Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Fahrräder zum Schnäppchenpreis
Das Ordnungsamt hat in seiner jährlichen Auktion Zweiräder aus den Fundbüros versteigert. Unsere Reporterin war live dabei und hat fleißig mitgeboten. War sie erfolgreich?
Bielefeld. Es ist Samstag, der 13. April, 10.30 Uhr, Ravensberger Park – und ich bin nicht nur als Reporterin, sondern gleichzeitig in einer Mission für die NW unterwegs. In einer halben Stunde beginnt aufdem Hof vor dem mittleren Eingang des Ordnungsamtes die alljährliche Fahrradauktion der Fundstücke aus den Bezirksämtern der Stadt.
Tapfer lugt die Sonne zwischen den wenigen Quellwolken hervor. Es scheint warm zuwerden. Mein Auftrag: „Gehe zur Auktion und ersteigere ein Fahrrad.“Das Rad, so der Plan der Zeitung, wollen wir dem Verein „Fahrräder bewegen Bielefeld“schenken.
Alles klar.
Schon versammeln sich die ersten Neugierigen vor der verschlossenentürdesamtesund versuchenangestrengtüber das höher liegende Fenster vorab einen Blick auf die Auktionsware zu erhaschen. Ich erhalte Zugang zum Vorraum mit den abgestellten Fahrrädern, denn ich bin verabredet. Während ich noch die ersten fahrbaren Schätzchen sichte, und versuche, grob deren Wert einzuschätzen, steht schon Auktionator und Verwaltungsangestellter Wolfgang Maaß mit stattlichen zwei Meter Gardemaß neben mir. Ich habe ihn von seinem Frühstück weggeholt. Trotzdem gibt er mir bereitwillig Auskunft.
Rund 80 Fahrräder warten an diesem Samstag darauf, möglichst komplett unter das Volk gebracht zu werden, erklärt er mir. Die Palette der fahrbaren Untersätze sei breit gefächert, sagt Maaß stolz und zählt auf: „Touren-bikes, City Bikes, Herrenfahrräder, Damenräder, Jugend- und Kinderfahrräder, Tracking Räder, Mountainbikesund Rennräder, E-bikes, E-scooter und sogar ein Einrad ist diesmal dabei.“
Idealerweise ginge die Versteigerung im Minutentakt vonstatten, schließlich benötige man den Platz im Keller für neue Fahrräder, die sich im Laufe des Jahres wieder in den Fundbüros ansammeln würden.
Ich erfahre, dass eine Fundsache sechs Monate in der Obhut der Behörden verbleibe. Das sei gesetzlich so vorgeschrieben. Vermisste Gegenstände könnten in dieser Zeit bundesweit online über www.fundbürodeutschland.de wiedergefunden und bei den Fundbüros abgeholt werden. Bei der Sucheingabe für Bielefeld finde ich mehr als 1.100 Fundstücke, die auf ihre Abholung warten. Nach Ablauf der Halbjahres-frist dürfen Finder die Fundsache behalten oder sie gelangt in die Versteigerung. Womit wir wieder bei der Fahrradauktion im Ravensberger Park wären.
Inzwischen ist der Platz vor dem Ordnungsamt gut gefüllt. 100 bis 150 Interessierte warten auf den Beginn des Spektakels. Besucher Artur Neuendorf hat sein 20 Jahre altes Kettler Fahrrad mitgebracht. Er will es verkaufen. Schließlich habe es mal 900 Euro gekostet. Den Hinweis, dass es sich hier um eine Versteigerung des Ordnungsamtes handele, ignoriert er. Vielleicht könnten die sein Fahrrad mitversteigern, sagt er.
