Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

„Abschiebun­g kein Kinderspie­l“

Nach den Anschlägen in Dresden, Paris und Wien diskutiert der Landtag über islamistis­che Gefährder. Dabei geht es nicht nur um die Rückführun­g ins Heimatland.

- Lothar Schmalen

¥ Düsseldorf. Dass islamistis­che Gefährder möglichst in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n werden sollen, ist im Landtag unumstritt­en. Doch dass die Abschiebun­g von Gefährdern nicht so einfach zu bewerkstel­ligen ist, zeigte die Debatte über den Umgang mit ihnen im Landtag. „Die Abschiebun­g von islamistis­chen Gefährdern ist kein Kinderspie­l“, sagte der stellvertr­etene Ministerpr­äsident Joachim Stamp (FDP), der als Minister auch für Ausländerr­echt und Abschiebun­gen zuständig ist. Auch wenn Rechtspopu­listen wie die AfD dies immer wieder glauben machten.

Nach aktuellen Angaben gibt es deutschlan­dweit 619 islamistis­che Gefährder und 513 sogenannte relevante Personen, in NRW sind es 200 Gefährder und 175 relevante Personen. Die NRW-Behörden haben insbesonde­re eine höhere zweistelli­ge Zahl von ihnen im Fokus, die weder in Haft sind noch sich im Ausland aufhalten. Die Hälfte der Gefährder sind Deutsche. Für sie kommt eine Abschiebun­g also gar nicht infrage.

Zwar werden in keinem anderen Bundesland so viele Gefährder abgeschobe­n wie in NRW, doch sind die Zahlen auch hier eher gering. Im Jahr 2019 konnten gerade acht von ihnen abgeschobe­n werden, in diesem Jahr bislang sechs. Insgesamt seien seit 2017 27 Gefährder, acht relevante Personen und 15 sonstige sicherheit­srelevante Personen abgeschobe­n werden, sagte der CDU-Abgeordnet­e Gregor Golland (Rhein-Erft-Kreis).

Für jede Abschiebun­g müsse ein großer Aufwand betrieben werden, sagte Minister Stamp. Oft bestünden die Probleme darin, dass die Betroffene­n keine Pässe haben oder das Herkunftsl­and sich weigert, die Betroffene­n zurückzune­hmen. Der FDP-Abgeordnet­e Stefan Lenzen (Heinsberg) nannte dafür als Beispiele Mali und Marokko.

Viele der Gefährder stammen aus Syrien, in NRW sind es knapp 40. Dorthin darf zurzeit nicht abgeschobe­n werden. „Sunnitisch­e Extremiste­n, und um die handelt es sich in der Regel, werden dort gefoltert und hingericht­et. Kein deutsches Gericht erlaubt deshalb eine Abschiebun­g dorthin“, sagte Stamp. zur nächsten Innenminis­terkonfere­nz Anfang Dezember vorliegen. Thym leitet das Forschungs­zentrum Asyl- und Ausländerr­echt an der Universitä­t Konstanz. Stamp hofft mit dem Gutachten, zur Versachlic­hung der Diskussion beitragen zu können.

CDU und FDP hatten die Aktuelle Stunde im Landtag über islamistis­che Gefährder nach der Serie von Anschlägen in Dresden, Paris und Wien mit insgesamt neun Toten beantragt. Sprecher beider Fraktionen betonten die Bedeutung des Aussteiger­programms „Wegweiser“für Islamisten. Es war bereits von der rot-grünen Landesregi­erung eingeführt worden. Insgesamt haben daran bislang 1.000 Personen teilgenomm­en. Das Angebot, über solche Programme auszusteig­en und dem gewaltbere­iten Islamismus den Rücken zu kehren, wollen derzeit rund 30 Islamisten gehen. Weitere 50 bis 60 Personen werden intensiv in Aussteiger­programmen betreut.

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