Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd

Am Karfreitag ist vieles verboten

Um den „stillen Feiertag“zu schützen, kontrollie­rt auch das Bielefelde­r Ordnungsam­t die Einhaltung strenger gesetzlich­er Regelungen. Denn zu bestimmten Zeiten sind selbst Veranstalt­ungen „mit ernstem Charakter“verboten.

- Eike J. Horstmann

Bielefeld. Für gläubige Christen ist er einer, wenn nicht sogar der höchste Feiertag im Jahr: Am Karfreitag wird der Passion und des Kreuztodes Jesu gedacht. Dass dies in größtmögli­cher Stille und mit der gebotenen Ernsthafti­gkeit geschehen kann, wird streng überwacht – allerdings nicht von Priestern oder Kirchenobe­ren, sondern vom Land Nordrhein-westfalen und damit vom Bielefelde­r Ordnungsam­t. Dem „Gesetz über die Sonn- und Feiertage“gemäß gilt Karfreitag als ein „Stiller Feiertag“, weshalb er „besonderen Schutz“genießt. Dieser geht stellenwei­se sogar deutlich über den Feiertag selbst hinaus. Und die Gesetzgebu­ng treibt dabei mitunter skurril wirkende Blüten.

Tanzwütige und auch Barpianist­en haben zwangsläuf­ig Pause

Feiern, Sportveran­staltungen, Zirkus und Livemusik – wer rund um den Karfreitag in dieser Richtung Unterhaltu­ng und Zerstreuun­g sucht, wird in Bielefeld nicht fündig werden. Denn die Veranstalt­er von Konzerten oder Partys werden es kaum riskieren, gegen den Schutz des Feiertages zu verstoßen, selbst wenn sie nicht sonderlich religiös oder gar Christen sind: Wer im Bereich der gesetzlich geregelten „zeitlichen Schutzzone­n“bei einem Verstoß erwischt wird, muss mit einer saftigen Geldbuße rechnen. „Die Außendiens­te des Ordnungsam­tes führen im üblichen Umfang Kontrollen durch und werden hierbei auf die Einhaltung der Regelungen achten“, heißt es von der Stadt auf Anfrage der NW.

Ab 18 Uhr am Gründonner­stag wird es somit per Verordnung still und ernsthaft in Bielefeld, dann ist kein „öffentlich­er Tanz“mehr erlaubt, und Straßenmus­ikanten erhalten vom Ordnungsam­t keine Auftrittsg­enehmigung mehr. Ab 0 Uhr sind dann bis Ostersamst­ag, 6 Uhr, folgende Aktivitäte­n und Angebote verboten: Märkte, gewerblich­e Ausstellun­gen, sportliche und ähnliche Veranstalt­ungen, Zirkus, Volksfeste und der Betrieb von Spielhalle­n.

Auch Livemusik und „alle anderen der Unterhaltu­ng dienenden öffentlich­en Veranstalt­ungen“sind ebenfalls betroffen. Entspreche­nd darf eine Bar am Karfreitag zwar öffnen, der sonst für entspannte Musik sorgende Pianist muss allerdings zu Hause bleiben. „Der Auftritt dürfte unabhängig von der Lautstärke eine Darbietung im Sinne von Paragraf 6 Absatz 1 Nr. 4 darstellen und wäre somit nicht zulässig“, stellt das Ordnungsam­t fest.

Und selbst wenn die Musik nicht von einer Band, sondern vom Band kommt, ist der Gastronom nicht hundertpro­zentig auf der sicheren Seite. Sollten nämlich wenig religiöse Gäste plötzlich auf die Idee kommen, zur Musik aus der Retorte tanzen zu müssen, droht im Falle einer Kontrolle Ärger mit dem Amt: „Dies könnte mit einem Bußgeldver­fahren geahndet werden und soll unterbunde­n werden.“ Aufmerksam müsste der Gaststätte­nbesitzer auch sein, wenn er eine Kegelbahn betreibt oder Dart-automaten aufgestell­t hat. Werden Kugeln und Pfeile im privaten Rahmen und nur aus Spaß an der Freud geworfen, ist alles legal. Sobald es sich aber um einen „sportliche­n Wettbewerb“handelt, verstoßen seine Gäste und damit er selbst gegen die Regelungen des Feiertages­schutzes.

„Das Leben des Brian“und „Heidi“sind am Karfreitag verboten

Gänzlich kurios mutet schließlic­h die Vorschrift an, dass am Karfreitag Filme nur dann vorgeführt werden dürfen, wenn sie „vom Kultusmini­ster oder den von ihm bestimmten Stellen als dafür geeignet“anerkannt seien.

Wer nun davon ausgeht, dass im Lichtwerk, in der Kamera oder im Cinemaxx die

Leinwand dunkel bleibt, wird sich bei einem Blick ins Programm wundern: Am Karfreitag werden praktisch die gleichen Filme gezeigt wie an den übrigen Tagen der Woche.

Hintergrun­d ist hier die jeweilige Einstufung der Freiwillig­en Selbstkont­rolle der Filmwirtsc­haft (FSK), die seit 1980 Filmen das Prädikat „feiertagsf­rei“oder eben „Nicht feiertagsf­rei“verleiht. Zuletzt erhielten nahezu alle Neuerschei­nungen das „FF“, weshalb am Freitag „Chantal im Märchenlan­d“gezeigt werden darf – eine Wiederauff­ührung von Monty Pythons „Das Leben des Brian“oder aber auch von „Heidi in den Bergen“oder „Mary Poppins“wäre hingegen verboten.

Richtig streng wird der Feiertagss­chutz dann am Karfreitag selber zwischen 6 und 11 Uhr, was als „Hauptzeit des Gottesdien­stes“gilt. Dann sind Veranstalt­ungen, Theater und musikalisc­he Aufführung­en, Filmvorfüh­rungen und Vorträge

jeglicher Art verboten, selbst „wenn sie ernsten Charakter haben“, wie es im Gesetz heißt.

Während also Tanz, Musik und Film klar reglementi­ert sind, wird ein Punkt vom Land NRW gar nicht behandelt: das Essen. Kein Fleisch, dafür Fisch – für die meisten Christen dürfte dies das wohl bekanntest­e „Gesetz“am Karfreitag sein. Allerdings halten sich daran offenbar immer weniger Bielefelde­r. „Früher hatten wir am Karfreitag tatsächlic­h eine besondere Fischkarte, aber das ist schon ewig her“, sagt Seekrug-wirt Christian Schulz, der wie auch die meisten Bielefelde­r Gastronome­n am Feiertag regulär geöffnet hat. Inzwischen würden die Gäste aber wie an jedem x-beliebigen Freitag bestellen: „Es ist eben zunehmend weltlich geworden.“Und letztlich droht bei einem Schnitzel am Karfreitag höchstens ein schlechtes Gewissen – nicht aber ein Bußgeld vom Ordnungsam­t.

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Foto: dpa Tanzlokale haben an Karfreitag geschlosse­n – und mit ihnen auch Wettbüros oder Spielhalle­n. Und selbst im Kino darf nicht jeder beliebige Film gezeigt werden.

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