Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Innenminis­ter sieht „rote Linie überschrit­ten“

Es gibt Streit um Straftaten in NRW. Reul will Vorwürfe der SPD nicht auf sich sitzen lassen – und sieht einen Tabubruch. Zugleich macht er eine Ankündigun­g. Die Opposition sieht ihn als Innenminis­ter gescheiter­t.

- Ingo Kalischek

Düsseldorf. Die Anzahl der Straftaten im Land steigt. Die Politik sucht nach Lösungen – und führt eine emotionale Debatte. Die ist in den Augen von Nrw-innenminis­ter Herbert Reul (CDU) jetzt aus dem Ruder gelaufen.

Eigentlich bringt den PolitDino Reul mit seinen 71 Jahren öffentlich nichts so schnell aus der Ruhe. Doch bei seinen Reden im Landtag weicht der Nrw-innenminis­ter derzeit häufiger spontan von seinem Redemanusk­ript ab. So auch jetzt während der Plenardeba­tte im Landtag. „Damit ist eine rote Linie überschrit­ten im fairen Umgang miteinande­r unter Demokraten“, donnertere­ul in dierichtun­g von Opposition­sführer Jochen Ott. „Dass Sie mein Handeln als ein Handeln bezeichnen, was den Feinden der Demokratie in die Hände spielt, finde ich ein starkes Stück“, so Reul.

Ott, der Fraktionsc­hef der SPD im Landtag ist, war Reul zuvor hart angegangen. Er hatte dem Minister vorgeworfe­n, im Rahmen der jüngst vorgestell­ten Kriminalit­ätsstatist­ik die steigenden Straftaten nichtdeuts­cher Tatverdäch­tiger vorab und einzeln thematisie­rt zu haben. „Sie pushen ein hochemotio­nales Thema und üben sich dann in Ratlosigke­it“, sagte Ott. „Einen größeren Gefallen hätten Sie den Feinden der Demokratie nicht machen können.“

Das wollte Reul nicht auf sich sitzen lassen. Der Minister ordnete zudem den Zuwachs der Straftaten in NRW um 3,4 Prozent ein. Im Bund liege er bei 5,5 Prozent und in Hamburg bei mehr als 10 Prozent. Zudem seien steigende Zahlen „nicht automatisc­h“immer ein Ausdruck von schlechter Politik, so Reul. Beim Kindesmiss­brauch feiere er jeden Tag steigende Zahlen, weil das ein Beweis sei, dass die Polizei dort toll aufkläre, sagte Reul.

Laut der Polizeilic­hen Kriminalit­ätsstatist­ik hatte in NRW 2023 etwa jeder Dritte von insgesamt 484.000 Tatverdäch­tigen einer Straftat keinen deutschen Pass. Zugenommen haben im vergangene­n Jahr vor allem Laden- und Taschendie­bstähle (+24,9 und + 5,9 Prozent) sowie Wohnungsei­nbrüche (+15 Prozent). Zudem werden die Täter immer jünger. Mehr als 20.000 Tatverdäch­tige waren nach Angaben des Innenminis­teriums jünger als 14 Jahre. Mehr als 46.000 Tatverdäch­tige waren Jugendlich­e.

Die Opposition sieht Reul als Innenminis­ter gescheiter­t. Die innere Sicherheit sei in NRW „offensicht­lich nicht mehr in guten Händen“, sagte Ott. Heute gebe es in NRW mehr Kriminalit­ät als im Jahr von Reuls Amtseinfüh­rung 2017. „Die CDU und ihr Innenminis­ter sind an ihren eigenen Ansprüchen gescheiter­t.“Reulstelle seine Ratlosigke­it offen zur Schau. „Er könnte es besser, er schafft es aber nicht mehr“, sagte Ott und fügte an: „Der schwarze Sheriff ist müde.“

In dieser Phase stelle sich die

Frage, wo Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) sei. „Müsste die Kinder- und Jugendkrim­inalität nicht endlich zur Chefsache werden?“, fragte Ott.

Reul warf er zudem vor, keine Debatte über die Kriminalit­ätsstatist­ik führen zu wollen. Deshalb habe der Minister eine Debatte über Migration lostreten wollen, um von seiner Bilanz als Minister „und den höchsten Kriminalit­ätszahlen seit sieben Jahren“abzulenken, so Ott. Reul wies das als „zu billig“zurück.

Der Afd-politiker Markus Wagner sagte mit Blick auf die gestiegene­n Straftaten, die Regierung habe „zu viele von den Falschen ins Land gelassen“. Nicht jeder Ausländer sei kriminell. Die Mehrheit sei es nicht. „Wir haben noch nicht mal ein Ausländerp­roblem. Es ist Ihre Migrations­politik der letzten zehn bis 20 Jahre“, so Wagner. Die Integratio­nsfähigkei­t des Landes sei mittlerwei­le„aufnull“gesetzt. Zureul sagte er: „Ich kann Ihnen diesenmass­ivenanstie­gvonstraft­aten nicht durchgehen lassen. Sie und Ihre Partei haben das zu verantwort­en. Ziehen Sie endlich Konsequenz­en.“

Reul wiederum war bemüht, den Fokus auf die Debatte– und die Kinder- und Jugendkrim­inalität zu richten. Die Vorwürfe Otts nahm er dennoch direkt auf – und machte eine Ankündigun­g: „Müde bin ich nicht. So eine Rede wie Ihre, die macht mich richtig wach. Jetzt geht’s erst richtig ab. Sie glauben gar nicht, was man noch alles hinkriegen kann.“

 ?? Foto: dpa ?? Herbert Reul (CDU), Innenminis­ter von Nordrhein-westfalen, weist im Landtag heftige Kritik seitens der SPD zurück.
Foto: dpa Herbert Reul (CDU), Innenminis­ter von Nordrhein-westfalen, weist im Landtag heftige Kritik seitens der SPD zurück.

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