Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Rund 10.000 Tagungen mit einer Million Besuchern haben in diesem Jahr in Bielefeld stattgefunden. Ob die Hotelbetten dafür ausreichen, ist umstritten
¥ Bielefeld. Videokonferenzen oder Freundschaften in sozialen Medien sind offenbar kein Ersatz für den realen Handschlag. „Je mehr sich die Menschen vernetzen, desto lieber wollen sie sich auch persönlich kennenlernen“, sagt Martin Knabenreich. Folge: Das Geschäft mit Tagungen, Messen und Kongressen nimmt weiter zu. Unternehmen und Verbände, Hochschulen, Vereine oder Berufsorganisationen laden zu Zusammenkünften ein. Rund 10.000 Veranstaltungen hat der Chef von Bielefeld Marketing in diesem Jahr bereits gezählt.
Die deutschen Tierärzte kommen seit 20 Jahren jährlich in Bielefeld zusammen. Der Deutsche Alpenverein war 2018 zum ersten Mal da, ebenso der NRW-Städtetag. Solche Großveranstaltungen sind nur die Spitze des Eisbergs.
20 Prozent der Tagungen werden von 51 bis 100 Gästen besucht. Für Brot und Butter sorgen Veranstaltungen mit unter 50 Teilnehmern. Sie machen 80 Prozent des Geschäftes aus. Insgesamt kamen in diesem Jahr rund eine Millionen Tagungsgäste in die Stadt, hat eine Auswertung von Bielefeld Marketing ergeben.
Das Kongress-Geschäft hat sich zu einem beachtlichen Wirtschaftsfaktor entwickelt. „Hochgerechnet sorgen die Tagungsgäste für einen jährlichen Umsatz von 80 Millionen Euro in Bielefeld. Die Tagungen bescheren der Stadt zudem ein Steueraufkommen von gut 1,2 Millionen Euro und sichern hier rund 2.000 Arbeitsplätze“, sagt Martin Knabenreich.
Als Kongressstandort sei die Stadt inzwischen gut aufgestellt. Sie biete rund 20 größere Tagungstandorte. Dazu gehören die Stadthalle und die Ravensberger Spinnerei, die Uni, eine Reihe von Tagungshotels oder auch der Lokschuppen. Job-, Fahrrad- oder Handarbeitsmessen in der Ausstellungshalle neben der Stadthalle kommen hinzu.
Bielefeld sei ein regionaler Veranstaltungsort, so der Marketing-Geschäftsführer. 36 Prozent der Tagungsteilnehmer kämen aus der Stadt, 23 Prozent aus OWL, 18 Prozent aus NRW, 21 Prozent aus dem übrigen Bundesgebiet und nur zwei Prozent aus dem Aus- land. Vor allem die geographische Lage macht die Stadt zunehmend interessant. „Viele Organisationen haben ihren größten Landesverband in NRW und ihren Hauptsitz in Berlin. Für Mitglieder und hauptamtliche Mitarbeiter ist Bielefeld ideal erreichbar.“ Ausstattung und Gastronomie stimmten. „Außerdem waren die Teilnehmer unseres Kongresses fast alle in fußläufiger Entfernung in Hotels untergebracht. Das hat man nicht in jeder Stadt.“Wogetagt wird, wird auch übernachtet. Zeitweise stößt Bielefeld mit seinen 4.300 Hotelbetten an seine Kapazitätsgrenzen. Vor allem, wenn in Ostwestfalen weitere Veranstaltungen wie Küchen- oder Möbelmessen stattfinden. Im letzten September war die Stadt fast ausgebucht.
„Die Entwicklung des Tagungsstandortes hängt von Hotelkontingenten ab. Wir brauchen mehr Zimmer“, sagt Knabenreich. Geplante neue Hotels am Bahnhof oder das Boardinghaus an der Herforder Straße stießen auf entsprechenden Bedarf.
Regine Tönsing, Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes, sieht das nicht ganz so: „Mit einer durchschnittlichen Belegung von 42,5 Prozent bieten die Hotels gute Voraussetzung für alle Bedarfsfälle.“Natürlich könne man zu manchen Zeiten noch mehr Betten gebrauchen. „Aber die Hoteliers müssen ihre Häuser das gesamte Jahr über wirtschaftlich betreiben“, betont sie. Besser wäre es, das Geschäft zu entzerren und nicht auf einzelne Monate wie etwa den September zu konzentrieren.