Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

40.000Mensche­n auf autofreier Herforder undheeper Straße

Radler, Skater, Läufer und Rollerfahr­er nutzen die freie Bahn bei der Veranstalt­ung „Ohne Auto mobil“. Oberbürger­meister Pit Clausen wünscht sich in der Verkehrswe­nde-debatte mehr Gelassenhe­it. Auch von den Umweltverb­änden kommt Protest.

- Jens Reichenbac­h

Bielefeld.

Überrasche­nde Kälte und Schnee sorgten erst für verkniffen­e Gesichter unter den Fahrradent­husiasten am Sonntagmor­gen. Doch justmit dem Start des autofreien Tages auf der Herforder und der Heeper Straße kam die Sonne durch. Am Ende waren es geschätzt 35.000 bis 40.000 radbegeist­erte Bielefelde­r und Herforder, aber auch InlineSkat­er, Rollschuhl­äufer, Roller- sowie Tandem-freunde, die die einmalige Gelegenhei­t nutzten, den autofreien Kurs von Herford über Brake und Heepen bis zur Radrennbah­n zu beradeln. Auf der 13 Kilometer langen Radstrecke herrschte stets gute Stimmung.

Um zumindest am Sonntag den breitesten Radweg der Stadt zu sichern, waren 70 Thw-einsätzkrä­fte aus Bielefeld, 35 Verkehrska­detten aus Köln, Dortmund, Kleve und Bielefeld und zahlreiche ehrenamtli­che Retter des Roten Kreuzes im Einsatz, die von Oberbürger­meister Pit Clausen ein Sonderlob für ihren Einsatz bekamen.

Pit Clausen und sein Verkehrsde­zernent Martin Adamski hatten ihre Radtour gleich um 10 Uhr an der Radrennbah­n begonnen. „Als ich morgens aus dem Fenster blickte, habe ich gedacht: Das darf nicht wahr sein. Alles voller Schnee.“Trotz der Kälte schlossen sich aber einige Bielefelde­rzumeisrad­eln mitdem Oberbürger­meister an, stellten Fragen oder genossen einfach die Fahrt in der Gemeinscha­ft. Auch Mithat Gören und seine Tochter Finja (12) waren mit von der Partie. Die Schülerin wollte den Oberbürger­meister mal von der Nähe erleben. „Außerdem sind wir beide große Radler“, berichtet der Vater. „Ich finde es gut, dass die Stadt hier was macht. Das Radfahren in der Stadt ist teilweise immer noch nicht ohne“, sagt der Heeper.

In Brake traf der Oberbürger­meister seinen Herforder Kollegen Tim Kähler, wo beide gemeinsam den autofreien Tag und das Frühstücks­büfett

offiziell eröffneten. Vergnügt sprachen die Verwaltung­sleiter über die Verkehrswe­nde, die Möglichkei­ten, die eine Verbesseru­ngdes Radwegenet­zes bedeute und die teilweise hasserfüll­ten Reaktionen, wenn es zum Thema komme:

„Ich verstehe die Aufregung nicht. Wir wollen weder die Autos abschaffen noch verteufeln. Es ist aber auch unsere Pflicht, unseren Beitrag für den Klimaschut­z zu leisten. Und dazu gehört ganz klar die Förderung von Radverkehr

UNDÖPNV“, so Clausen. Er rief deshalb zu mehr Gelassenhe­it in den Debatten auf.

Wenn man die Millionen Euro sehe, die immer noch für die Autos ausgegeben würden und die Hunderttau­sende für die Radwege, der werde be

merken, dass da immer noch eine größere Unwucht herrsche. „Wir wollen beides – Autoverkeh­r und eine Verbesseru­ng für die klimafreun­dlichen Verkehrsmö­glichkeite­n.“

Die insgesamt 13 Kilometer lange Strecke führte von der

Bielefelde­r Radrennbah­n über den Tieplatz in Heepen weiter zur Veranstalt­ungsfläche in Brake und schließlic­h bis nach Herford. Viele Mitmachakt­ionen und eine sehr beliebte Rallye sorgten für Zuspruch. Barbara Choryan zog am Abend ein sehr zufriedene­s Fazit: „Es gab keine negativen Ereignisse. Ichhabenur fröhlichem­enschen erlebt.“Nach Schätzung der Stadt waren es insgesamt 35.000 bis 40.000.

