Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Einer vonwenigen Männern imfrauenberuf
Jonas Küppers ist Hebamme. Eine maskuline Version dieser Berufsbezeichnung gibt es nicht. Er erzählt, wie er zu seinem Beruf gekommen ist und mit welchen Vorurteilen er zu kämpfen hat.
Bielefeld/herford. Männliche Hebammen sind eine Seltenheit. Nicht umsonst macht das Phänomen eine ganze Serie der ARD aus. „Toni, männlich, Hebamme“, heißt es da. Künftig könnte Toni auch durch Jonas Küppers ersetzt werden. Er hat kürzlich sein Bachelorstudium der Hebammenwissenschaft abgeschlossen und gehört damit zu den bundesweit wenigen Männern in der Frauendomäne.
„Angefangen hat alles damit, dass ich mich mit einer Freundin unterhalten habe“, sagt Küppers. „Die ist Hebamme.“Ursprünglich hat der 32-Jährige im Personalwesen gearbeitet, darauf folgte eine Ausbildung zum Heilpraktiker – er habe sich aber in seinem Beruf noch mehr patientenzentrierte Arbeit gewünscht.
„Die Arbeit als Heilpraktiker ist sehr theorielastig. Als mir meine Freundin von ihrer Hebammenausbildung erzählt hat, wollte ich das auch probieren. Der Praxisanteil ist hier nämlich sehr groß.“Also folgte ein Praktikum im Kreißsaal.„dieerstegeburthatmich total geflasht. Da war mir klar – das ist es“, sagt Küppers.
Väter freuen sich über weiteren Mann im Kreißsaal
Nach dem Praktikum habe er begonnen, sich nach Ausbildungsstellen umzusehen. Geklappt hat es dann bei der privaten, aber staatlich anerkannten Fachhochschule des Mittelstands (FHM), die seinerzeit zum ersten Mal einen Studiengang Hebammenwissenschaften anbot. Der Kreis Herford hatte sich bereiterklärt, aufgrund des Hebammenmangels die Studiengebühren für zehn Hebammen zu übernehmen. Wer jetzt anfängt, muss nämlich ein Studium absolvieren, um Hebamme zu werden. Küppers gehört zu den ersten seines Faches mit Bachelorabschluss.
Nun tritt er eine Stelle im Herforder Mathilden-hospital an. Gegenwind hat er von seinen Kommilitoninnen nie erfahren. „Die waren alle ganz offen und fanden es cool, dass ein Mann dabei ist“, sagt Küppers.
Anders sah es bei einigen Hebammenkolleginnen aus. „Besonders einige, die schon lange imberuf sind, hatten am Anfang Schwierigkeiten, sich mit einem Mann im Kreißsaal anzufreunden. Für sie war es eben ein traditioneller Frauenberuf.“
Dass Küppers insbesondere für viele Väter im Kreißsaal einegroßehilfe ist, haterschon oft gemerkt. „Die Väter fühlen sich während der Geburt meist sehr hilflos. Ist ja auch klar: Die Frau hat Schmerzen, ist körperlich in einer absoluten Ausnahmesituation. Die Männer haben dann das Gefühl, dass sie nicht viel tun können. Meist hilft es ihnen, nicht der einzige Mann im Kreißsaal zu sein.“
Nicht allen Paaren ist jedoch egal, ob ihre Hebamme männlich oder weiblich ist: „Das ist echt sehr selten, aber manchmal sind beispielsweise muslimische Paare skeptisch, weil die Frauen sich mir gegenüber nicht entblößen wollen und dürfen“, sagt Küppers. Eine Geburt oder Nachsorge musste er jedoch nie an eine Kollegin abgeben, „irgendwie haben wir es immer hinbekommen“, berichtet er.
Inzwischen habe der 32-Jährige insgesamt sicher mehr als hundert Geburten beziehungsweise die Vor- und Nachsorgen begleitet, bei etwa vierzig war er beim Geburtsvorgang selbst dabei. Eine Routine stellt sich dabei nie ein, und der „Flash“, den er bei der ersten Geburt erlebt hat, bleibt nach wie vor bestehen. „Es ist immer was ganz Besonderes, zu sehen, wie die werdenden Eltern, die zu zweit ins Krankenhaus kommen, als Familie nach Hause gehen“, sagt er.
Hat er sich auch schon überfordert gefühlt? „Manche Situationen sind eine extreme Herausforderung. Ich hatte zum Beispiel den Fall einer Schulterdystokie. Dabei bleiben die Schultern des Babys im Geburtskanal stecken“, erklärt er. „Dann bricht natürlich Panik im Kreißsaal aus. Aber gemeinsam bekommt man es dann doch hin.“