Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Ein Mann und eine Frau werden ohnmächtig in einem Haus in Sailsbury gefunden, nur wenige Kilometer von dem Ort entfernt, an dem es eine Giftattacke auf einen russischen Doppelagenten und dessen Tochter gegeben hatte. Gibt es Verbindungen?
■ Salisbury. In England schrillen erneut die Alarmglocken. Im Krankenhaus von Salisbury liegen ein Mann und eine Frau in einem kritischen Zustand, nachdem sie „mit dem Nervengift Nowitschok“in Berührung kamen, wie es von der britischen Anti-Terror-Behörde heißt.
Die Nachricht weckt böse Erinnerungen. Anfang März waren der ehemalige russische Doppelagent Sergei Skripal und seine Tochter Julia bewusstlos auf einer Parkbank in Salisbury aufgefunden worden. Man hatte sie mit Nowitschok vergiftet. Damals wurden Teile der Innenstadt von Sailsbury abgeriegelt.
Nachdem die britische Regierung Russland für den Anschlag verantwortlich machte, führte der Fall zu einer weltweiten diplomatischen Krise.
Die Polizei der Grafschaft Wiltshire erklärte, dass es sich um „einen schwerwiegenden Vorfall“handelt und sperrte eine Reihe von Arealen in Salisbury und in der 13 Kilometer nördlich gelegenen Kleinstadt Amesbury ab. „Geht es jetzt wieder los?“, fragten sich die Briten.
Schon am Samstag hatte man die Opfer, eine 44-jährige Frau und ein 45-jähriger Mann, in ihrem Haus in der Muggleton Road in Amesbury gefunden. Zuerst gingen Rettungsdienst und Polizei davon aus, dass das Paar möglicherweise verunreinigtes Heroin oder Kokain konsumiert hatte. Mittlerweile ist diese Theorie vom Tisch. Nun wurde vom Leiter der Anti-Terror-Behörde bestätigt, dass beide Opfer mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet wurden. Sie ringen weiter um ihr Leben.
Laut Polizei lägen jedoch keine Hinweise vor, dass die beiden schwer erkrankten Opfer gezielt ins Visier genommen worden seien.
Die Polizei sicherte alle Orte, die die beiden Betroffenen zuvor besucht hatten. Dazu gehört auch eine Kirche in Amesbury, an der am Wochenende ein Tag der offenen Tür gefeiert worden war. Es könne das letzte Mal gewesen sein, an dem sich das Paar in der Öffentlichkeit gezeigt habe, mutmaßt Roy Collins von der „Amesbury Baptist Church“. Mitgefeiert hatten über 200 Gäste, darunter viele Familien mit Kindern. Aber „niemand sonst hat unter üblen Auswirkungen gelitten. Es gab keine Berichte von anderen Zwischenfällen.“ Nun ist das Kirchengelände abgesperrt und von Polizisten gesichert. Der Polizeichef von Wiltshire, Angus Macpherson, verteidigte die strikten Absperrungen. Man müsse „jedes Risiko kontrollieren, das es geben könnte“. Die Gesundheitsbehörde ging aber zunächst nicht von einer „bedeutenden Gesundheitsgefährdung“für die Öffentlichkeit aus.
In der Nachbarschaft in der Muggleton Road sind die Leute dennoch beunruhigt. Die 32jährige Amy Ireland sagte: „Wir wissen nicht, was wir denken Das Wohnhaus in Amesbury, in dem das Paar bewusstlos gefunden wurde. sollen. Es ist sehr besorgniserregend. Mein Sohn spielt da draußen auf dem Grasplatz. Erst Salisbury, jetzt dies.“Und Jake Murphy, der von Salisbury nach Amesbury zog, um seine Ruhe zu haben, berichtet: „Alle möglichen Gerüchte schwirren herum, dass es was mit den Russen zu tun hat. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt.“
Im Skripal-Fall hatte es einige Tage gedauert, bevor die Behörden die Identität des Giftstoffes ermitteln konnten. Proben der im jüngsten Fall festgestellten Substanz wurden zum Militär-Labor Porton Down geschickt worden. Es ist das britische Zentrum der Chemie- und Biowaffenforschung, gilt als eines der besten der Welt und hatte damals das Nowitschok-Gift identifiziert. Es wurde in der Sowjetunion hergestellt.