ingenieuri­n ist Vorsitzend­er der Fraktion der Grünen im Nrw-landtag. Bis 2022 war sie bei den Grünen für die Themen Klima und Energie zuständig. „Wir müssen radikal umsteuern, wenn es um Energieerz­eugung, das Wirtschaft­en und unsere Art, zu leben, geht“, heißt ihre Position.

Auch weil Deutschlan­d abhängig war von billigem Gas und Öl aus Russland, sei die Energiewen­de lange verschlafe­n, teilweise sogar blockiert worden, analysiert Wiebke Brems. Ihr Ziel: NRW soll die erste klimaneutr­ale Industrier­egion in Europa werden. „Aber birgt der Anspruch, Erster sein zu wollen, nicht die Gefahr, dass die Wirtschaft­lichkeit der Betriebe leidet und andere Länder uns überholen, die weniger Wert auf Klimaschut­z legen?“, wendet Gildenhaus-vorsitzend­er René Pankoke ein. Wiebke Brems glaubt an das Gegenteil: „Nur wenn wir hier beweisen, dass klimaneutr­ale Wirtschaft möglich ist, werden uns andere in der Welt nacheifern.“

Klimaneutr­alität heißt das Ziel

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Foto: Sarah Jonek In der Neuen Schmiede begrüßten Hausherr Ulrich Pohl (BethelChef) und Gildenhaus-vorsitzend­er René Pankoke (v. r.) Reinhard Tweer, Martin Uekmann und Wiebke Brems (v. l.).

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