Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd
Ein Abend des großen Gefühls
David Garrett begeistert mit seinem „Gesamtkonzept“in der übervollen Oetker-halle. Dazu gehören Stücke, die das Können des Virtuosen aufblitzen lassen – aber auch persönliche Fragen nach seinem Lieblingsessen.
Bielefeld. David Garrett ist unterwegs – es ist das 99. Konzert dieser Tour, es wird noch welche in der Türkei, in Mexiko und in ausgewählten deutschen Städten geben: Die Rudolf-oetker-halle steht in der Reihe mit der Alten Oper Frankfurt und dem Konzerthaus Dortmund. Kein Wunder, dass sie mit ihren 1.500 Plätzen seit langem ausverkauft ist.
Mit „Trio“ist hier nicht Beethoven- oder Mendelssohn-kammermusik gemeint: Garrett bleibt sich treu, er spielt populäre Klassik aus dem 2022 erschienenen Album „Iconic“. Hier sind kurze Werke zu hören, die Geigenvirtuosen der 20er und 30er Jahre aufgeführt haben. Dazu gibt es bekannte Stücke, die nicht der Violinliteratur entstammen.
Auf der dunklen Bühne: ein Meer von Kerzen, die eine romantische Stimmung verbreiten. Garrett musiziert mit dem Gitarristen Franck van der Heijden und dem Bassisten Rogier van Wegberg – es ist klar, dass sein Spiel und auch seine Person im Vordergrund stehen. Garrett versteht es, das Publikum für sich einzunehmen.
Im ersten Teil überwiegen langsame Stücke wie die Sicilienne (der Mozart-zeitgenossin Maria Theresia von Paradis) oder der zweite Satz aus Vivaldis „Winter“. Dabei musiziert Garrett die kantablen Phrasen oft in extremen Rubati, häufig werden Töne mit Ausdruck „angeschliffen“.
Zwischendurch beantwortet er vorbereitete Fragen aus dem überwiegend weiblichen Publikum – nach seinen Auswahlkriterien
für ein Programm, aber auch nach seinen Essensvorlieben. Das gehört alles zum Gesamtkonzept „David Garrett“. Es ist sein großer Verdienst, Menschen für klassische Musik zu begeistern, die sonst eher weniger damit zu tun haben. Man meint, die Werke zu kennen, das vermittelt Sicherheit. Und auch die Arrangements erwecken den Eindruck von süffigem Wohlklang.
Garrett ist natürlich ein hervorragender Geiger, dessen technische Souveränität besonders im Mittelteil von Mozarts
„Alla turca“zu bewundern ist. Im zweiten Teil gibt es einige virtuose Stücke, etwa „Asturias“des spanischen Komponisten Isaac Albéniz, das ursprünglich für Klavier, dann später für Gitarre geschrieben wurde und das in der Fassung für Violine und Begleitung eine Steilvorlage für die drei Musiker bedeutet.
Schuberts „Ave Maria“erklingt dann in einem stark erweiterten Arrangement, man hört Oboen- oder Flötensoli, Beckenwirbel, sogar Harfenglissandi, die als Playback eingespielt werden.
Die folgenden Stücke wirken alle sehr ähnlich und klanglich romantisiert. Das ist schade, denn Garrett und seine beiden Mitstreiter hätten das gar nicht nötig, die Werke würden auch in schlichteren Versionen ihre Wirkung entfalten können.
Vielleicht wäre es auch interessant gewesen, wirkliche musikalische Kommunikation zwischen den drei Musikern zu erleben. Würde man das hier praktizierte Verfahren konsequent weiterdenken, könnte Garrett allein mit einem Begleitplayback auftreten. Zum
Ende können besonders „Tico Tico“, bei dem Garrett der Geige Gitarreneffekte entlockt, und „Furious“, eine Komposition des Gitarristen van der Heijden, eine Mischung aus spanischer Folklore und Anklängen an Vivaldi überzeugen. Das Publikum zeigt sich im gesamten Konzert hochzufrieden und überschüttet die Musiker mit Applaus, klatscht dann rhythmisch zur Zugabe „Bella ciao“. Garrett schafft es, vielen Menschen mit populär arrangierter Klassik einen emotionalen, unterhaltsamen Abend zu bereiten.