Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Riesengaudi beim „Almauftrieb“
Wilde Kühe und staunende Besucher: Was für Landwirte im Frühjahr ganz normal ist, entwickelt sich für die Bielefelder zum angesagten Happening. Mehr als 2.000 Menschen kommen zum Gut Wilhelmsdorf.
Bielefeld. „Wo kommt Ihr bloß alle her?“, fragt erstaunt die Frau am Gatter die Zuschauer, die in immer größerer Zahl auf das Gelände drängen. Rund 2.000 Menschen verfolgtenimvergangenenjahr den „Almauftrieb“auf Gut Wilhelmsdorf, denmoment, in dem die Kühe nach der langen Winterpause im offenen Stall endlich wieder auf die Weide dürfen. An diesem Samstag sind noch deutlich mehr gekommen. Was in der Landwirtschaft ganz normal ist, wird für zahlreiche Städter zum Wochenendvergnügen.
Eigentlich sind es nur wenige beglückendemomentefür Mensch und Tier. Die Kühe spüren genau, dass da etwas im Gange ist. Jetzt noch Silage futtern? Gleich gibt’s frisches Gras von der sattgrünen Weide, denken sich die Rindviecher. Sie drängeln sich bereits am Tor. Unddannkommtder große Moment. Das Gatter öffnet sich, und die Schwarz-bunten, die Rot-bunten, die Jerseys und das Angler-rotvieh setzt sich in Bewegung. Einmal im Tritt erreichen die Tiere ein ordentliches Tempo. Zweimal um die Kurve, und dann haben sie ihren Sehnsuchtsort erreicht – die große Weide. Sie springen vor Freude, necken sich untereinander. Ein Riesen-spaß.
Auchfür die zahlreichenzuschauerinnen und Zuschauer. Kleine Kinder gucken erstaunt auf das trabende Vieh, während Papa und Mama das Smartphone gezückt haben, um den Rindertreck im Video festzuhalten. Sie stehen sicher hinter Absperrungen. So viele Menschen sind diesmal gekommen, dass gar nicht mehr alle nach vorn an den Rand der Weide gelassen werden können. Aber auch an den Stallungen kann man einen Blick auf die vor Freude hüpfenden Milchkühe mit ihren dicken Eutern werfen.
In zwei Abteilungen werden die Kühe auf die Weide gelassen. 120 Tiere. Dann folgt noch ein dritter Durchgang. 70 weitere Kühe finden schnell den Weg auf eine etwas entfernter gelegene Weide.
„Bis zum Herbst werden die Tiere jetzt jeden Tag nach draußen gelassen“, sagt Maike Schumacher vom Gut-wilhelmsdorf-team. Täglich gibt jede Kuh bis zu 30 Liter Milch. Zwei Drittel davon werden auf dem Hof zu Frischmilch und Naturjoghurt weiterverarbeitet. Natürlich in bester BioQualität. Das verbleibende Drittel geht an eine Molkerei.
Sarah und Kevin Lindner sind mit ihren Zwillingen Johanna und Vincent (2) zum Gutshof gekommen. Die Kinder dürfen die Kühe streicheln, als sie noch im Stall stehen. Brüderchen und Schwesterchen lächeln dabei selig. Ein paar Meter weiter gibt es ein Gehege mit jungen Kälbchen. Die Jungtiere sind noch etwas scheu. Nur ein kleines JerseyRind wagt sich kess nach vorn an den Zaun.
Nachdem die Kühe auf der Weidesind, istnochlange nicht Schluss. Der Weideauftrieb wirdzumgroßen Hoffest. Führungen über das Gelände werden angeboten. Die kleinen Gäste können an Treckertou
ren teilnehmen. Die Fleischerei Münch hat einen Grill aufgebaut und serviert Wilhelmsdorfer Rostbratwürste und Pastramiwrapsvomfleisch der eigenen Rinder. Wer’s lieber vegetarisch mag, kann sich an
einem Bratlingburger erfreuen. Und klar: Der Hofladen hat an diesem Samstag natürlich auch geöffnet.
Für den kleinen Marvin (4) steht nach dem Weideauftrieb auch sein Berufswunsch fest.
„Ich werde Bauer“, flötet er fröhlich, als er mit Mama Maren Bertram und Oma Ursel Wulfhorst nach dem Besuch auf dem Gutshof wieder zurück Richtung Parkplatz unterwegs ist.