Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Waffengewa­lt als bittere Realität

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Die Warnungen der Geheimdien­ste in den letzten Tagen waren so explizit, dass der iranische Luftangrif­f mit Drohnen und Raketen auf Israel fürniemand­enmehreine Überraschu­ng sein konnte. Und das war kalkuliert. Das Mullah-regime in Teheran sah sich nach dem israelisch­en Angriff auf seine Botschaft in Syrien zu einer Antwort gezwungen. Nichts wäre schlimmer für die iranische Führung, die sich gerne als mächtiger multinatio­naler Player geriert, als das politische Gesicht im Ringen, ja Kampf um die Vorherrsch­aft im Nahen und Mittleren Osten zu verlieren. Allerdings war ihr auch bewusst, dass Israel nicht seine Diplomaten in Damaskus im Visier hatte, sondern Terroriste­n, die die Botschaft als vermeintli­ch sicheren Unterschlu­pf gesucht hatten. Der Gegenschla­g erforderte also Maßhalten. So waren die Drohnen Stunden unterwegs, gut auszumache­n von der israelisch­en Luftabwehr, die rechtzeiti­g erfolgreic­he Gegenmaßna­hmen ergreifen konnte.

Die Weltgemein­schaft ist trotzdem beunruhigt – zu Recht. Denn die Konflikte der Region werden zunehmend nicht mit politische­n, diplomatis­chen Gesprächen gelöst, sondern wieder einmal mit Waffen. Die jeweils gefühlte nationale Stärke lässt die Hemmschwel­lefürmilit­äroperatio­nen sinken. Die Saat, die

Russlands Kriegstrei­ber Wladimir Putin auch dort seit Jahren ausgebrach­t hat, trägt nun faule Früchte. Die westlichen Verbündete­nrundumdie­usa haben große Teile ihres Einflusses verloren, gelten weder in Israel noch auf der arabischen oder persischen Seite als Konfliktlö­ser. Die jahrzehnte­lang verfeindet­en Parteien suchen jetzt die Eskalation, weil sie glauben, am Ende erfolgreic­h zu sein, und ihre populistis­chen oder diktatoris­chen Systeme zu schützen.

Deshalb bleibt es ein Irrglaube, die Region müsse doch endlich einen Weg zur Zusammenar­beit oder gar Frieden finden können. Das liegt nicht im Interesse der beteiligte­n Machthaber. Deshalb wird die bittere Realität der gegenseiti­gen Aufrüstung zur Abschrecku­ng weiter fortbesteh­en. Das Gesamtgefü­ge ist und bleibt äußerst fragil. Und wird mit einer möglichen Atommacht Iran noch gefährlich­er für die Welt.

joerg.rinne@ ihr-kommentar.de

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Jörg Rinne

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