Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Die Wiese der besonderen Bäume
Der Umweltbetrieb pflegt 112.000 Park- und Straßenbäume. In einem Grünzug kommt jedes Jahr ein speziell ausgewählter Baum hinzu.
Bielefeld. Im unscheinbaren Grünzug zwischen Jöllenbecker Straße und Horstheider Weg entsteht seit 2018 ein ganz besonderes Baum-ensemble: Auf einer Wiese pflanzen Mitarbeiter des Umweltbetriebes jedes Jahr einen„baumdes Jahres“. 2024 ist das die „Echte Mehlbeere“, ein Baum, der bis zu 200 Jahre alt und 15 Meter hoch wird. „Im Herbst bekommendie Blätter eine leuchtende Färbung“, sagt Umweltdezernent Martin Adamski.
Auf einer neuen Tafel am Wegesrand steht, welche Bäumeauf der Wiese wachsen: eine Esskastanie, eine Flatterulme, eine Robinie, eine Stechpalme, eine Rotbuche, eine Moorbirke und nun auch eine Mehlbeere. Ab Mitte Mai beginnt der Baum des Jahres 2024 zu blühen. Weiße Blüten bilden dann einen Kontrast zu den dunkelgrünen Blättern. Ab Mitte September färbt sich das Laub dann goldbraun und die Früchte nehmen einen orange-farbenen bis scharlachroten Ton an. Vögel lassen sich die kleinen Beeren gerne schmecken, rupfen sie ab und tragen zur Verbreitung des
Baumes bei.
Der Baum des Jahres wird seit 1989 vom Kuratorium der „Dr.-silvius-wodarz-stiftung“ausgerufen. Vertreter von 32 Naturschutz- und Umweltorganisationen sitzen in diesem Gremium.
Der städtische Umweltbetrieb (UWB) nutzt die Aktion seit Jahren, um auf den Wert und die Bedeutung von Bäumen für das Stadtbild und vor allem für das Stadtklima aufmerksam zu machen. Außerhalb von Forstflächen und Waldstücken stehen in Bielefeld rund 112.000 Bäume in Parks und an den Rändern zahlreicher Straßen. „Um sie zu pflegen, treiben wir einen hohen Aufwand“, sagt der Leiter der Grünflächenunterhaltung im Umweltbetrieb, Sebastian Richter.
Beispielsweise sind acht Baumkontrolleurinnen und Kontrolleure ständig in der Stadt unterwegs und nehmen jeden Baum zwei Mal pro Jahr in Augenschein: Gibt es trockene Äste, Pilzbefall, Schäden an der Rinde? Müssen Baumchirurgen oder Gärtner eingreifen oder muss die Bewässerung verbessert werden?
Der Klimawandel mit Hitze und Trockenheit macht auch Bäumen zu schaffen. Der Stamm des neu gepflanzten Mehlbeer-baum ist daher mit weißer Spezialfarbe gestrichen. „Das schützt vor Austrocknung“, sagt Thomas Goerke vom UWB. Die Mehlbeere steht im Ruf, das Stadtklima gut vertragen zu können. Aber Bäume für neue Anpflanzungen nur noch danach auszusuchen, wie klimaresilient sie sind, das sei schwierig, sagt Sebastian Richter. Es komme auch darauf an, in welchen Boden sie gesetzt werden oder wie standortgerecht eine Baumart sei. „Unser Ziel ist es, möglichst heimische Bäume zu pflanzen“, sagt Dezernent Adamski. Eichen und Linden seien daher häufig die Baumarten der Wahl.
Die Mehlbeere hat in Bielefeld auch eine politische Dimension
Die Mehlbeere wächst nicht nur im Grünzug am Gellershagener Bach, sondern in der ganzen Stadt. Initiiert vom Integrationsrat ist 2023 auf Beschluss der Bielefelder Kommunalpolitik in jedem Stadtbezirk eine Mehlbeere gepflanzt worden. Die Bäume sollen an die Opfer der rechtsextremistischen Terror- und Mörder-organisation NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) erinnern. Die Mehlbeere wurde ausgewählt, weil die aus Südeuropa stammende Baumart einen geografischen Bezug zur Heimat vieler Opfer habe, so die Stadt.