Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Nahost-spannungen wirken sich auch auf Europa aus
Israels Partner warnen vor einem Vergeltungsschlag – und legen nahe, die erfolgreiche Abwehr der iranischen Attacke als Sieg zu betrachten. Die Gefahr einer Eskalation ist damit aber nicht gebannt. Sie wäre auch für Deutschland bedrohlich.
Tel Aviv/berlin. Gleich zum zweiten Mal in weniger als 24 Stunden kam das Kriegskabinett in Israel zusammen. Es waren Stunden, in denen die Welt davor zitterte, ob sich der Krieg im Nahen Osten zu einem Flächen brand mit Folgen weit über die Region hinaus ausweiten würde. Ein Vergeltungsschlag Israels ist nach dem massiven iranischen Luftangriff zunächst zwar ausgeblieben, und international mehren sich die Rufe nach einer zurückhaltenden Reaktion, gebannt ist die Gefahr einer Eskalation damit aber nicht. Un-generalsekretär António Guterres warnt: „Der Naheosten stehtamrandedes Abgrunds.“
Israels Regierungssprec her David Mencer sagte in einer Schalte mit Reportern: „Wir sind auf jedes Szenario vorbereitet, sowohl defensiv als auch offensiv.“Er warf den „Tyrannen von Teheran“neben den Luftangriffen auch vor, hinter dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mit rund 1.200 Toten gesteckt zu haben. Der Iran von Ajatollah Ali Chamenei habe sich als „Terrorstaat“entlarvt. Mencer sprach von einem „Oktopus, dessen Kopf in Teheran ist, dess enten takeln aberüb erall im Nahen Ostens ind “.
Die Spannungen im Nahen Osten überschatteten weiterhin den Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im fernen China. Der SPD-POLItiker sagte in Schanghai: „Alle sindsich einig darüber, dass die Art und Weise, wie es Israel gelungen ist, mit partnern vorort und auch internationalen Partnern diesen Angriff abzufangen, wirklich beeindruckend gewesen ist.“Das sei eine große Leistung der israelischen Armee gewesen. „Und das ist ein Erfolg, der vielleicht auch nicht verschenkt werden sollte. Deshalb auch unser Ratschlag, selbst zur Deeskalation beizutragen.“
Ähnlich argumentieren auch die Us-regierung und all diejenigen, die Israel davor warnen, mit einem Vergeltungsschlag gegenden Iran die Spirale der Gewalt weiter zudrehen: Dass nach angaben der israelischen Streitkräfte mithilfe der USA, Großbritanniens und anderer Partner „99 Prozent“der rund 320 Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen abgefangen wurden, sei bereits ein durchschlagender Erfolg für Israel – und eine Niederlage für den Iran. So sagte etwa der britische Außenminister David Cameron: „Das Beste, was man im Fall Israels tun kann, ist, anzuerkennen, dass dies für den Iran ein Misserfolg war.“
Ein Misserfolg womöglich nicht nur aus militärischer Sicht. Der erste direkte Angriff der Islamischen Republik auf den Erzfeind hat die internationale Solidarität mit Israel wiederaufleben lassen, die brüchig geworden war. Die Kritik am brutalen Vorgehen Israels im Gazastreifen ist in den Hintergrund gerückt – zumindest vorübergehend. Regierungssprecher Mencer betonte, an den Kriegszielen im Gazastreifen habe sich nichts geändert: „Unsere 133 Geiseln nach Hause zu holen, die Hamas zu zerstören und sicherzustellen, dass Gaza nie wieder zu einer Bedrohung für uns wird.“Er betonte: „Der Kampf gegen die Hamas ist noch lange nicht vorbei.“
Auch wenn kaum Raketen Israel trafen, strotzte die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen dennoch vor Selbstbewusstsein. „Das israelische Regime, das von seinen Unterstützern ständig verhätschelt wurde, war wie ein verwöhntes Kind in der Schule, wo seine Anomalien lange Zeit unkontrolliert geblieben waren“, schrieb die Mission auf derplattform X(vormalstwitter). „Es musste diszipliniert werden, und die Disziplin wurde tatsächlich erzwungen!“
Teheran argumentiert, der Angriff indernachtsei einereaktion auf den israelischen Beschuss des iranischen Konsulats in Damaskus gewesen, bei dem zu Monatsbeginn hochrangige Offiziere getötet worden waren. „Die Angelegenheit kann als abgeschlossen betrachtet werden“, teilte Irans Vertretung bei den UN nach demluftangriff mit. „Sollte das israelische Regime jedoch einen weiteren Fehler begehen, wird die Antwort des Iran wesentlich härter ausfallen. Es ist ein Konflikt zwischen dem Iran und dem israelischen Schurken-regime, aus dem sich die USA heraushalten müssen“, hieß es.
