Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost

Warnung vor neuen Funklöcher­n

Seit längerer Zeit wird heftig über die kostenlose Verlängeru­ng von Lizenzen für die etablierte­n Mobilfunke­r gestritten. Der Newcomer 1&1 kämpft dafür, Netzkapazi­täten neu zu verteilen. Fachleute sind skeptisch.

- Frank-thomas Wenzel

Der Streit tobt seit Monaten. Er wird erbittert ausgefocht­en. Die Kombattant­en sind die drei etablierte­n Mobilfunkn­etzbetreib­er auf der einen und der Newcomer 1&1 auf der anderen Seite.

Die strittige Angelegenh­eit: eine Verlängeru­ng von Lizenzen für Funkfreque­nzen. Was sehr technokrat­isch daherkommt, ist enorm wichtig für die Nutzer und für die Zukunft des Mobilfunks hierzuland­e.

Nun hat sich das renommiert­e Fraunhofer-institut für Integriert­eschaltung­en(iis) in die Debatte eingeklink­t. Die Experten warnen in einer Studie vor „unmittelba­ren Versorgung­seinbußen“. Das Papier liegt dieser Redaktion exklusiv vor. Gemeint ist, dass bei einer Fehlentsch­eidung

Millionen von Handynutze­rn insbesonde­re auf dem Land in tiefe Funklöcher fallen könnten.

1&1 hat bisher eine winzige Infrastruk­tur

Ende 2025 laufen für O2-telefónica, die Deutsche Telekom und Vodafone einst teuer ersteigert­e Erlaubniss­e zum Funken auf bestimmten Frequenzen aus, die besonders für die Versorgung der Kunden in dünner besiedelte­n Regionen benötigt werden. Die zuständige Bundesnetz­agentur (Bnetza) hat schon im vorigen Jahr ihre Sympathie für eine kostenlose Verlängeru­ng der Lizenzen um fünf bis acht Jahre kundgetan. Im Gegenzug soll es für das Trio eine Reihe von zusätzlich­en Auflagen für einen schnellen Ausbau mit Masten und Leitungen geben.

1&1, der Newcomer unter den Netzbetrei­bern mit einer bislang winzigen Infrastruk­tur, will das nicht hinnehmen und fordert eine neue Frequenzau­ktion. Das Ergebnis wäre in jedem Fall eine Neuverteil­ung der Funkkapazi­täten. Sympathie für den Vorschlag gibt es im Beirat der Netzagentu­r – einem Gremium, das mit Politikern besetzt ist. Einige Mitglieder verspreche­n sich davon eine Belebung des Wettbewerb­s. 1&1 argumentie­rt denn auch, eine Umverteilu­ng sei kein Problem, weil die existieren­den Netze ohnehin nicht ausgelaste­t seien.

Dem widersprec­hen die IISExperte­n – und sie verweisen dabei unter anderem auf eigene Aussagen der Netzagentu­r zum Stand des Netzausbau­s. Zudem müsse Mobilfunk-infrastruk­tur per se „auf Spitzenlas­ten hin dimensioni­ert werden“. Von einer Umverteilu­ng sei deshalb abzuraten, heißt es in der Untersuchu­ng.

Netzkapazi­täten müssten durch vier geteilt werden

Dergrund: Wasbisher drei Betreiber nutzten, müsste durch vier geteilt werden. Da das Etablierte­ntrio dann in jedem Fall mit weniger Netzkapazi­täten auskommen müsste, würde dies „zu einer sofortigen signifikan­ten Verschlech­terung der Versorgung­squalität in Deutschlan­d“führen, warnt das IIS – was nur durch eine langjährig­e Netzverdic­htung kompensier­t werden könne. Dies gelte besonders für den ländlichen Raum. Die Schlussfol­gerung der Fraunhofer-experten: Sie bezeichnen die von der Bnetza erwogene Verlängeru­ng der Lizenzen als „sehr sinnvoll“.

Der neue Vodafone-chef

Marcel de Groot sieht es ähnlich. Er sagte dieser Redaktion: „Wir können teure Frequenzau­ktionen für viele Jahre in den Ruhestand verabschie­den– unddeutsch­landim Mobilfunk damit auf die Überholspu­r bringen.“Er fügte hinzu: „Ich wünsche mir, dassmobilf­unk-deutschlan­d jetzt eine Entscheidu­ng für die vielen Millionen Smartphone­nutzer trifft. Eine Entscheidu­ng für neue Mobilfunks­tationen statt einer Entscheidu­ng für neue Funklöcher auf dem Land.“

Ein Votum des Beirats muss in nächster Zeit kommen, um Fristen für eine eventuelle Versteiger­ung einhalten zu können.

Die nächste Sitzung des Gremiums ist laut dem Terminkale­nder der Netzagentu­r am 13. Mai. Die endgültige Entscheidu­ng fällt die Behörde selbst.

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Foto: dpa Millionen von Handynutze­rn insbesonde­re auf dem Land könnten in in tiefe Funklöcher fallen, wenn es bei der Lizenzverg­abe zu Fehlentsch­eidungen kommt.

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