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Warum sich Vettel mit Erfolgen im Ferrari selbst schaden würde
Das Auto des Deutschen schwächelt, seine Crew macht Fehler. Dennoch weckt der Wechsel zu Aston Martin böse Vermutungen.
¥ Istanbul (sid). Vier Rennen noch, dann hat Sebastian Vettel es geschafft. Noch vier Starts für Ferrari, für ein Team also, das ihn eigentlich nicht mehr braucht, dann endlich darf er wieder eine Rolle spielen – das versichert ihm sein künftiger Rennstall immer wieder.
„Wennernurdie Tür zur Fabrik aufmacht, wird das die Motivation jedes einzelnen Mitarbeiters steigern“, sagt Andy Green, Technikchef bei Racing Point, das im kommenden Jahr Aston Martin heißt: „Sebastian wird uns unheimlich viel helfen.“
Ab „Januar, Februar“, so Vettel, „werde ich mich mit aller Kraft in dieses Projekt werfen“. Eine nette Randnotiz indes ist, dass der Deutsche seinem nächsten Arbeitgeber schon jetzt hilft. Denn nur durch die Schwäche von Vettel und Ferrari hat Racing Point die Chance auf die beste Saison der Team-Historie: Hinter Mercedes und Red Bull winkt Rang drei in der Konstrukteurs-WM– ein Erfolg, der dem Rennstall pünktlich zu Vettels Ankunft einen millionenschweren Bonus bringen würde. Und genau diese „Mini-WM“ist vor dem Großen Preis der Türkei am Sonntag (11.10 Uhr/ der eigentliche Hingucker in der Formel 1. An der Spitze ist alles entschieden, Mercedes ist TeamWeltmeister, Lewis Hamilton kann schon in Istanbul seinen siebten Fahrertitel perfekt machen. Racing Point, McLaren (beide 134 Punkte) und Renault (135) aber kämpfen bemerkenswert ausgeglichen um Rang drei: Nur ein Punkt trennt die drei Teams.
Ferrari (103) liegt schon etwa 30 Zähler zurück. Und die Ausschüttung der Gelder an die Teams richtet sich unter anderem nach der Abschlussplatzierung. In coronafreien Jahren lag der Unterschied zwischen Rangdrei undRangsechs bei deutlich mehr als zehn Millionen Euro. Auch in der Krise würde die „Bronzemedaille“einen Betrag einbringen, der für ein Team dieser Größenordnung einen echten Unterschied macht.
Racing Point gilt momentan tatsächlich als drittstärkste Kraft. Aus den verschiedensten Gründen verlor das Team in diesem Jahr Punkte. Der pinke Rennwagen war als Kopie des Vorjahres-Mercedes in die Saison gegangen, das Team hatte dafür Kritik geerntet und einen 15-Punkte-Abzug kassiert. In den vergangenen Wochen brachte Racing Point aber umfangreiche Updates, die gut funktionieren. Das Team emanzipierte sich damit vom Silberpfeil-Design. Und machte auch Vettel deutlich, dass für die kommenden Jahre mit starken eigenen Ideen zu rechnen ist.
Ferrari dürfte Racing Point im Endspurt nicht mehr gefährlich werden, und dafür sorgt vor allem der Deutsche. Nur 18 Punkte fuhr er bislang ein, sein Teamkollege Charles Leclerc kam bereits auf 85 Zähler. Der Monegasse kommt deutlich besser mit den Eigenheiten des roten Autos zurecht. Bei Racing Point macht man sich angesichts der anhaltend schwachen Vorstellungen des Hessen aber noch keine Sorgen. Eine Wohlfühl-Atmosphäre soll helfen. „Keiner verlernt, wie man ein Auto schnell fährt“, sagte Technikchef Green bei Auto,
„Das ganze Team will ihn. Das wird er spüren.“
Vettel soll endlich wieder eine Rolle spielen.