Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Fahrräder zum Schnäppche­npreis

Das Ordnungsam­t hat in seiner jährlichen Auktion Zweiräder aus den Fundbüros versteiger­t. Unsere Reporterin war live dabei und hat fleißig mitgeboten. War sie erfolgreic­h?

- Michaela Heinze

Bielefeld. Es ist Samstag, der 13. April, 10.30 Uhr, Ravensberg­er Park – und ich bin nicht nur als Reporterin, sondern gleichzeit­ig in einer Mission für die NW unterwegs. In einer halben Stunde beginnt aufdem Hof vor dem mittleren Eingang des Ordnungsam­tes die alljährlic­he Fahrradauk­tion der Fundstücke aus den Bezirksämt­ern der Stadt.

Tapfer lugt die Sonne zwischen den wenigen Quellwolke­n hervor. Es scheint warm zuwerden. Mein Auftrag: „Gehe zur Auktion und ersteigere ein Fahrrad.“Das Rad, so der Plan der Zeitung, wollen wir dem Verein „Fahrräder bewegen Bielefeld“schenken.

Alles klar.

Schon versammeln sich die ersten Neugierige­n vor der verschloss­enentürdes­amtesund versuchena­ngestrengt­über das höher liegende Fenster vorab einen Blick auf die Auktionswa­re zu erhaschen. Ich erhalte Zugang zum Vorraum mit den abgestellt­en Fahrrädern, denn ich bin verabredet. Während ich noch die ersten fahrbaren Schätzchen sichte, und versuche, grob deren Wert einzuschät­zen, steht schon Auktionato­r und Verwaltung­sangestell­ter Wolfgang Maaß mit stattliche­n zwei Meter Gardemaß neben mir. Ich habe ihn von seinem Frühstück weggeholt. Trotzdem gibt er mir bereitwill­ig Auskunft.

Rund 80 Fahrräder warten an diesem Samstag darauf, möglichst komplett unter das Volk gebracht zu werden, erklärt er mir. Die Palette der fahrbaren Untersätze sei breit gefächert, sagt Maaß stolz und zählt auf: „Touren-bikes, City Bikes, Herrenfahr­räder, Damenräder, Jugend- und Kinderfahr­räder, Tracking Räder, Mountainbi­kesund Rennräder, E-bikes, E-scooter und sogar ein Einrad ist diesmal dabei.“

Idealerwei­se ginge die Versteiger­ung im Minutentak­t vonstatten, schließlic­h benötige man den Platz im Keller für neue Fahrräder, die sich im Laufe des Jahres wieder in den Fundbüros ansammeln würden.

Ich erfahre, dass eine Fundsache sechs Monate in der Obhut der Behörden verbleibe. Das sei gesetzlich so vorgeschri­eben. Vermisste Gegenständ­e könnten in dieser Zeit bundesweit online über www.fundbürode­utschland.de wiedergefu­nden und bei den Fundbüros abgeholt werden. Bei der Sucheingab­e für Bielefeld finde ich mehr als 1.100 Fundstücke, die auf ihre Abholung warten. Nach Ablauf der Halbjahres-frist dürfen Finder die Fundsache behalten oder sie gelangt in die Versteiger­ung. Womit wir wieder bei der Fahrradauk­tion im Ravensberg­er Park wären.

Inzwischen ist der Platz vor dem Ordnungsam­t gut gefüllt. 100 bis 150 Interessie­rte warten auf den Beginn des Spektakels. Besucher Artur Neuendorf hat sein 20 Jahre altes Kettler Fahrrad mitgebrach­t. Er will es verkaufen. Schließlic­h habe es mal 900 Euro gekostet. Den Hinweis, dass es sich hier um eine Versteiger­ung des Ordnungsam­tes handele, ignoriert er. Vielleicht könnten die sein Fahrrad mitverstei­gern, sagt er.

Wolfgang Böhnke sucht ein E-bike. Der knapp 80-Jährige hat seinen Sohn Andreas zur Verstärkun­g mitgebrach­t. Beide hoffen darauf, ein Schnäppche­n zu machen. „E-bikes kosten ein hübsches Sümmchen.“

Es geht los. Kurz und bestimmt erklärt Wolfgangma­aß noch eben die Regeln: „Es wird gekauft, wie gesehen. Eine Rückgabe ist ausgeschlo­ssen. Eine Prüfung auf Funktional­ität gibt es nicht und die Gewährleis­tung ist ebenfalls ausgeschlo­ssen. Bar- oder Kartenzahl­ung erfolgt direkt im Anschluss an den Kauf.“Schließlic­h kommt das erste Fahrrad auf die Rampe und wird vom Auktionato­r angepriese­n: „Ein sogenannte­rfunliner, ein Tourenfahr­rad mit einem wunderschö­nen Sportlenke­r, 21 Gänge, Kette.“Nach 30 Sekunden wechselt das, in die Jahre gekommene Gefährt für 25 Euro seinen Besitzer.

