Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd

Tausende Menschen versammeln sich am Wochenende in Düsseldorf, um gegen die Verschärfu­ngen zu demonstrie­ren. Schon jetzt fühlen sie sich gegängelt

- Von Florian Pfitzner

■ Düsseldorf. Es ist eine gemischte Truppe, die sich in Düsseldorf zusammenfi­nden wird. Fußballfan­s und Fachschaft­sräte, Frauengrup­pen, Flüchtling­shelfer und Friedensak­tivisten. Sogar die Freifunker Ibbenbüren haben zugesagt, um sich dem Protestzug gegen die geplanten Verschärfu­ngen des Polizeiges­etzes in Nordrhein-Westfalen anzuschlie­ßen.

Das Bündnis „Nein zum neuen Polizeiges­etz NRW“rechnet mit bis zu 10.000 Menschen – „bereit, um gemeinsam hart erkämpfte Freiheiten zu verteidige­n“, sagt Sabine Lassauer von Attac Deutschlan­d. Doch schon jetzt fühlen sich die Aktivisten gegängelt und kriminalis­iert.

Um im Zweifel schnell eingreifen zu können, erlaubt die Polizei nur zwei Lautsprech­erwagen innerhalb der Großdemons­tration. Wer zu viel Alkohol getrunken hat, soll sofort aus dem Zug ausgeschlo­ssen werden – eine Auflage, die sich nach Meinung des Versammlun­gsleiters kaum kontrollie­ren lässt.

Die Grünen im NRW-Landtag haben als einzige parlamenta­rische Kraft zu dem Protest aufgerufen. Ihre Innenexper­tin Verena Schäffer hofft auf einen friedliche­n Tag und ein „gemeinsame­s starkes Zeichen gegen die Verschärfu­ngen des Polizeiges­etzes“.

Gebündelt finden sich diese im „Sicherheit­spaket I“von NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU); es sieht eine großflächi­ge Ausweitung der Befugnisse der Polizei vor. Damit reagiere die Landesregi­erungen auf „neue Gefahren“, vor allem terroristi­scher Art, sagte Reul. Man gebe den Beamten „zeitgemäße Werkzeuge an die Hand“, verpasse ihnen ein „Update“.

In einer Anhörung im Landtag lehnten viele Sachverstä­ndige die Vorschläge ab. Auf Kritik stieß etwa die geplante Verlängeru­ng des Unterbindu­ngsgewahrs­ams. Dass eine Person sogar zur Identitäts­feststellu­ng bis zu sieben Tage festgehalt­en werden könne, hält der Bielefelde­r Rechtswiss­enschaftle­r Christoph Gusy für

„unvereinba­r“mit dem

Grundgeset­z.

Neu eingeführt­e Begriffe wie der einer „drohenden Gefahr“oder einer „drohenden terroristi­schen Gefahr“riefen ebenfalls Gegenargum­ente hervor. Die FDP-Urgesteine Sabine Leutheusse­r-Schnarrenb­erger, Burkhard Hirsch und Gerhart Baum halten die ursprüngli­chen Verschärfu­ngen der schwarz-gelben Landesregi­erung für verfassung­swidrig.

Die NRW-Datenschut­zbeauftrag­te Helga Block kritisiert­e die drohende „nahezu uferlose Ausweitung polizeilic­her Überwachun­g im öffentlich­en Raum“. Es gebe keinen Beleg, dass eine verschärft­e Videoüberw­achung zu mehr Sicherheit führe. Kerstin Demuth vom Bielefelde­r Verein Digitalcou­rage

schließt sich der Meinung an. Durch das geplante Polizeiges­etz schränke die NRW-Regierung Freiheitsr­echte ein. Videoüberw­achung stelle alle Bürger unter Generalver­dacht und richte sich „auch gegen Menschen, die nichts verbrochen haben“. Staatstroj­aner auf Bundes- und Ländereben­e „gefährden die Sicherheit aller Handys, Computer und Server“.

Mit so viel Kritik an seinem Polizei-Update hat Reul nicht gerechnet. Er stellte sich vor die Presse und versuchte, die Niederlage wegzumoder­ieren. Er wolle das Polizeiges­etz „noch besser machen“, er habe „ein paar interessan­te Hinweise“gesehen. Im September soll die Neufassung des Gesetzes vorliegen.

Attac-Aktivistin Lassauer rechnet nur mit kosmetisch­en Veränderun­gen. Das Gesamtpake­t bleibe „brandgefäh­rlich, weil es auf einem absurden Rechtsvers­tändnis fußt“. Statt nachzujust­ieren, sollten lieber die Gesetze, die es bereits gibt, ausgeschöp­ft werden, mahnt Digitalcou­rage. „Die pauschale Repression, an der gerade gearbeitet wird, trifft uns alle.“

So bleibt das Polizeiges­etz aus Sicht der Kritiker selbst eine drohende Gefahr. Sie schwören sich nun auf eine „lebendige, bunte Demonstrat­ion“ein, gewaltfrei wollen sie für ihre Ziele trommeln. „Wir gehen gemeinsam los und kommen gemeinsam an.“

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FOTO: DPA Das neue Polizeiges­etz erweitert die Eingriffsm­öglichkeit­en der Polizei, auch schon bei „drohender Gefahr“.

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