Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Kühner Plan: ,Wohnen in der Kugel‘ vor dem Aus
Ein emeritierter Architektur-professor will in einem Gaskugelbehälter am Quellenhofweg Wohnungen für Studenten schaffen. Inhaber und Denkmalschützer haben keine Einwände, das Bauamt lehnt ab. Ein Funke Hoffnung bleibt.
Bielefeld. Umwege sind in den meisten Fällen ein reines Ärgernis. Manchmal aber sind es gerade die unfreiwilligen Schlenker, die überraschend zum Ziel führen. So auch bei Axel Pfeil, der Anfang des Jahres 2020 wegen Bauarbeiten in Gadderbaum gezwungen war, auf dem Weg zum Büro über den Quellenhofweg Richtung Innenstadt zu fahren. Dort nahm der Architekt dann erstmals bewusst die mächtigen Gas-kugelbehälter wahr, die auf einer Anhöhe am Rand des Waldes stehen. Und der Anblick begeisterte ihn.
„Ich dachte mir: Da muss man doch was draus machen können“, erinnert sich Pfeil. Er ersann einen kühnen Plan, wie aus dem kleineren der beiden Behälter ein spektakuläres Wohnhaus für Studenten entstehen könnte. Was er damals nicht ahnte: Seine Idee würde ihn für die kommenden vier Jahre beschäftigen und auf weitere Umwege führen.
Zehn Wohnungen verteilt auf drei Etagen
Und obwohl er bei dem Besitzer der denkmalgeschützten Behälter, der Westnetz Gmbh aus Dortmund, und bei der Unteren Denkmalbehörde mit seiner Idee auf offene Ohren stieß, steht sein Konzept „Wohnen in der Kugel“inzwischen vor dem Aus. Dies liegt allerdings nicht daran, dass der im ersten Moment durchaus etwas verrückt klingende Plan nicht hinreichend durchdacht ist. Im Gegenteil.
Pfeil, emeritierter Professor für Architektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-lippe in Detmold, will den seit Jahrzehnten leerstehenden Hohlräume lieber Leben einhauchen, als sie von der Öffentlichkeit nahezu unbemerktimwaldvorsichhinrosten zu lassen. Als „praktische Zukunftsbewältigung statt Musealisierung“beschreibt er seine in 55 Jahren Berufstätigkeit als Architekt entwickelte, vorrangig am Nutzen orientierte Haltung. „Es mangelt überall an bezahlbarem Wohnraum, auch in Bielefeld“, sagt Pfeil. „Und die Leidtragenden sind insbesondere Studentinnen und Studenten.“Um dem Rechnung zu tragen, will er im Gasbehälter „Bethel II“auf drei Etagen zehn Einheiten für „studentisches Wohnen“entstehen lassen.
Und das sehr ressourcen schonend und energie effizient: Zu meinen ist das Bauwerk und die dazugehörige Infrastruktur bereits errichtet, es wird lediglich von innen heraus gebaut. „Das ist planerisch und gestalterisch schwierig, aber machbar“, sagt Pfeil. Und zum anderen ist eine Kugel als Form für ein Gebäude ungewöhnlich, gibt aber aufgrund der im Verhältnis zum Volumen deutlich geringeren Umhüllungsfläche weniger Wärme ab als etwa ein Quader. Dass mindestens eine Wand in den Wohnungen dadurch krumm ist, sei kein Problem: „Schränke kann man ja an die Innenwände stellen, die sind grade.“
Das Treppenhaus und die Versorgungsleitungen würden schließlich im Inneren der Kugel gebaut – eine runde Sache. „So etwas gibt es nirgendwo anders “, sagt Pfeil .„ Es ist ein aus architektonischer und den km alpflegerisc her Sicht einmaliges Objekt, das sicher weit über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung finden würde.“
Zu diesem Schluss kamen auch die zuständigen Denkmal pfleger des Land schafts verbandes Westfalen- lippe und der Stadt Bielefeld. Die Westnetz Gmbh, bei der die beiden Gasbehälter als „nicht mehr benötigte Betriebsmittel“in den Büchern stehen, zeigte sich angetan. Auch Gadderbaums Bezirks bürgermeisterin Hannelore Pfaff war begeistert und setzte sich für „Wohnen in der Kugel“ein. Gegenwind gab es erst, als das Umweltamt eine Genehmigung verweigerte: Das Vorhaben befinde sich in einem Landschaftsschutz gebiet und sei daher abzulehnen.
Tatsächlich weist der Flächen nutzungspl an der Stadt das Areal als Schutzgebiet aus. „Aber das ist ein Fehler, der damals bei der Neuaufstellung des Planes gemacht worden ist“, erläutert der Architekt. Statt die seit Anfang der 30er Jahre bebaute und erschlossene Einrichtung als „Sonderfläche für Gaslagerung“auszuweisen, wurde sie „großzügig dem angrenzenden Landschaftsschutz gebiet einverleibt “, kritisiert Pfeil .„ Dabei entspricht der tatsächliche Istzustand eindeutig den Flächen einer gewerblichen Nutzung.“Trotzdem pochte die städtische Verwaltung immer wieder darauf, dass die Kugeln im soge nannten Außen bereich liegen, der Flächen nutzungspl an für das area leine „landwirtschaftliche Nutzung“vorsehe und dass deshalb ein Bauvorhaben nicht erlaubt werden könne.
Der Planer versuchte noch einmal, die Einwände zu entkräften – etwa, dass es keinen weiteren Eingriff in die Natur geben würde, weil die Gebäude, Straßen und Stellplätze schon längst errichtet seien: „Es wären keine weiteren Wald flächen betroffen .“Doch vergeblich:ende märz ging der negative Vor bescheid im Architektur büro ein.
Erneut beharrte das Bauamt auf dem Flächen nutzungspl an, zudem sei„ im Zusammenhang mit der Einrichtung studentischen Wohnens mit ein erstarken Nutzungs intensivierung des Grundstücks zu rechnen“. Pfeil zuckt resignierend mit den Schultern. Schon seitens des Umweltamtes wurde das Bild der lärmenden und im Freien wilde Grillpartys feiernden Studierenden bemüht, auch wurde befürchtet, dass der Quellenhofweg durch die neuen Wohnungen über Gebühr belastet werden könne. „Wenn da zehn oder zwölf Leute hinziehen – wie viel Verkehr wird da schon entstehen?“
„Es ist eine politische Entscheidung, ob so ein Projekt gewollt ist.“
Der Architekt weiß, dass er die Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht in Minden anfechten könnte. Allerdings würde es bis zu einer Entscheidung abermals Jahre dauern. „Und formaljuristisch hat die Stadt Bielefeld in ihrer Entscheidung recht, da wird das Gericht sicherlich nicht anders entscheiden.“Er hofft nun, dass seine Idee nach dem entscheidenden Nein des Bauamtes von anderen Gremien aufgegriffen und diskutiert wird – etwa dem Rat, der Bezirksvertretung Gadderbaum oder dem Stadtentwicklungsausschuss. „Letztlich ist es eine politische Entscheidung, ob so ein Projekt gewollt ist“, sagt Pfeil.
Vielleicht ist es dann dieser letztmögliche Umweg, der ihn nach der ersten Umleitung Anfang 2020 doch noch ans Ziel führt.