Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Streit um verlängerte Ferien
Als undurchdachten Schnellschuss bewerten viele Schulvertreter aus der Region die Maßnahme. Vor allem die Betreuungsproblematik torpediert die Pläne aus Düsseldorf.
¥ Bielefeld. Ein gemeinsames Weihnachtsfest mit der Familie, das ist das große Ziel. Dafür bekommen Schüler in NRW zwei zusätzliche Ferientage. Bei Schulvertretern in Ostwestfalen-Lippe sorgt die Maßnahme für Kritik. Zum einen sei sie unrealistisch. Zum anderen widerspricht sie in ihren Augen sämtlichen vorher getroffenen Aussagen zur Sicherheit an Schulen.
„Die Botschaft ist klar: Schülerinnen und Schüler können nur dann gefahrlos gemeinsam mit ihren Großeltern Weihnachten feiern, wenn sie vorher ein paar Tage nicht zur Schule gegangen sind“, sagt Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Bildung (GEW) aus Bielefeld. „Wie aber kann Schule dann der sichere Ort sein, als der er immer wieder mantraartig von der Regierung dargestellt wird?“Und ihr Kollege Dietmar Winsel ergänzt: „Man kann diese Pläne auch als ein Eingeständnis verstehen, dass Schulen doch in erheblichem Maß am Infektionsgeschehen beteiligt sind.“
Betroffen vom Infektionsgeschehen sind Schulen allerdings massiv, das zeigen die Zahlen der letzen Wochen. Innerhalb einer Woche stiegen die Quarantänezahlen in NRW von 13.590 Schülern auf 50.152. Insofern ist die Maßnahme der Weihnachtsferienverlängerung für Martina Reiske ein wenig durchdachter Schnellschuss: „Die Kraft müsste vielmehr jetzt dahin gehen, die Infektionszahlen an den Schulen mit gezielten Maßnahmen bis Weihnachten deutlich zu verringern“, sagt die Leiterin der Bielefelder Sudbrackschule, die Vorstandsmitglied der Schulleitungsvereinigung NRW ist. An der Stelle passiere aber gar nichts.
Auch sei der vom Schulministerium anvisierte Zustand einer Vorweihnachts-Quarantäne schlichtweg unrealistisch: „Das ist für viele berufstätige Eltern gar nicht zu leisten. Die sind in diesen zwei zusätzlichen Tagen auf Notbetreuung in den Schulen angewiesen. Dann treffen die Kinder kurz vor Weihnachten trotzdem viele andere Schüler – und dann auch noch in neu gemischten Gruppen.“
Wie angewiesen Eltern auf diese Möglichkeiten sind, zeigt sich dieser Tage auch bei der Landeselternkonferenz. „Eltern haben keine Kapazitäten mehr. Die wollen konkrete Maßnahmen, um in diesem Moment mehr Schutz an die Schulen zu kriegen“, sagt die Vorsitzende Anke Staar. „Dazu gehört auch in immer stärkerem Maßedie Forderung, die Klassen zu verkleinern, um die Infektionszahlen bis Weihnachten in den Griff zu kriegen. Dann kann man auch mit der Familie feiern – aber nicht durch eine fix hergestellte Quarantäne-Situation, die eh keiner einhalten kann.“
Auch die Landesschülervertretung NRW fordert seit Wochen stärkere Schutzmaßnahmen für den Präsenzunterricht an Schulen. Die Maßnahme zur Sicherung des familiären Weihnachtsfestes begrüßt man aber. „In den zwei Tagen ist vom Stoff her inhaltlich nicht so viel rauszuholen, dass man nicht auf sie verzichten könnte“, sagt Vorstandsmitglied Johanna Börgermann aus Herford. „Allerdings wäre es fatal, wenn es bei dieser einen Maßnahme bliebe. Wir brauchen mehr Infektionsschutz, diese Forderung bleibt dringlich.“
Laut Verband Lehrer NRW fehlt es an Möglichkeiten für Schulen, frei zu agieren: „Da, wo Präsenzunterricht in voller Klassenstärke nicht mehr möglich oder aufgrund des Infektionsgeschehens zu riskant ist, muss es Alternativen geben, und zwar passend zu den Möglichkeiten der jeweiligen Schule und Infektionslage“, sagt der stellvertretende Vorsitzende Sven Christoffer.“Andere haben noch konkretere Forderungen – die tief blicken lassen. Die gung NRW verlangt direkte Kontakte zu den Gesundheitsämtern – um nicht stundenlang in Warteschleifen der Bürgerhotlines festzuhängen.