Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Ein Hochgeschwindigkeitszug kracht in eine Lokomotive, dann in eine Überführung. Unter den Toten ist auch ein Deutscher
¥ Istanbul. Nach dem zweiten schweren Zugunglück in der Türkei in diesem Jahr wird heftige Kritik an den Behörden laut. Mindestens neun Menschen, darunter ein Deutscher, starben in der Hauptstadt Ankara bei der Kollision eines Hochgeschwindigkeitszuges mit einer Lokomotive, die von Wartungsarbeiten zurückkehrte. Fast 50 weitere wurden verletzt.
Der Frontalzusammenstoß ließ mehrere Waggons des Zuges aus Ankara ins zentralanatolische Konya entgleisen und brachte eine Fußgängerbrücke zum Einsturz. Behörden nahmen drei Bahnmitarbeiter wegen des Verdachts auf Unregelmäßigkeiten fest – doch Regierungskritiker sagen, die Ursachen für das neue Unglück seien in der Politik zu suchen.
Der Zug hatte nach der Abfahrt in Ankara erst wenige Kilometer hinter sich und war noch in westlichen Außenbezirken der Hauptstadt unterwegs, als er auf dem Gelände des Bahnhofs Marsandiz mit der entgegenkommenden Lok zusammenprallte. Rettungsmannschaften suchten in den ineinander verkeilten und zerstörten Waggons nach Opfern des Unglücks. Unter den Todesopfern sind der Führer der Wartungslok und die beiden Zugführer des Hochgeschwindigkeitszuges. Warum die Lok auf demselben Gleis fuhr wie der Zug, blieb unklar.
Noch vor Abschluss der Arbeiten am Unglücksort meldeten sich Kritiker der Behörden zu Wort. Der betroffene Streckenabschnitt sei übereilt für den Verkehr freigegeben worden, sagte Hasan Bektas, der Chef der Transportgewerkschaft BTS. Die Züge rollten auf der viel befahrenen Strecke, obwohl es keine funktionierende Signalanlage gebe, sagte Bektas in Interviews mit türkischen Medien. Stattdessen verlasse man sich auf eine Kommunikation per Funkgerät: „Wir haben immer wieder gewarnt“, sagte der Gewerkschafter. Doch die Einwände seien ignoriert worden, weil die Strecke unbedingt vor den Parlamentswahlen im Juni in Betrieb genommen werden sollte. Die türkische Regierung hat in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten den Ausbau des Bahnnetzes und die Privatisierungen von Bahnbetrieben vorangetrieben. Kritiker