Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Der Stadtbezirk war einst ein bedeutender Ort für Gesundheit und Erholung. Hans Schumacher hat drei Jahre recherchiert und Erstaunliches und erstaunlich viel gefunden. Heute gibt es nur noch wenige Hinweise darauf
■ Senne. Heinrich Christoph Scherpel, Jahrgang 1802, war ein ungewöhnlicher Mann. „Ausgesprochen klug, ausgesprochen vielseitig und ein Geschäftsmann ohnegleichen“, beschreibt Hans Schumacher den findigen Senner, auf den er bei den Recherchen für sein neuestes Buch „Gesundbrunnen Senne I“gestoßen ist. Er hatte einen Bauernhof, der zu den größten in Senne gehörte, zwei Mühlen, eine Bleiche, eine Gastwirtschaft – und einen erfolgreichen Kurbetrieb mit Hotel und Gastwirtschaft. „Das hat er alles selbst gemanagt. Dafür würde man heute mehrere Manager einstellen.“
Scherpels Kurbad ist eines von mindestens sieben Heilstätten, die es einst in Senne gegeben hat. In seiner Dokumentation, die den Zeitraum der 1840er Jahre bis 1983 überspannt, erzählt Schumacher auch von der ehemaligen Walderholungsstätte, 1913 an der heutigen Windelsbleicher Straße errichtet. Von Badeeinrichtungen der Textilfirma Windel und der wechselvollen Geschichte der Waldschule, die auch als Kindergenesungsheim für tuberkulosegefährdete Kinder, dann als Haushaltungsschule für junge Mädchen, als Wehrmachts-Lazarett
und schließlich als Lungenheilstätte diente. Heute steht auf dem Gelände die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Senne an der Senner Straße. Die Eingangshalle schmückt immer noch ein großes
Wandmosaik des Künstlers Ernst Hansen in auffälligen Blautönen. „Ich habe dafür die Beschriftung geliefert“, sagt Schumacher. Sehr viel mehr ist allerdings nicht übrig geblieben; keine Spur findet
sich etwa von der einstigen Kapelle, „es ist auch nicht mehr zu sehen, wo sie gewesen ist.“
Wenig ist auch vom einst so erfolgreichen Scherpelschen Kurbetrieb geblieben, den er 1856 schließen musste. Der geschäftstüchtige Kolon hatte wohl von einer der damaligen einfachen Badekuren auf dem „platten Land“gehört, die manchen Landwirt zu Ansehen und Wohlstand verholfen hatten, berichtete Schumacher. Scherpel „reaktivierte“seine Heilquelle, die „nahezu in Vergessenheit geraten war“, schreibt Schumacher. Zudem entdeckte er ein reichhaltiges Vorkommen an Schlamm, der sich in seinem Springteich, vor allem aber zwischen den Dünen seines Anwesens abgelagert hatte. Beides ließ er analysieren, in beidem fanden sich Inhaltsstoffe, die „durchaus eine Besserung oder gar Heilung bei verschiedensten Krankheiten versprachen“. So ermutigt, zog der Kolon seinen Kurbetrieb auf: mit einem Badehaus mit zehn Badewannen aus Stein oder Holz, Logierhaus mit sieben Stuben, Gaststätte, Schlamm- und Schwefelbädern, Parkanlagen und sogar einem Tanzsaal. Das lockte Kurgäste von Nah und Fern, adlige Frauen ebenso wie Handwerker, Arbeiter und Bauern. Detailliert festgehalten ist alles im handgeschriebenen Badebuch – Besucher, Kuren, Verpflegung, Preise. „Ein wahrer Schatz“, sagt Schumacher, der gut 20 Jahre lang im Tresor geschlummert habe – für ihn, neben seiner umfangreichen Sammlung historischer Postkarten, die wichtigste Motivation für die Dokumentation.
Rund drei Jahre, sichtete, ordnete und recherchierte Hans Schumacher in Archiven deutschlandweit. Und die Lust am Forschen hat ihn nicht verlassen. Ein neues Buch ist bereits in Arbeit: über die Geschichte der Senner Kirchen.