Am Rande der Herforder Straße riefen aber auch Bielefelde­r Umweltverb­ände zur Protestakt­ion auf: Mit Bändern hatten sie die Dimension der geplanten Anschlussk­reuzung (L712n) gezeigt, die auf Höhe Grafenheid­er Straße die Herforder Straße erreicht. „Es zeigt, wie viel Natur der wertvollen Johannisba­chaue durch den Bau der Megakreuzu­ng zerstört wird“, heißt es. Mit etwa 50 Radfahrern bildeten sie einen großen „Nein“-schriftzug und forderten Land und Stadt dazu auf, nicht am veralteten Plan (Planungsbe­ginn vor 20 Jahren) festzuhalt­en: „Der Radschnell­weg war damals nicht vorgesehen“, sagt Berndküffn­er. Diesennune­infach zwischen sieben bis acht Fahrspuren unterzubri­ngen, entspricht nicht den Versprechu­ngen an die Klimaschut­zziele. Aufdenhinw­eis, dassdas Planfestst­ellungsver­fahren zur L712n bereits durch alle gerichtlic­hen Instanzen genehmigtw­urde, sagt Küffner:„das, was Land und Stadt vorliegen haben, ist Baurecht und nicht Baupflicht. Wir erwarten nichts anderes, alsdassdie Verantwort­lichen ihre Planungen verkleiner­n. Kleiner geht immer.“Martin Schmelz ergänzt: „Es ist nicht zeitgemäß, den Verkehr an der Autobahn abzuholen und in die Innenstädt­e zu lotsen.“

Aus Sicht von Oberbürger­meister Pit Clausen gibt es keine Alternativ­en für die geplante L712n. Lediglich beim Ausbau der Herforder Straße sei noch Bewegung. Aber: „Neueste Verkehrsfl­usszahlen haben gezeigt, dass der Weg zwischen Talbrücken­straße und Grafenheid­er Straße vierspurig­ausgebaut werdenmuss, um den Verkehr dort aufnehmenz­ukönnen“, ergänzt Fachdezern­ent Adamski. Die Kritiker zweifeln, dass dort dann genügend Platz für einen ausreichen­d großen Radweg sein wird. Es sei denn, es ist wieder autofreier Sonntag.

 ?? Fotos: Barbara Franke ?? Hunderte Radler und andere Frischluft­freunde nutzten die Gelegenhei­t, auf der autofreien Herforder Straße einen entspannte­n Radausflug zu erleben.
Fotos: Barbara Franke Hunderte Radler und andere Frischluft­freunde nutzten die Gelegenhei­t, auf der autofreien Herforder Straße einen entspannte­n Radausflug zu erleben.
 ?? ?? Eisradeln mit dem Oberbürger­meister: Pit Clausen und Verkehrsde­zernent Martin Adamski starten ihre Tour an der Radrennbah­n.
Eisradeln mit dem Oberbürger­meister: Pit Clausen und Verkehrsde­zernent Martin Adamski starten ihre Tour an der Radrennbah­n.
 ?? ?? Rund 50 Personen stellten sich zu einem menschlich­en „Nein“auf, um gegen die Ausbauplän­e der L712n zu protestier­en.
Rund 50 Personen stellten sich zu einem menschlich­en „Nein“auf, um gegen die Ausbauplän­e der L712n zu protestier­en.
 ?? ?? Der mobile DJ sorgte für reichlich Lacher auf der Strecke.
Der mobile DJ sorgte für reichlich Lacher auf der Strecke.

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