Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Süd

Der 103-Jährige, der sich kein bisschen alt fühlt

Gerhard Leckebusch, 1921 geboren, ist ein Vorbild mit seiner körperlich­en und geistigen Fitness. Vor fünf Jahren meldete er sich selbst im Seniorenhe­im an und fuhr dazu im eigenen Cabrio vor.

- Sibylle Kemna

Sennestadt. Mut zum Leben, Maßhalten und das Musizieren: Das sind die Strategien, die Gerhard Leckebusch fit, gesund und fröhlich gehalten haben. 103 wird der Sennestädt­er heute – er ist also 1921 geboren, zur Zeit der Weimarer Republik, drei Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs.

Leckebusch kann locker noch mit manchem 30 Jahre Jüngeren mithalten. „Er ist der Leuchtturm in unserem Seniorenze­ntrum“, sagt Nicole Schipplick vom Sozialdien­st des Ernst-barlach-hauses.

„Natürlich stehe ich auf, um Sie zu begrüßen.“Der alte Herr ist nicht nur ein Gentleman, sondern auch noch fit genug, um seine Besucher im Stehen zu empfangen. „Ich versuche, ihm nachzueife­rn“, sagt sein ehemaliger Nachbar Hans-jürgen Oelze aus dem Rietmacher­weg, der zu Besuch ist. „Ich bin 80 und Herr Leckebusch ist mein größtes Vorbild“.

Er hat sich in seine Krankensch­wester verliebt

Nachbar Oelze bewundert nicht nur die Gesundheit und Fitness seines Freundes, sondern auch „seine Pfiffigkei­t, Schlagfert­igkeit und seinen Humor“.

Leckebusch­s Wissen in vielen Bereichen sei zudem enorm und sein Interesse an vielen Themen bemerkensw­ert. „Was dieser Kopf noch leistet, das ist klasse.“

In Schwelm bei Wuppertal geboren, zog der 14-Jährige 1935 mit seiner Familie nach Berlin, der Vater war dorthin versetzt worden. „Vom Dorf mit Plumpsklo in die Hauptstadt, das war wie ein Hammerschl­ag“, berichtet er. „Ich wurde gehänselt wegen meines Dialekts und konnte vor allem Plattdeuts­ch.“

Doch an die Jugend in Berlin hat er „sehr schöne Erinnerung­en“, unter anderem an die Olympische­n Spiele. Er begann ein Chemiestud­ium, doch wurde er bald eingezogen als Soldat und dreimal verwundet. Beim letzten Mal wurde er in Bethel behandelt – und verliebte sich in seine Krankensch­wester.

Der Sohn auf Ibiza, der Enkel wohnt in Irland

Kurzentsch­lossen heiratete er seine Inge und bereits 1945 kam der Sohn auf die Welt. Dass er nicht weiter studieren konnte, sondern für die Familie Geld verdienen musste, nahm er gelassen hin. Und machte das Beste draus: sein von ihm gegründete­s Unternehme­n, das Kunststoff­behälter verkaufte und heute von seinem Enkel geleitet wird.

Als Ehefrau Inge vor 18 Jahren

starb, tat sich Gerhard mit Nachbarin Elfriede zusammen, die Witwe geworden war. Sie haben schöne Reisen zusammen unternomme­n und waren ein Paar, bis Elfriede vor einem Jahr mit 98 Jahren starb. Sie war als Erste ins Ernst-barlach-haus gezogen, Gerhard folgte ihr vor fünf Jahren.

„Der hat sich selbst angemeldet, ist hier reingekomm­en und hat gesagt: ‚Ich brauche einen Platz‘“, berichtet Schipplick und betont, das sei sehr ungewöhnli­ch. In der Regel melden jüngere Angehörige die Senioren bei ihr an. Sogar sein Auto hatte er noch dabei, einen Mercedes Coupe. „Den habe ich noch gut verkauft“, berichtet Leckebusch stolz.

Sein Sohn kommt zur Geburtstag­sfeier von Ibiza ins evangelisc­he Altenzentr­um Ernst-barlach-haus an der Rheinallee. Er wohnt auf der Balearen-insel.

Der Enkel von Gerhard Leckebusch hat sich in Irland niedergela­ssen und die Urenkelin ist inzwischen auch schon 20. „Vielleicht erlebe ich ja noch ein irisches Urenkelkin­d“, sagt der Jubilar.

Er genießt sein Leben, ihm schmeckt das Essen gut und er liebt es, im Garten spazieren zu gehen, wenn auch inzwischen mit Rollator. Sein Hörgerät nutzt er nicht so gerne. „Ich bin doch kein alter Mann“, sagt der 103-Jährige grinsend.

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Foto: Sibylle Kemna Gerhard Leckebusch (l.) ist der heimliche Star im Ernst-barlach-haus und ein großes Vorbild für manche deutlich jüngere Bewohner des Altenzentr­ums.

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