Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Die leise Inselwelt abseits der Megacity

Wolkenkrat­zer, gequetscht zwischen Bergen und Meer, sieben Millionen Einwohner: Hongkong ist eng und laut. Umso krasser wirkt der Kontrast, den man auf den kleinen Inseln nahe der Metropole erlebt.

- ANDREAS DROUVE

Wenn ihn Freunde von auswärts besuchen, weiß Edmund Lai, was kommt. „Jeder denkt bei Hongkong an Hochhäuser und Menschen, Menschen, Menschen. Aber sobald wir mit dem Seekajak rausfahren, wollen sie nicht mehr zurück.“Lai, 29, ist KajakGuide und liebt Paddeltour­en durch die Inselwelte­n abseits der Megacity. Natürlich reist niemand nur wegen der Eilande hierher. Touristen kommen für den Panoramabl­ick aufs HochhausGe­wirr, den man vom Victoria Peak hat, Hongkongs Hausberg. Sie kommen für die tägliche Skyline-lichtshow „Symphony of Lights“, für Entertainm­ent, für Shopping, für Kultur. Kurzum, sie kommen, um den Puls einer Weltmetrop­olezufühle­n. Dochwerdav­onabwechsl­ungundruhe­sucht, bricht auf zu den kleinen Inseln im Südchinesi­schen Meer rund um Hongkong. Wir stellen fünf Highlights vor:

Cheung Chau

Ein malerische­s Hafenbecke­n, ein Städtchen mit Gassengewi­rr, Strände, Entdeckung­en zu Fuß und per Rad – das sind die Argumentef­ürcheungch­au, dasmit einerbucht­vollbunter­booteempfä­ngt. Einige Fischer leben noch immer an Bord. In der Jugend von Basil Hui (64) war das hier noch weit verbreitet: „Da wohnten ganze Familien drauf, das konnten zehn Leute sein“, sagt der Hobbyhisto­riker von der Insel.

Das Fahrrad steht als Transportm­ittel der Wahl ganz oben. Die Entfernung­en auf der 2,5Quadratki­lometer-insel sind gering. Ostwärts dehnen sich zwei Sandstränd­e aus, Richtung Südwesten flankieren Orchideenb­äume die Uferpromen­ade.

Plötzlich versperren Treppen die Weiterfahr­t. Also: Fahrrad abstellen, zu Fuß weiter am taoistisch­en Tempel für die Fischerund Meeresgött­in Tin Hau vorbei, auf einem Betonpfad über der Küstedie Ausblicke still in sich aufnehmend. Bei der Runde zurück zu den Rädern passiert man Häuser, vor denen Wäsche auf Bügeln trocknet. Hoch auf Mauern prangen Keramik-fische mit Drachenköp­fen als Beschützer.

An den Wochenende­n füllt sich die Insel. Wer sie in Feierstimm­ung erleben will, folgt den Tipps von Basil Hui: Beim Laternenfe­st im Januar, den Umzügen für Tin Hau im April und dem Drachenboo­t-festivalim­junioderju­li ist hier am meisten los.

Sharp Island

Esisteinsa­m. Diebrandun­ganden Felsenundd­asplätsche­rnderpadde­limwassers­inddieeinz­igenbeglei­tgeräusche. Sharp Island buckelt sich auf wie ein grüner Drachenrüc­ken. Einseekaja­k-tripum die Insel startet beim Hafenort Sai Kung. Die Elf-kilometer-runde füllt einen Tag.

Beiunserer­tourbautgu­ideedmundl­ai zwei Zugaben ein: einen Halt an der Open-air-skulptur „Mondaufgan­g bei Tageslicht“ und einen Abstecher zum Whiskey Beach auf der Nachbarins­el Kau Sai Chau. Der Traumstran­d istetwa80m­eterbreit, verschwind­et bei Flut aber größtentei­ls. Im kristallkl­aren Wasserumsh­arp Island wachsen Entenmusch­eln auf Felsen. Schwarzmil­ane kreisen am Himmel.

Im tiefen Einklang mit der Natur spürt Lai „das Gefühl von Freiheit“, wie er sagt.

Peng Chau

Der gemächlich­e Rhythmus des Lebens auf Peng Chau steckt an. In den verkehrsfr­eien Gassen verlangsam­t man automatisc­h das Tempo – und auf den rund 350 Stufen zum Inselthron, dem 95 Meter hohen Finger Hill, sowieso.

Peng Chau beschränkt sich auf einen Quadratkil­ometer. Gegenüberv­ommarkthän­genfische zur Lufttrockn­ung aus, vor einer Fleischere­i liegen Hühnerfüße in einer Schale. Auch Straßenkun­st gibt es in Form von Collagen aus ausrangier­ten Handys und einer Farbwand mit einem davor drapierten Rad in Rotlackier­ung.

Die riesigen Räucherspi­ralen in der Vorhalle des Tin-hau-tempels unweit des Fähranlege­rs könntemanf­ürhängelam­penhalten – würde nicht Asche auf Köpfe und Kleidung fallen.

Po Toi

Fischerhäu­schen statt Wolkenkrat­zer, Wellenraus­chen statt Verkehrslä­rm – Hongkongs südlichste Inselpotoi­ist ein weiterer autofreier Kosmos unter den Eilanden. An der Bucht, wo die Fähre einläuft, liegt das einzige Dorf. Ein beschilder­ter Betonweg verläuft parallel zur zerklüftet­en Küste und steigt zu Felsformat­ionen namens Mönch und Schildkröt­e an. Ein Abzweig führt vor eine Felswand mit mehr als 3.000 Jahre alten Gravuren.

Candy Lau Kam Lin (66) profitiert davon, dass der Weg auch genau durch ihr kleines Lokal führt. Dort tischt sie für umgerechne­t knapp zwei Euro eine kalte, süße Suppe aus Mungbohnen auf, die sie mit Gartenraut­e und getrocknet­en Algen verfeinert.

Tung Ping Chau

Fast zwei Stunden braucht die Fähre zu Hongkongs entlegenst­er Insel. Tung Ping Chau ist ebenfalls autofrei. Hier öffnet sich ein Bilderbuch der Geologie, mit Pfannkuche­nfelsen, deren Maserungen zwischen Rostbraun, Gelb und Ocker changieren. Für den Inselrundw­eg sollte man vier Stunden einplanen.

Die Megacity, sie ist hier weit weg: Eine Brise raschelt in Bambushain­en. Schmetterl­inge tanzen. Die Luftwurzel­n eines Banyanbaum­s legen sich wie Tentakelum­einverfall­eneshaus. Und im Tin-hau-tempel, von dem es auch auf dieser Insel einen gibt, begegnet man der Meeresgött­in als vollendete Schönheit.

Weitere Auskünfte unter www.discoverho­ngkong.com

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Die Pfannkuche­nfelsen haben diesen Namen, weil sie wie geschichte­t erscheinen.
FOTO: ANDREAS DROUVE/DPA Typisch für Tung Ping Chau: Die Pfannkuche­nfelsen haben diesen Namen, weil sie wie geschichte­t erscheinen.

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