Wolfgang Böhnke sucht ein E-bike. Der knapp 80-Jährige hat seinen Sohn Andreas zur Verstärkung mitgebracht. Beide hoffen darauf, ein Schnäppchen zu machen. „E-bikes kosten ein hübsches Sümmchen.“
Es geht los. Kurz und bestimmt erklärt Wolfgangmaaß noch eben die Regeln: „Es wird gekauft, wie gesehen. Eine Rückgabe ist ausgeschlossen. Eine Prüfung auf Funktionalität gibt es nicht und die Gewährleistung ist ebenfalls ausgeschlossen. Bar- oder Kartenzahlung erfolgt direkt im Anschluss an den Kauf.“Schließlich kommt das erste Fahrrad auf die Rampe und wird vom Auktionator angepriesen: „Ein sogenannterfunliner, ein Tourenfahrrad mit einem wunderschönen Sportlenker, 21 Gänge, Kette.“Nach 30 Sekunden wechselt das, in die Jahre gekommene Gefährt für 25 Euro seinen Besitzer.
Ein E-bike geht für 200 Euro weg – weit unter seinem Neupreis
Im Minutentakt geht es weiter. Kjell Reibing, studierender Wahl-bielefelder aus Celle, ergattert ein orange-gelbes Rennrad für 10 Euro und freut sichüberdengewinn:„ichhatte maximal 40 Euro eingeplant.“Ein Schnapper mit selbstgedrechselter Holzpedale („Ein Unikat.“) wechselt für 5 Euro den Besitzer und ein Drahtesel namens „Longus“(warum denke ich an den Film: „Das Leben des Brian“?) geht für 50 Euro an den erfreuten Bieter.
Ein E-bike der Marke Prophet inklusive Samsung Akku und ansonsten „All Inklusive“, wiemaaßentertaint, bleibt mit 200 Euro Endpreis weit unter seinem Neubeschaffungswert.
Ich stehe seit einer Stunde aufdemsteinpflaster und merke, wie mein Rücken schmerzt. Ich bleibe standhaft und gebe sogar einige Male ein Gebot ab. Die Frau neben mir bemerkt den Männerüberschuss bei den Bietenden und deren Technikbegeisterung für besonders komplexe Hightech-modelle mit raffinierter Schaltung und weiterem Schnickschnack. „Ich mag es ja eher schlichter“, raunt sie mir zu.
Ich nicke zustimmend. „Ein Zündapp-rad mit 26er-reifen und 21-er Schaltung“, ruft der Auktionator in das Mikro und schiebt in bester Verkaufslaune hinterher: „Sieht aus, als wäre es gerade aus dem Fahrradladen geschoben worden.“Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Wolfgang Maaß dreht weiter auf und haut ein Fahrrad nach dem anderen raus. Und ganz nebenbei schlüpft er dann zwischendurch in die Rolle des Ordnungshüters, als eine Frau ihre Zigarettenkippe wegschnippt: „Seien Sie so gut und werfen Sie sie in den Abfalleimer, sonst muss ich von Ihnen noch 50 Euro kassieren.“Der Mann sieht alles von dort oben. Dann kommt meine Stunde oder besser meine Minute. Das blaue Donnay BTX Mountainbike soll es sein. Ein 26-er Kinderfahrrad, 18 Gänge, Licht ist defekt. Ich biete 20 Euro, eine Frau bietet mit und gibt ein Gegengebot ab, wir steigern uns auf 44 und ich bekomme den Zuschlag mit 45 Euro für das Fahrrad.
Puh. Mission erfüllt.
Ich bleibe noch eine Weile, bis der Großteil der Fahrräder, unter den Hammer gekommen ist und mache mich anschließend auf den Heimweg.
Das blaue Jugend-mountainbike verstaue ich stolz im Auto. In den nächsten Tagen werde ich es zu Stefan Mielke bringen, demvorsitzenden des Vereins „Fahrräder bewegen Bielefeld“. Der Verein wird das schmucke Gefährt verkehrstauglich herrichten. Er habe schon eine Idee, welchem Kind er mit dem flotten Flitzer eine Freude beraten könne, verrät er mir am Telefon.
Darauf bin ich sehr gespannt und natürlich wird die NW bei der Übergabe dabei sein.