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Gaza-krieg spaltet Universitäten
Camps werden von der Polizei aufgelöst, friedliche Demonstranten festgenommen – jüdische Studierende lassen derweil aus Angst den Davidstern zu Hause. Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas bringt Unis nicht nur in den USA in ein Dilemma.
New York (dpa/afp). Hundertschaften der Polizei rücken auf die Campus der renommierten New Yorker Universitäten Columbia und NYU vor. In der Dunkelheit stehen sie propalästinensischen Demonstranten gegenüber, nehmen viele fest. Es sind Szenen, über die die Tv-sender zuletzt aufgeregt berichten. An vielen Universitäten in den USA ist die Balance zwischen Meinungsfreiheit und Diskriminierung, dem Recht zum Protest und dem Sicherheitsbedürfnis außer Kontrolle geraten. Und die Unis sind seit Beginn des Gaza-krieges Spiegelbild der Spaltung der USGesellschaft.
Was ist passiert? Vergangene Woche, am frühen Donnerstagmorgen, errichten Studierendedercolumbiaimnew Yorker Stadtteil Manhattan ein Zeltlager auf ihrem Campus, in Solidarität mit den Palästinensern und um gegen Israels Vorgehen im Gaza-krieg zu protestieren. Ihre konkrete Forderung: Die Hochschule müsse alle finanziellen Verbindungen mit Israel kappen. Die Universitätsleitung zögert nicht lange und holt die Polizei. Nur wenige Stunden später räumt die New Yorker Polizei (NYPD) die Wiese und nimmt mehr als 100 propalästinensische Demonstranten fest. Dabei fliegen laut Polizei auch Flaschen und Klappstühle. Der Einsatz facht die Proteste weiter an: Nicht nur in New York, auch an einigen anderen Universitäten im Land entstehen neue, größere Protest-camps.
Seit Mittwoch wurden bei den Protesten in Los Angeles, Boston und im texanischen Austin mehr als 200 Menschen festgenommen. Zuletzt kam es auch verstärkt zu Konfrontationen zwischen der Polizei und Studenten. An der Emoryuniversityinatlantaim Bundesstaat Georgia setzten die Sicherheitskräfte Reizgas und Taser gegen Demonstrierende ein. Am Emerson College in Boston im Bundesstaat Massachusetts riss die Polizei laut Lokalmedien ein Protestlager ab und nahm 108 Menschen fest.
Und mittlerweile wird auch in Frankreich protestiert. Studierende der renommierten französischen Universität
Sciences Po haben in Paris ein Gebäude blockiert. Auf einem Banner forderten die Studierenden die Universität unter anderem auf, die Verbindungen zu sämtlichen israelischen Unis zu kappen.
Unter dem Eindruck der sich ausbreitenden Proteste sind an der Columbia in den USA schließlich viel mehr Zelte als davor aufgebaut worden, der Präsenzunterricht wurde aus Sicherheitsgründen ausgesetzt. Den Protestierenden wurde eine Frist bis Donnerstag um Mitternacht (Freitag 6 Uhr MESZ) gesetzt, um ein Protestlager auf dem Campus zu räumen. Diese Frist wurde aber ausgesetzt, da Verhandlungen zwischen der Universitätsleitung und den Demonstranten weitergingen.
In diesen Gesprächen seien „Fortschritte gemacht“worden, teilte Universitätspräsidentin Minouche Shafik mit.
Derweil hat die University of Southern California in Los Angeles eine geplante Großveranstaltung bei der traditionellen Abschlussfeier abgesagt. Mit Verweis auf besondere Sicherheitsvorkehrungen werde ein für Mai geplantes
Event auf der Hauptbühne, zu dem 65.000 Menschen erwartet wurden, nicht stattfinden.
Unter den Demonstrantinnen und Demonstranten der Columbia ist auch Katherine, die Internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Nahoststudien studiert. Die 26-Jährige war unter jenen, die festgenommen wurden. Die Uni hat sie zudem suspendiert. Sie findet die gewaltsame Verhaftung von 100 friedlichen Studenten entsetzlich, sagt sie. Das sehen viele ähnlich, darunter auch reihenweise Professorinnen und Professoren, die sich solidarisch zeigen.
Werdenortdes Protestszuletzt besucht hat, den lassen die Beschreibungen einiger USMedien und rechter Politiker stutzen, wonach der Campus ein Hort der Gewalt sei. Die Realität ist deutlich friedlicher, die meisten Studierendengehenihremnormalenalltag nach, spielen Ball auf der Wiese, lernen für Examen oder lesen. Im propalästinensischen Camp wird getanzt, gesungen, gebetet oder gekocht. Mit dabei sind auch israelkritische jüdische Studenten.
Doch einige wenige dominieren die Außenwahrnehmung: Es gab in den vergangenen Monaten vereinzelte Vorfälle von Antisemitismus (und auch von Islamophobie), Plakate sprechen sich für einen bewaffneten Widerstand gegen Israel aus. Nicht alle Studierenden bewegen sich innerhalb der Grenzen dessen, was friedlicher Protest darf. Das Problem: Der offene Bruch mit ihnen seitens der gemäßigten Demonstranten ist selten; eine aktive Distanzierung zu einer Verharmlosung der Hamas nicht überall erkennbar. Es ist eine Situation, in der sich nicht alle jüdischen Studierenden sicher genug fühlen, um den Davidstern in der Universität zu tragen oder Hebräisch zu sprechen. Für Aufsehen sorgt auch Columbia-assistenzprofessor Shai Davidai. Auf der Plattform X schreibt er, dass die Universität ihn wegen der Proteste nicht auf den Campus gelassen hätte: „Warum? Weil sie meine Sicherheit als jüdischer Professor nicht schützen können. Das ist 1938.“
Auch Us-präsident Joe Biden meldet sich zu Wort: „Dieser unverhohlene Antisemitismus ist verwerflich und gefährlich – und er hat auf dem Campus oder irgendwo anders in unserem Land absolut keinen Platz.“Biden reagiert darauf, dass die Universitäten seines Landes zu Epizentren der gesellschaftlichen Debatte geworden sind. Zwei Lager einer Gesellschaft stehen sich unversöhnlich gegenüber.