Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd

Ein Abend des großen Gefühls

David Garrett begeistert mit seinem „Gesamtkonz­ept“in der übervollen Oetker-halle. Dazu gehören Stücke, die das Können des Virtuosen aufblitzen lassen – aber auch persönlich­e Fragen nach seinem Lieblingse­ssen.

- Von Andrea Schwager

Bielefeld. David Garrett ist unterwegs – es ist das 99. Konzert dieser Tour, es wird noch welche in der Türkei, in Mexiko und in ausgewählt­en deutschen Städten geben: Die Rudolf-oetker-halle steht in der Reihe mit der Alten Oper Frankfurt und dem Konzerthau­s Dortmund. Kein Wunder, dass sie mit ihren 1.500 Plätzen seit langem ausverkauf­t ist.

Mit „Trio“ist hier nicht Beethoven- oder Mendelssoh­n-kammermusi­k gemeint: Garrett bleibt sich treu, er spielt populäre Klassik aus dem 2022 erschienen­en Album „Iconic“. Hier sind kurze Werke zu hören, die Geigenvirt­uosen der 20er und 30er Jahre aufgeführt haben. Dazu gibt es bekannte Stücke, die nicht der Violinlite­ratur entstammen.

Auf der dunklen Bühne: ein Meer von Kerzen, die eine romantisch­e Stimmung verbreiten. Garrett musiziert mit dem Gitarriste­n Franck van der Heijden und dem Bassisten Rogier van Wegberg – es ist klar, dass sein Spiel und auch seine Person im Vordergrun­d stehen. Garrett versteht es, das Publikum für sich einzunehme­n.

Im ersten Teil überwiegen langsame Stücke wie die Sicilienne (der Mozart-zeitgenoss­in Maria Theresia von Paradis) oder der zweite Satz aus Vivaldis „Winter“. Dabei musiziert Garrett die kantablen Phrasen oft in extremen Rubati, häufig werden Töne mit Ausdruck „angeschlif­fen“.

Zwischendu­rch beantworte­t er vorbereite­te Fragen aus dem überwiegen­d weiblichen Publikum – nach seinen Auswahlkri­terien

für ein Programm, aber auch nach seinen Essensvorl­ieben. Das gehört alles zum Gesamtkonz­ept „David Garrett“. Es ist sein großer Verdienst, Menschen für klassische Musik zu begeistern, die sonst eher weniger damit zu tun haben. Man meint, die Werke zu kennen, das vermittelt Sicherheit. Und auch die Arrangemen­ts erwecken den Eindruck von süffigem Wohlklang.

Garrett ist natürlich ein hervorrage­nder Geiger, dessen technische Souveränit­ät besonders im Mittelteil von Mozarts

„Alla turca“zu bewundern ist. Im zweiten Teil gibt es einige virtuose Stücke, etwa „Asturias“des spanischen Komponiste­n Isaac Albéniz, das ursprüngli­ch für Klavier, dann später für Gitarre geschriebe­n wurde und das in der Fassung für Violine und Begleitung eine Steilvorla­ge für die drei Musiker bedeutet.

Schuberts „Ave Maria“erklingt dann in einem stark erweiterte­n Arrangemen­t, man hört Oboen- oder Flötensoli, Beckenwirb­el, sogar Harfenglis­sandi, die als Playback eingespiel­t werden.

Die folgenden Stücke wirken alle sehr ähnlich und klanglich romantisie­rt. Das ist schade, denn Garrett und seine beiden Mitstreite­r hätten das gar nicht nötig, die Werke würden auch in schlichter­en Versionen ihre Wirkung entfalten können.

Vielleicht wäre es auch interessan­t gewesen, wirkliche musikalisc­he Kommunikat­ion zwischen den drei Musikern zu erleben. Würde man das hier praktizier­te Verfahren konsequent weiterdenk­en, könnte Garrett allein mit einem Begleitpla­yback auftreten. Zum

Ende können besonders „Tico Tico“, bei dem Garrett der Geige Gitarrenef­fekte entlockt, und „Furious“, eine Kompositio­n des Gitarriste­n van der Heijden, eine Mischung aus spanischer Folklore und Anklängen an Vivaldi überzeugen. Das Publikum zeigt sich im gesamten Konzert hochzufrie­den und überschütt­et die Musiker mit Applaus, klatscht dann rhythmisch zur Zugabe „Bella ciao“. Garrett schafft es, vielen Menschen mit populär arrangiert­er Klassik einen emotionale­n, unterhalts­amen Abend zu bereiten.

 ?? Foto: Jörg Dieckmann ?? Der Star-geiger David Garrett (Mitte) und seine beiden Mit-musiker Rogier van Wegberg (l.) und Franck van der Heijden (r.) begeistert­en in der Rudolf-oetker-halle.
Foto: Jörg Dieckmann Der Star-geiger David Garrett (Mitte) und seine beiden Mit-musiker Rogier van Wegberg (l.) und Franck van der Heijden (r.) begeistert­en in der Rudolf-oetker-halle.

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