Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Am Karfreitag ist vieles verboten
Um den „stillen Feiertag“zu schützen, kontrolliert auch das Bielefelder Ordnungsamt die Einhaltung strenger gesetzlicher Regelungen. Denn zu bestimmten Zeiten sind selbst Veranstaltungen „mit ernstem Charakter“verboten.
Bielefeld. Für gläubige Christen ist er einer, wenn nicht sogar der höchste Feiertag im Jahr: Am Karfreitag wird der Passion und des Kreuztodes Jesu gedacht. Dass dies in größtmöglicher Stille und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit geschehen kann, wird streng überwacht – allerdings nicht von Priestern oder Kirchenoberen, sondern vom Land Nordrhein-westfalen und damit vom Bielefelder Ordnungsamt. Dem „Gesetz über die Sonn- und Feiertage“gemäß gilt Karfreitag als ein „Stiller Feiertag“, weshalb er „besonderen Schutz“genießt. Dieser geht stellenweise sogar deutlich über den Feiertag selbst hinaus. Und die Gesetzgebung treibt dabei mitunter skurril wirkende Blüten.
Tanzwütige und auch Barpianisten haben zwangsläufig Pause
Feiern, Sportveranstaltungen, Zirkus und Livemusik – wer rund um den Karfreitag in dieser Richtung Unterhaltung und Zerstreuung sucht, wird in Bielefeld nicht fündig werden. Denn die Veranstalter von Konzerten oder Partys werden es kaum riskieren, gegen den Schutz des Feiertages zu verstoßen, selbst wenn sie nicht sonderlich religiös oder gar Christen sind: Wer im Bereich der gesetzlich geregelten „zeitlichen Schutzzonen“bei einem Verstoß erwischt wird, muss mit einer saftigen Geldbuße rechnen. „Die Außendienste des Ordnungsamtes führen im üblichen Umfang Kontrollen durch und werden hierbei auf die Einhaltung der Regelungen achten“, heißt es von der Stadt auf Anfrage der NW.
Ab 18 Uhr am Gründonnerstag wird es somit per Verordnung still und ernsthaft in Bielefeld, dann ist kein „öffentlicher Tanz“mehr erlaubt, und Straßenmusikanten erhalten vom Ordnungsamt keine Auftrittsgenehmigung mehr. Ab 0 Uhr sind dann bis Ostersamstag, 6 Uhr, folgende Aktivitäten und Angebote verboten: Märkte, gewerbliche Ausstellungen, sportliche und ähnliche Veranstaltungen, Zirkus, Volksfeste und der Betrieb von Spielhallen.
Auch Livemusik und „alle anderen der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen“sind ebenfalls betroffen. Entsprechend darf eine Bar am Karfreitag zwar öffnen, der sonst für entspannte Musik sorgende Pianist muss allerdings zu Hause bleiben. „Der Auftritt dürfte unabhängig von der Lautstärke eine Darbietung im Sinne von Paragraf 6 Absatz 1 Nr. 4 darstellen und wäre somit nicht zulässig“, stellt das Ordnungsamt fest.
Und selbst wenn die Musik nicht von einer Band, sondern vom Band kommt, ist der Gastronom nicht hundertprozentig auf der sicheren Seite. Sollten nämlich wenig religiöse Gäste plötzlich auf die Idee kommen, zur Musik aus der Retorte tanzen zu müssen, droht im Falle einer Kontrolle Ärger mit dem Amt: „Dies könnte mit einem Bußgeldverfahren geahndet werden und soll unterbunden werden.“ Aufmerksam müsste der Gaststättenbesitzer auch sein, wenn er eine Kegelbahn betreibt oder Dart-automaten aufgestellt hat. Werden Kugeln und Pfeile im privaten Rahmen und nur aus Spaß an der Freud geworfen, ist alles legal. Sobald es sich aber um einen „sportlichen Wettbewerb“handelt, verstoßen seine Gäste und damit er selbst gegen die Regelungen des Feiertagesschutzes.
„Das Leben des Brian“und „Heidi“sind am Karfreitag verboten
Gänzlich kurios mutet schließlich die Vorschrift an, dass am Karfreitag Filme nur dann vorgeführt werden dürfen, wenn sie „vom Kultusminister oder den von ihm bestimmten Stellen als dafür geeignet“anerkannt seien.
Wer nun davon ausgeht, dass im Lichtwerk, in der Kamera oder im Cinemaxx die
Leinwand dunkel bleibt, wird sich bei einem Blick ins Programm wundern: Am Karfreitag werden praktisch die gleichen Filme gezeigt wie an den übrigen Tagen der Woche.
Hintergrund ist hier die jeweilige Einstufung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), die seit 1980 Filmen das Prädikat „feiertagsfrei“oder eben „Nicht feiertagsfrei“verleiht. Zuletzt erhielten nahezu alle Neuerscheinungen das „FF“, weshalb am Freitag „Chantal im Märchenland“gezeigt werden darf – eine Wiederaufführung von Monty Pythons „Das Leben des Brian“oder aber auch von „Heidi in den Bergen“oder „Mary Poppins“wäre hingegen verboten.
Richtig streng wird der Feiertagsschutz dann am Karfreitag selber zwischen 6 und 11 Uhr, was als „Hauptzeit des Gottesdienstes“gilt. Dann sind Veranstaltungen, Theater und musikalische Aufführungen, Filmvorführungen und Vorträge
jeglicher Art verboten, selbst „wenn sie ernsten Charakter haben“, wie es im Gesetz heißt.
Während also Tanz, Musik und Film klar reglementiert sind, wird ein Punkt vom Land NRW gar nicht behandelt: das Essen. Kein Fleisch, dafür Fisch – für die meisten Christen dürfte dies das wohl bekannteste „Gesetz“am Karfreitag sein. Allerdings halten sich daran offenbar immer weniger Bielefelder. „Früher hatten wir am Karfreitag tatsächlich eine besondere Fischkarte, aber das ist schon ewig her“, sagt Seekrug-wirt Christian Schulz, der wie auch die meisten Bielefelder Gastronomen am Feiertag regulär geöffnet hat. Inzwischen würden die Gäste aber wie an jedem x-beliebigen Freitag bestellen: „Es ist eben zunehmend weltlich geworden.“Und letztlich droht bei einem Schnitzel am Karfreitag höchstens ein schlechtes Gewissen – nicht aber ein Bußgeld vom Ordnungsamt.