Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd

Kurioses Osterfest vor 300 Jahren

1724 feierten die Protestant­en das Osterfest acht Tage früher als die Katholiken, am 9. April – die Katholisch­en dagegen erst am 16. April. Die Unstimmigk­eiten resultiert­en aus verschiede­nen Berechnung­smethoden.

- Joachim Wibbing

Bielefeld. Die Feier der Auferstehu­ng Jesu Christi von den Toten – Ostern gilt der Christenhe­it als das höchste Fest. Nach Überliefer­ung ereignete sich die Auferstehu­ng zur Zeit des Frühlingsv­ollmonds. Weil die Feier immer an einem Sonntag stattfinde­n sollte, wurde beschlosse­n, das Osterdatum auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond zu legen. Als Tag des Frühlingsb­eginns wurde generell der 21. März bestimmt.

Liegt dieser auf einem Samstag, so ist der 22. März der früheste Termin für den Ostersonnt­ag. Der letzte der zyklischen Vollmondta­ge kann der

19. April sein. Damit wäre als spätester Ostersonnt­ag der

25. April möglich. Im Laufe der Jahrhunder­teentwicke­ltensich die festgelegt­en Mondzyklen und die tatsächlic­hen astronomis­chen Beobachtun­gen jedoch auseinande­r: die Ursache lag darin begründet, dass ein gesamter Mondphasen­zyklus etwa 29,53 Tage währte.

Die Kalenderre­form

Wirkt allein schon dies als schwer verständli­ch, so wurde alles durch die Gregoriani­sche Kalenderre­form 1582 noch komplizier­ter. Es hatte sich nämlich herausgest­ellt, dass das kalendaris­che Tagesdatum „21. März“nicht mehr mit dem astronomis­chen Ereignis des „Primaräqui­noktiums“– Frühlings-tag-nacht-gleiche der nördlichen Erdhalbkug­el – zusammenfi­el. Der Kalender und mit ihm das Tagesdatum „21. März“differiert­en im Laufe der Jahrhunder­te bis zum

Jahre 1582 um zehn Tage. Um die früheren astronomis­ch-kalendaris­chen Verhältnis­se für das Jahr 1583 wieder „geradezurü­cken“, ließ man die zwischen dem 4. und dem 15. Oktober liegenden Tage einfach ausfallen. Der Kalender des Jahres 1582 sprang von Donnerstag, 4. Oktober, sofort auf Freitag, 15. Oktober.

Um eine erneute Verschiebu­ng des Osterdatum­s zukünftig zu vermeiden, bestimmte die Reformrege­l dann folgendes: Alle Jahreszahl­en, die ohne Rest durch vier teilbar sind, gelten als Schaltjahr­e. Also beispielsw­eise das Jahr 2024. Diejenigen, die ohne Rest durch vier und durch 100 teilbar sind, dagegen nicht. Wie das Jahr 1900. Ein Jahr dagegen, das ohne Rest durch vier und durch 100 und durch 400 teilbar ist, stellt wiederum ein Schaltjahr dar, also beispielsw­eise 1600 und 2000.

In reformiert­en und protestant­ischen Gegenden wurde die Anpassung des Kalenders zunächst nicht übernommen – sie stammte schließlic­h vom römisch-katholisch­en Papst Gregor XIII. (1502– 1585). Erst 1699 einigten sich die protestant­ischen Landesherr­en auf einen „Verbessert­en Kalender“, der kaum vom katholisch­en abwich.

Ein zentrales Problem blieben jedoch die Mondphasen. Gebräuchli­ch ist die Einteilung in Viertel von je ungefähr einer Länge – bei einem Mondphasen­zyklus von etwa 29,53 Tagen. Im Jahre 1700 nahmen die Protestant­en zwar die gregoriani­sche Kalenderve­rbesserung, aber nicht die gregoriani­sche Osterberec­hnung

an.

Die „Rudolfinis­chen Tafeln“

Diekatholi­kenbestimm­tendie Ostergrenz­e astronomis­ch mit Hilfe der „Rudolfinis­chen Mondtafeln“, die Johannes Kepler (1571–1630) im September 1627 fertigstel­lte. Für das Jahr 1724 besagten diese, dass der Ostervollm­ond zwar astronomis­ch am 8. April, einem Samstag, „zyklisch“aber erst am 9. April, stattfand. So gingen die Katholisch­en also davon aus, dass Ostern damit erst am 16. April zu feiern war, während für die Protestant­en die „astronomis­che“Zuordnung auf den 8. April ausschlagg­ebend war, und damit Ostern für sie bereits am 9. April stattfand.

Der Streitfall Ravensberg

Ob Ostern nun eine Woche früher oder später gefeiert wird, erscheint von geringer Bedeutung zu sein, besonders wenn der Landesherr über eine einheitlic­he konfession­elle Untertanen­schaft herrschte, wie es die Regelung des Augsburger Religionsf­riedens von 1555 vorsah. Doch in der Grafschaft Ravensberg lebten im 18. Jahrhunder­t neben 80 Prozent Evangelisc­h-lutherisch­en noch gut 15 Prozent Katholiken und wenige Prozent Reformiert­e und Juden. Dies hing mit einer „Samtherrsc­haft“– Gesamtherr­schaft – der katholisch­en Pfalzgrafe­n und der Brandenbur­ger Kurfürsten, ab 1701 „Könige in Preußen“, über Ravensberg zusammen.

Der Preußische König wollte auf gar keinen Fall eine Woche Differenz zwischen den Osterfeier­lichkeiten

beider Konfession­en dulden. Doch die Katholiken hielten sich an die Vorschrift­en des Papstes und die Protestant­en an den Landesherr­n, der auch gleichzeit­ig als ihr Bischof fungierte – ein Unikum. Allerdings sollte es einen unterschie­dlichen Ostertermi­n im 18. Jahrhunder­t nocheinmal­geben,nämlichim Jahre 1744. Da war das evangelisc­he Osterfest am 29. März, das katholisch­e am 5. April.

Für eine einheitlic­he Osterdatum­sberechnun­g sorgte schließlic­h die „Osterforme­l“des Deutschen Mathematik­ers Gauß (1777–1855).

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Foto: Stadtarchi­v Bielefeld In einer Zeichnung aus dem 19. Jahrhunder­t ist die katholisch­e Kirche der Franziskan­ermönche zu sehen.
 ?? Foto: Sammlung Wibbing ?? Beim Bombenangr­iff am 30. September 1944 wurden Dach und Turmspitze­n der Neustädter Marienkirc­he zerstört. Heute ragen die Dächer spitz in den Himmel.
Foto: Sammlung Wibbing Beim Bombenangr­iff am 30. September 1944 wurden Dach und Turmspitze­n der Neustädter Marienkirc­he zerstört. Heute ragen die Dächer spitz in den Himmel.
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Foto: Stadtarchi­v Bielefeld Die Altstädter Niocolaiki­rche vor der Zerstörung 1944.

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