Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Pfarrer Volker Steffen geht nach 33 Jahren in den Ruhestand. Er hat die evangelische Luthergemeinde geprägt. Die Windflöter lassen ihn nur ungern ziehen
■ Senne. Schweren Herzens verabschieden die Windflöter am Sonntag ihren Pfarrer Volker Steffen. Er geht nach 33 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand. Das fällt auch ihm sehr schwer. „Ich bin mit Haut und Haaren hier Pfarrer gewesen und habe nicht nur die Gemeinde geprägt, auch sie hat mein Leben geprägt“, sagt der bald 63-Jährige.
Es war im Juli 1985 die erste Pfarrerstelle für den knapp 30-Jährigen, der mit offenen Armen aufgenommen wurde. „Ich war ein bärtiger Langhaariger und kam mit einem alten, klapprigen VW-Bulli mit einem Anti-Atomkraft-Aufkleber hinten drauf“, erinnert sich der gebürtige Ostwestfale. „Doch die Freude war groß, weil die Gemeinde ein Jahr lang keinen Pfarrer gehabt hatte. Das war der beste Einstieg, den man sich wünschen kann.“
Der engagierte Geistliche erinnert sich an die „enorme Aufbruchstimmung“damals. „Das hat von Anfang an gut gepasst mit der Gemeinde.“Heute sei man in der umgekehrten Situation: nicht Aufbau, sondern Rückbau. „Das ist bitter, da entstehen viele Wunden“, sagt Steffen mit Blick auf die Aufgabe der Christuskirche.
Zwei große Schwerpunkte nennt der evangelische Seelsorger: den Konfirmandenunterricht und die Diakonie. Mit jeder Konfirmandengruppe, damals noch 30 Jugendliche, fuhr er vier Wochenenden auf Freizeiten. „Wir haben in der Natur die Schöpfung hautnah erlebt, und die jungen Menschen haben ein Gespür dafür bekommen, was diese Welt für ein Geschenk ist.“Heute gibt es nur noch zwei bis vier Konfirmanden in der Lutherkirche, die heute zur Emmaus-Kirchengemeinde gehört, der gesamte Senner Süden bringt es immerhin auf zwei Dutzend.
Mit dem Fahrrad hat der Pfarrer regelmäßig seine Schäfchen besucht. „So begegnet man ständig Menschen, ich bin oft für einen Schnack abgestiegen“. Inzwischen ist er meist mit dem Auto unterwegs, weil er seit 2016 für den gesamten Senner Süden zuständig ist. „Ich habe mich immer ein bisschen als Sozialarbeiter verstanden und versucht, zu helfen, zum Beispiel Kontakte zu städtischen Stellen herzustellen.“Das Miteinander vor Ort über soziale und religiöse Grenzen hinweg war ihm sehr wichtig. „Ich bin stolz darauf, dass bei unseren Gemeindefesten auch muslimische Mitbürger kommen und alle nebeneinander sitzen und gemeinsam essen.“Steffen, der seit 2000 Beauftragter für den christlich- islamischen Dialog im Kirchenkreis ist, hofft, dass zur Verabschiedung auch muslimische Nachbarn kommen.
Ein besonderes Modell hat der Pfarrer mit der gemeindlichen Diakonie auf die Beine gestellt: die Seniorenbetreuung. Wenn er ältere Menschen besuchte und ihm auffiel, dass sie nicht mehr gut alleine zurecht kamen, hat er den Mitarbeiterinnen der Betreuung Bescheid gesagt, und die haben sich um die Senioren gekümmert. Finanziert wird das durch Diakoniemittel und Spenden, auch aus dem Klingelbeutel. Auch der Ein-EuroLaden war Steffens Idee, die die Diakonie verwirklichte.
Der Großvater von vier und demnächst fünf Enkelkindern hat zwar „ein schlechtes Gewissen“, dass er Abschied nimmt und sein noch zu bestimmender Nachfolger frühestens Anfang nächsten Jahres kommt, aber er hat es so gemeinsam mit der Familie besprochen. „Ich werde woanders gebraucht“, sagt er. „Opa zu sein ist die schönste Aufgabe der Welt.“Die Steffens bleiben „in der Nähe“wohnen. Der Abschied wird für ihn schmerzhaft sein, auch die Windflöter lassen ihn ungern gehen. „Er ist einfach die Seele dieser Gemeinde“, sagt Birgit SteinkerFase vom Diakonie-Laden.