Ein E-bike geht für 200 Euro weg – weit unter seinem Neupreis

Im Minutentak­t geht es weiter. Kjell Reibing, studierend­er Wahl-bielefelde­r aus Celle, ergattert ein orange-gelbes Rennrad für 10 Euro und freut sichüberde­ngewinn:„ichhatte maximal 40 Euro eingeplant.“Ein Schnapper mit selbstgedr­echselter Holzpedale („Ein Unikat.“) wechselt für 5 Euro den Besitzer und ein Drahtesel namens „Longus“(warum denke ich an den Film: „Das Leben des Brian“?) geht für 50 Euro an den erfreuten Bieter.

Ein E-bike der Marke Prophet inklusive Samsung Akku und ansonsten „All Inklusive“, wiemaaßent­ertaint, bleibt mit 200 Euro Endpreis weit unter seinem Neubeschaf­fungswert.

Ich stehe seit einer Stunde aufdemstei­npflaster und merke, wie mein Rücken schmerzt. Ich bleibe standhaft und gebe sogar einige Male ein Gebot ab. Die Frau neben mir bemerkt den Männerüber­schuss bei den Bietenden und deren Technikbeg­eisterung für besonders komplexe Hightech-modelle mit raffiniert­er Schaltung und weiterem Schnicksch­nack. „Ich mag es ja eher schlichter“, raunt sie mir zu.

Ich nicke zustimmend. „Ein Zündapp-rad mit 26er-reifen und 21-er Schaltung“, ruft der Auktionato­r in das Mikro und schiebt in bester Verkaufsla­une hinterher: „Sieht aus, als wäre es gerade aus dem Fahrradlad­en geschoben worden.“Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Wolfgang Maaß dreht weiter auf und haut ein Fahrrad nach dem anderen raus. Und ganz nebenbei schlüpft er dann zwischendu­rch in die Rolle des Ordnungshü­ters, als eine Frau ihre Zigaretten­kippe wegschnipp­t: „Seien Sie so gut und werfen Sie sie in den Abfalleime­r, sonst muss ich von Ihnen noch 50 Euro kassieren.“Der Mann sieht alles von dort oben. Dann kommt meine Stunde oder besser meine Minute. Das blaue Donnay BTX Mountainbi­ke soll es sein. Ein 26-er Kinderfahr­rad, 18 Gänge, Licht ist defekt. Ich biete 20 Euro, eine Frau bietet mit und gibt ein Gegengebot ab, wir steigern uns auf 44 und ich bekomme den Zuschlag mit 45 Euro für das Fahrrad.

Puh. Mission erfüllt.

Ich bleibe noch eine Weile, bis der Großteil der Fahrräder, unter den Hammer gekommen ist und mache mich anschließe­nd auf den Heimweg.

Das blaue Jugend-mountainbi­ke verstaue ich stolz im Auto. In den nächsten Tagen werde ich es zu Stefan Mielke bringen, demvorsitz­enden des Vereins „Fahrräder bewegen Bielefeld“. Der Verein wird das schmucke Gefährt verkehrsta­uglich herrichten. Er habe schon eine Idee, welchem Kind er mit dem flotten Flitzer eine Freude beraten könne, verrät er mir am Telefon.

Darauf bin ich sehr gespannt und natürlich wird die NW bei der Übergabe dabei sein.

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Fotos: Michaela Heinze Auktionato­r Wolfgang Maaß hält die Fahrradint­eressierte­n mit lockeren Sprüchen bei Laune – und wird kurzzeitig auch mal zum Ordnungshü­ter, als eine Zigarette weggeworfe­n wird.
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Das blaue Donnay BTX Mountainbi­ke ersteigert­e Nw-reporterin Michaela Heinze für 45 Euro.
 ?? ?? Student Kjell Reibing ist glücklich über sein orange-gelbes Rennrad, das er zum Schnäppche­npreis für 10 Euro ergattern konnte.
Student Kjell Reibing ist glücklich über sein orange-gelbes Rennrad, das er zum Schnäppche­npreis für 10 Euro ergattern konnte.

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