Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Deutlich mehr als ein Kleinwagen
Der VW Polo ist mittlerweile der Kleinste im Modellangebot des Autohersteller. Er bietet außergewöhnlich viel Komfort. Das hat seinen Preis.
LOTHAR HAUSFELD
Die ursprüngliche Bedeutung von „Volkswagen“ist im Laufe der Jahre ein wenig in Vergessenheit geraten. Autos fürs Volk – die gibt es angesichts der Preisentwicklung kaum noch. Nicht nur beivw, sondern auch bei nahezu jedem anderen Hersteller nicht. Und auch die Zahl der Kleinwagen ist im Laufe der Jahre immer mehr geschrumpft.
Fox? Bereits vor 13 Jahren eingemottet. Up? Nach einer On-off-beziehung wurde die Produktion mittlerweile endgültig eingestellt. Der Kleinste im VWModellangebot ist der Polo – der im Test allerdings alles abgab, aber nicht die Visitenkarte eines Kleinwagens.
Das fängt bei der Länge des Fahrzeugs an: 4,05 Meter ist der Polo lang, übertrifft damit die ersten drei Generationen des VW Golf, seinerzeit der Vorreiter der Kompaktklasse. Nun gut, die Zeiten haben sich geändert, Komfortbedürfnis und Sicherheitsaspekte haben die Karosserien und Gewichte wachsen lassen.
Immerhin: Das führt im Falle der sechsten Polo-generation dazu, dass auch der Innenraum keine klassischen Kleinwagen-abmessungen aufweist. Vorn sitzen selbst Großgewachsene ausgesprochen bequem, hinten reicht es für zwei Erwachsene; notgedrungen passen auch derer drei auf kurzen Strecken hinein.
Der im Test-polo verbaute Dreizylinder-benziner, der 115 PS aus einem Liter Hubraum entwickelt, ist noch am ehesten die Verbindung zur traditionellen Kleinwagen-welt. Auch wenn er in Sachen Akustik nicht zu vergleichen ist mit früheren Ausbaustufen von Dreizylindern; das bauartbedingte Röhren ist heutzutage kaum mehr als ein sehr zurückhaltendes Grummeln. Alleine das Aufwachenaus der Start-stopp-ruhephase an der roten Ampel geschieht etwas unruhiger, wenn ein Zittern nach Gedenksekunde durch das ganze Fahrzeug geht, sobald der Motor wieder zum Leben erweckt wird.
In Kombination mit dem Sieben-gang-doppelkupplungsgetriebe wirdzwarvorrangig der Komfortgedanke bedient – ebenfalls über die „normalen“Maße des Kleinwagensegments hinaus–, derpolohatjedochweder innerhalb noch außerhalb von Stadtgrenzen Probleme, auch einmal zügigerzuwerkezugehen, spontane Überholvorgänge abzuwickeln oder auch jenseits der Autobahn-richtgeschwindigkeit unterwegs zu sein. Die meisten Fahrbahnunebenheiten kann er ausgleichen, nur bei wirklich schlechten Straßenverhältnissen spüren die Insassen etwas davon.
All das spult der kleinste Volkswagen derart souverän ab, dass man sich fragt – braucht man eigentlich mehr? Wobei der Polo – womit wir wieder bei den untypischen Dingen für einen Kleinwagen wären – jede Menge „mehr“bietet.
Sitzheizung oder das individualisierbare, digitale Fahrer-display? Bereits Serie in der Ausstattung „Style“. Das Assistenzpaket „Iq.drive“umfasst für 405 Euro automatische Distanzregelung, einen Fahr- und Spurhalteassistenten sowie einen Notbremsassistenten undmachtdenpolozumteilautonomen Kleinwagen.
Im Zuge der Technik-aufrüstung musste der Polo allerdings auch die Kröte der weniger einfachen Bedienung schlucken – so sind häufig nur berührungssensitive Flächen statt klassischer Tasten vorhanden.
Wer jetzt angesichts all dieser für einen Kleinwagen untypischen Eigenschaften einen Kleinwagen-preis erwartet, der wird wenig überraschend enttäuscht: 29.515 Euro kostet der 115Ps-polo Style mindestens, 33.715 Euro waren es inklusive aller Extras. Immerhin: Der günstigste Polo startet ab gut 21.500 Euro. Das ist dann doch noch ein wenig Kleinwagen-klasse. . .