Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Eine Ballett-expertin geht in den Ruhestand

Maria Haus wirkte 26 Jahre als Leiterin der Theater-ballettsch­ule. Mit Herzblut und fachlicher Tiefe bahnte die Saarländer­in Kindern und Jugendlich­en Wege in ein bewegtes Leben. Zum Abschied gibt es einige Aufführung­en.

- Heike Krüger

Bielefeld. Es ist dieses Credo, das Maria Haus durch ihr berufliche­s Leben begleitete: „Ich schaue immer, wer vor mir steht und stelle mich in meiner Arbeit auf die Person ein, auf ihren Charakter, ihr Können. Nicht umgekehrt“, beschreibt es die Tanzpädago­gin. Nicht die Schülerinn­en und Schüler sollen ihr gerecht werden und ein vordefinie­rtes Ziel erreichen. Sie habe immer den Kindern die Freude an Tanz und Bewegung vermitteln, ihnen die Schönheit der Ballettlit­eratur nahebringe­n wollen, um zu sehen, „welche Kreativitä­t sie entfalten“.

In diesemsomm­er, zumende der Saison, geht die 66-Jährige nach sage und schreibe 46 Jahren am Theater Bielefeld in den Ruhestand. 26 Jahre davon wirkte sie als Leiterin der Theaterbal­lettschule.

„In Bielefeld wirst du viel zu tanzen haben“

Sie gibt den Staffelsta­b weiter an Sarah Deltenre, die als Trainingsl­eiterin und stellvertr­etende Leiterin der Tanzsparte arbeitet. Maria Haus geht in dem Bewusstsei­n, dass ihre Botschaft bei den „Zöglingen“– und zunehmend auch bei deren Eltern – angekommen ist. Denn Letztere, gibt sie verschmitz­t zu, hätten sich doch mit den Jahren sehr verändert, hin zu größerem Druck auf und hohem Anspruch an ihre Kids.

Mit Menschenfr­eundlichke­it, tänzerisch­erexpertis­eund pädagogisc­hem Geschick, so sagtman es ihr nach, hat die gebürtige Saarländer­in die Ausbildung­sstätte geleitet. In der Saison 1998/99 hatte sie rund 80 Schülerinn­en und Schüler übernommen, zwischenze­itlich war die Schülersch­aft auf 240 angewachse­n. „Die Coronakris­ehat uns einen Knick beschert“, berichtet sie. Heute werden rund 120 Eleven zwischen sechs und 18 Jahren im klassische­n Ballett unterricht­et. Inzwischen kommen Modern-elemente hinzu, die Lehrerin Ilona Pászthy vermittelt.

1977 erhielt Maria Haus ihr erstes Engagement am Theater Bielefeld, nachdem sie erfolgreic­h ihre Tanzausbil­dung an der berühmten John Cranko Schule in Stuttgart absolviert hatte. Die ersten Ballettstu­nden erhielt die begeistert­e Tänzerin mit vier Jahren. Als Teenager stand sie in Opern und Operetten am Staatsthea­ter Saarbrücke­n auf der Bühne, „aber mir war nie in den Sinn gekommen, Berufstänz­erin zu werden“, erinnert sie sich. Bis eine Tänzerin des Ensembles vertretung­sweise den Unterricht leitete und der 15Jährigen genau das vorschlug.

Die Idee traf auf ein aufgeschlo­ssenes Elternhaus, das sich jedoch sorgte, obdietocht­er ihr Auskommen haben würde. „Gut, sagte meine Mutter, kannst du machen, aber du musst es schaffen, an der besten Schule angenommen zu werden“, erinnert sich Haus.

Als auch das gelang, stand dem Berufsweg nichts mehr entgegen. Gern erinnert sich Haus an die drei intensiven Ausbildung­sjahre in Stuttgart, an spektakulä­re Praxiseins­ätze und die Mitschüler­innen und Mitschüler aus aller Welt. Viele von ihnen landeten an berühmten Theatern und Opernhäuse­rn, von Hamburg bis Sydney. „Ich bekam eine Zusage aus Bielefeld“, so Haus. Ihr sehr geschätzte­r Lehrer Heinz Clauss habe damals gesagt: „Das ist prima. Da wirst du viel zu tanzen haben.“So sei es auchgekomm­en:„ich habe mich durch das ganze Repertoire getanzt“, schildert sie. Nach 20 Jahren auf der Bühne, auch als Solistin, dann als Trainingsl­eiterin, ergab sich die Chance, die Ballettsch­ule von der Ehefrau des von ihr geschätzte­n Bielefelde­r Ballettmei­sters Wolfgang Geisendoer­fer zu übernehmen. Schon während ihrer aktiven Tänzer-laufbahn hatte sie sich tanzpädago­gisch in Österreich fortgebild­et. Als sie die Schule 1998 übernahm, hatte sie daher alle nötigen Diplome in der Tasche. Sie stellte ein Curriculum auf, führte neue Altersstuf­enkurse ein, bereitete mit ihren Eleven eigene Aufführung­en vor, bot ihnen Auftrittsm­öglichkeit­en in den Kinderkonz­erten mit großem Orchester. Im Laufe der Jahre seien enge Bindungen zu vielen der Kinder und Jugendlich­en entstanden, bestätigt sie. Ihr Maßstab: „Ich biege die Kunst so zurecht, dass das Menschenki­nd darin erblühen kann.“Das bei aller notwendige­n Strukturie­rtheit und Strenge („Das ABC muss man auch erst lernen, bevor man einen Roman schreibt“), was ihr bis heute großen Respekt einbringt. „Manche Ehemaligen kommen auf Weihnachts­besuch nach Hause und wünschen sich eine gemeinsame Trainingss­tunde“, erzählt sie. Dem entspricht sie nur zu gerne.

„Das Leben wird mich schon finden“

Dass es den Schülerinn­en (und aktuell sieben Schülern) schwerfall­en wird, die sympathisc­he Ballettsch­ulchefin gehen zu lassen, liegt auf der Hand. Aber diese findet, dass es mit 66 auch mal gut sein müsse. Dankbar ist sie für ein „tolles Team“am Theater und einen begeisteru­ngsfähigen, liberalen Intendante­n Michael Heicks. Ihrer Zukunft schaut siemitneug­ierdeundoh­nefeste Pläne entgegen: „Das Leben wird mich schon finden“, sagt sie mit viel Zuversicht in der Stimme und lächelt. Zwei Aufführung­en der Ballettsch­üler bieten am 20. April (19 Uhr) und 21. April (11 Uhr) im Stadttheat­er ein schmissige­s Finale– undsind Abschiedun­d Neuanfang zugleich. Zu Beginn wird Maria Haus eine Kurzfassun­g von „Dornrösche­n“präsentier­en. Nachfolger­in Sarah Deltenre ist auch mit einer Choreograf­ie („ZeitReise“) vertreten. Karten u.a. bei der NW, Tel. 0521 555444 sowie auf theater-bielefeld.de.

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Foto: Jörg Dieckmann Maria Haus leitete viele Jahre die Ballettsch­ule des Theaters und prägte dabei viele Kinder und Jugendlich­e.
 ?? Foto: Barbara Franke ?? Klassische­n Tanz bietet die Theater-ballettsch­ule, hier eine Szene von 2022 aus „Die steinerne Blume“.
Foto: Barbara Franke Klassische­n Tanz bietet die Theater-ballettsch­ule, hier eine Szene von 2022 aus „Die steinerne Blume“.

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