Iran und Israel rasseln weiter mit den Säbeln
Der Iran-direktor der Denkfabrik International Crisis Group, Ali Vaez, konstatierte im Journal „Foreign Affairs“, sowohl Israel als auch der Iran rasselten weiter mit den Säbeln. „Der Schlagabtausch zwischen den beiden Staaten könnte weiter eskalieren und zu einem sich ausweitendenkriegführen, derdie Vereinigten Staaten einbezieht und die gesamte Region erfasst“, warnte Vaez. „Der Nahe Osten ist am 13. April nicht explodiert, aber es besteht immer noch die Gefahr eines größeren Konflikts, beidemes keine Gewinner geben würde.“
Us-präsident Joe Biden ist besonders daran gelegen, eine weitere Eskalation in einem Konflikt zu vermeiden, in den die Vereinigten Staaten womöglich verwickelt werden könnten. Nach Darstellung aus Washington hielt er den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu dazu an, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den Iran sorgfältig abzuwägen. Die „Washington Post“zitierte ungenannte Us-regierungsvertreter, wonach man Israel bei Angriffen aus dem Iran weiterhin schützen, sich aber nicht an einem Gegenschlag beteiligen würde.
Der Demokrat Biden steht unter dem Druck seines republikanischen Herausforderers Donald Trump bei der Präsidentenwahl im November. Trump hatte während seiner Präsidentschaft in den Jahren 2017 bis 2021 einen deutlich härteren Kurs gegen den Iran gefahren als sein Amtsnachfolger. Nach dem iranischen Angriff auf Israel schrieb Trump auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social: „Das hätte nie passieren dürfen – das wäre NIE passiert, wenn ich Präsident wäre!“
Israels Außenminister Israel Katz verlangte in Gesprächen mit seinem britischen und französischen Amtskollegen unter anderem, die iranischen Revolutionsg ar den auf die List eder Terrororganisationen zu setzen. Für diesen Dienstag hat der Eu-außenbeauftragte Josep Borrell ein Sondertreffen der Eu-außenminister anberaumt, die sich per Video mit ihm zusammenschalten. Unter Trump hatten die USA dieRevolut ions garden bereits zur Terrororganisation erklärt.
Bundesinnenminister in Nancy Faeser (SPD) warnte nach dem Angriff des Iran auf Israel vor etwaigen Konsequenzen für Deutschland. „Wir wissen, wie sich Eskalationen im Nahen Osten auch in Deutschland auswirken können“, sagte sie. „Seit den Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem folgenden Gazakrieg gibt es einen drastischen Anstieg von antisemitischen Straftaten.“Die Spd-politikerin betonte: „Die Spirale, dass Eskalationen im Nahen Osten zu noch mehr widerwärtigem Juden hass bei uns führen, müssen wir durchbrechen .“Sie sagte weiter, die Sicherheitsbehörden seien sehr wachsam und beobachteten genau, „ob die aktuelle Eskalation durch das iranische Regime Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland hat“. Dabei habe der Schutz von israelischen und jüdischen Einrichtungen höchste Priorität.
AusSic her heitskr eisen hieß es, nach aktuellen Erkenntnissen lägen keine konkreten Anhaltspunkte für eine unmittelbare Bedrohung israelischer oder jüdischer Einrichtungen in Deutschland oder direkte Bezüge vor, die zu einer Änderung der bestehenden Gefährdungsbe wertung führen würden. Grundsätzlich sei die Gefährdungslage in Deutschland aber eng mit der Entwicklung der Situation im Nahen Osten verknüpft. Eine Emotionali sie rungd er Lage, insbesondere bei israel feindlichen Kräften, sei denkbar.