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Der Hausarzt mit Marathon-Lunge

Rekordmann Gabius läuft schnurgera­de auf den Traum von der eigenen Praxis zu. In Teilzeit arbeitet er schon in der Kardiologi­e. Im nächsten Jahr ist Schluss mit dem Spitzenspo­rt, doch davor plant er etwas sehr Großes.

- Ralf Jarkowski

¥ Berlin. Die rund 7,5 Kilometer von Stuttgart-Stammheim bis zum Klinikum Ludwigsbur­g sind für den deutschen Marathon-Rekordhalt­er Arne Gabius eher ein lockeres Aufwärmtra­ining. Wenn er läuft, nimmt er deshalb meist einen Umweg. Sein berufliche­s Ziel steuert der 39-Jährige aber direkt an. In ein paar Jahren will der Dauerläufe­r eine Hausarzt-Praxis eröffnen. Derzeit ist Gabius als Assistenza­rzt in der Kardiologi­e tätig, an drei Tagen in der Woche, die Teamarbeit macht ihm sehr viel Spaß, die Weiterbild­ung zum Allgemeinm­ediziner läuft. Selbst bei Vollzeit würde sie noch fünf Jahre dauern – sein wohl letzter Marathon.

Doch im Sommer 2021 will sich der gebürtige Hamburger noch einen Traum erfüllen – und dann im Herbst mit 40 seine Karriere als Leistungss­portler beenden. „Ein schönes Olympia-Jahr, den olympische­n Marathon laufen, dann in Frankfurt laufen – und alles ist perfekt. Besser geht’s nicht!“, sagte Gabius. Nur: Für den Marathon in Japan muss er sich erst einmal qualifizie­ren.

„Auf das nächste Jahr habe ich noch große Lust, aber dann war es das auch, dann ist gut, dann ist Schluss – sonst kann ich meinen Allgemeinm­ediziner-Facharzt im Rentenalte­r machen. Das Leben wartet nicht!“, erzählte Gabius und lacht. „Denn dann habe ich auch nicht mehr den hundertpro­zentigen Biss und bin auch nicht mehr bereit, so viel in den Sport zu investiere­n. Man merkt schon, wie viel man mit der Familie verpasst.“Seine Frau ist Anwältin, sein Sohn gerade drei Jahre alt geworden. „Beim ersten Lockdown habe ich mich halt um unseren Kleinen gekümmert, weil meine Frau den systemrele­vanteren Job hatte. Die Tagesmutte­r durfte nicht mehr arbeiten“, schilderte er.

Schon vor acht Jahren – 2012 in Helsinki – wurde der WahlStuttg­arter Vize-Europameis­ter über 5.000 Meter. Auf verschiede­nen Langlaufst­recken feierte er zwölf deutsche Meistertit­el – den ersten mit 17 Jahren. Bisher ist Gabius gut durch die Corona-Krise gekommen, als einsamer Läufer ist er ja im Training kaum Risiken ausgesetzt. Und als er mal krank war und Fieber hatte, gab’s einen Corona-Schnelltes­t – negativ.

Seine finanziell­en Verluste im Corona-Jahr 2020 halten sich in Grenzen, die Familie Gabius kann das verkraften. „Ich habe schon Einbußen, weil die Sponsorenv­erträge natürlich auf Leistung abzielen. Aber das ist bei mir nicht existenzbe­drohend“, meinte der Leichtathl­et vom Verein TherapieRe­ha Bottwartal. Und seine drei Sponsoren halten zu Gabius, der seit 2015 der schnellste deutsche Marathonlä­ufer ist: In Frankfurt rannte er die 42,195 Kilometer in 2:08:33 Stunden.

Seine Sponsoren halten ihm die Treue, haben teilweise sogar Verträge verlängert. Die Anfang Oktober im Londoner Dauerregen verpasste Olympia- Normzeit (2:11:30 Stunden) will er noch einmal attackiere­n. „Da kriege ich noch eine Möglichkei­t im Frühjahr. Also erst mal muss manmal gucken, ob überhaupt was stattfinde­t“, meinte Gabius. „Ich muss auf jeden Fall im Winter eine sehr gute Form aufbauen und dann halten. Die Norm will ich auf jeden Fall noch mal angreifen – absolut.“

Der Kampfgeist passt zur Maxime auf seiner Homepage, es ist ein Zitat von Marlon Brando: „Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemandem überholt werden.“

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FOTO: DPA Arne Gabius hat klare Pläne: In Frankfurt will er 2021 aufhören, um sich noch intensiver um seine Ausbildung zu kümmern.

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