Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Warnung vor neuen Funklöchern
Seit längerer Zeit wird heftig über die kostenlose Verlängerung von Lizenzen für die etablierten Mobilfunker gestritten. Der Newcomer 1&1 kämpft dafür, Netzkapazitäten neu zu verteilen. Fachleute sind skeptisch.
Der Streit tobt seit Monaten. Er wird erbittert ausgefochten. Die Kombattanten sind die drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber auf der einen und der Newcomer 1&1 auf der anderen Seite.
Die strittige Angelegenheit: eine Verlängerung von Lizenzen für Funkfrequenzen. Was sehr technokratisch daherkommt, ist enorm wichtig für die Nutzer und für die Zukunft des Mobilfunks hierzulande.
Nun hat sich das renommierte Fraunhofer-institut für Integrierteschaltungen(iis) in die Debatte eingeklinkt. Die Experten warnen in einer Studie vor „unmittelbaren Versorgungseinbußen“. Das Papier liegt dieser Redaktion exklusiv vor. Gemeint ist, dass bei einer Fehlentscheidung
Millionen von Handynutzern insbesondere auf dem Land in tiefe Funklöcher fallen könnten.
1&1 hat bisher eine winzige Infrastruktur
Ende 2025 laufen für O2-telefónica, die Deutsche Telekom und Vodafone einst teuer ersteigerte Erlaubnisse zum Funken auf bestimmten Frequenzen aus, die besonders für die Versorgung der Kunden in dünner besiedelten Regionen benötigt werden. Die zuständige Bundesnetzagentur (Bnetza) hat schon im vorigen Jahr ihre Sympathie für eine kostenlose Verlängerung der Lizenzen um fünf bis acht Jahre kundgetan. Im Gegenzug soll es für das Trio eine Reihe von zusätzlichen Auflagen für einen schnellen Ausbau mit Masten und Leitungen geben.
1&1, der Newcomer unter den Netzbetreibern mit einer bislang winzigen Infrastruktur, will das nicht hinnehmen und fordert eine neue Frequenzauktion. Das Ergebnis wäre in jedem Fall eine Neuverteilung der Funkkapazitäten. Sympathie für den Vorschlag gibt es im Beirat der Netzagentur – einem Gremium, das mit Politikern besetzt ist. Einige Mitglieder versprechen sich davon eine Belebung des Wettbewerbs. 1&1 argumentiert denn auch, eine Umverteilung sei kein Problem, weil die existierenden Netze ohnehin nicht ausgelastet seien.
Dem widersprechen die IISExperten – und sie verweisen dabei unter anderem auf eigene Aussagen der Netzagentur zum Stand des Netzausbaus. Zudem müsse Mobilfunk-infrastruktur per se „auf Spitzenlasten hin dimensioniert werden“. Von einer Umverteilung sei deshalb abzuraten, heißt es in der Untersuchung.
Netzkapazitäten müssten durch vier geteilt werden
Dergrund: Wasbisher drei Betreiber nutzten, müsste durch vier geteilt werden. Da das Etabliertentrio dann in jedem Fall mit weniger Netzkapazitäten auskommen müsste, würde dies „zu einer sofortigen signifikanten Verschlechterung der Versorgungsqualität in Deutschland“führen, warnt das IIS – was nur durch eine langjährige Netzverdichtung kompensiert werden könne. Dies gelte besonders für den ländlichen Raum. Die Schlussfolgerung der Fraunhofer-experten: Sie bezeichnen die von der Bnetza erwogene Verlängerung der Lizenzen als „sehr sinnvoll“.
Der neue Vodafone-chef
Marcel de Groot sieht es ähnlich. Er sagte dieser Redaktion: „Wir können teure Frequenzauktionen für viele Jahre in den Ruhestand verabschieden– unddeutschlandim Mobilfunk damit auf die Überholspur bringen.“Er fügte hinzu: „Ich wünsche mir, dassmobilfunk-deutschland jetzt eine Entscheidung für die vielen Millionen Smartphonenutzer trifft. Eine Entscheidung für neue Mobilfunkstationen statt einer Entscheidung für neue Funklöcher auf dem Land.“
Ein Votum des Beirats muss in nächster Zeit kommen, um Fristen für eine eventuelle Versteigerung einhalten zu können.
Die nächste Sitzung des Gremiums ist laut dem Terminkalender der Netzagentur am 13. Mai. Die endgültige Entscheidung fällt die Behörde selbst.