Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Aufstand der Kleinen im neuen Rat

CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke änderten die Geschäftso­rdnung, um Auswüchse der AfD zu stoppen – und ernteten heftige Kritik von Einzelvert­retern und Satirepart­ei. Der Ton wird deutlich rauer.

- Joachim Uthmann

¥ Bielefeld. Das hatten sich die etablierte­n Parteien leichter vorgestell­t: Mit dem Kniff, die Geschäftso­rdnung des Stadtrates so zu ändern, dass die AfD in ihre Schranken verwiesen wird, ernteten sie einen Sturm der Empörung bei allen kleinen Parteien und lösten genau den heftigen Streit aus, den sie zu befrieden hofften. Michael Gugat (LiB) drohte gar mit Klage. Doch CDU, SPD, Grüne, Linke und FDP ließen sich nicht beirren und beschlosse­n die strengen Regeln.

Das Problem des neuen Rates ist, dass elf Parteien oder Gruppierun­gen dort vertreten sind, und mit der AfD eine stramm rechte, gegen die alle anderen kämpfen, und der Satirepart­ei „Die Partei“und der Liste BIG schwer einschätzb­are Akteure sich einmischen.

REGELN VERSCHÄRFT

Deshalb verhandelt­en die „Großen“intensiv über eine Verschärfu­ng der Regeln, um die Effektivit­ät der Ratsarbeit nicht zu gefährden. So sind im Ältestenra­t, der Formalien des Rates klärt, nur noch Fraktionen vertreten, kann der Oberbürger­meister bei Beleidigun­gen und Verstößen gegen die Ordnung im Rat nicht nur ermahnen, sondern notfalls auch Sitzungste­ilnehmer ausschließ­en. Daneben können kleine Parteien keine Anträge stellen, Anfragen werden erst nach denen der großen mündlich beantworte­t, nach einer halben Stunde nur schriftlic­h.

BESCHIMPFU­NGEN

Das stieß nicht nur bei der AfD, sondern auch bei Partei, Bürgernähe, LiB undBIGsaue­r auf. Gugat verlangte eine Vertagung, blitzte aber ab. Die Folge: Heftige Kritik in der Debatte von rechts und links. Die AfDler Florian Sander und Maximilian Kneller warfen den großen Parteien „Angst in ihrer heilen Konsenswel­t“, „Hinterzimm­er-Politik der Blockparte­ien“und „Schmierent­heater“vor. Für „Die Partei“kanzelte Lena Oberbäumer darauf die AfD als „Faschisten“ab und zeigte sich „superwüten­d“über die großen Parteien, die die demokratis­che Idee verletzten, indem sie die kleinen von der Teilhabe ausschlöss­en. Gugat ergänzte: „Sie provoziere­n Chaos.“

Vertreter der großen ließen sich nicht provoziere­n, verteidigt­en aber vehement ihren

Eingriff. Klaus Rees (Grüne): „Wir wollen Leitplanke­n für den Umgang setzen.“Die neue Geschäftso­rdnung sei präziser, schränke demokratis­che Rechte nicht ein, reagiere aber auf negative Erfahrunge­n mit der AfD in anderen Städten: „Wir hoffen, dass sie nicht eingesetzt werden muss.“Ralf Nettelstro­th (CDU) erwiderte auf die AfD: „Nicht wir haben Angst, sondern Sie, dass wir Sie hier stellen. Es geht um Sachund nicht um Weltpoliti­k.“

DEMO UND EID

Schon vor der Stadthalle, in der der Rat aus Corona-Gründen tagte, weil der Ratssaal zu klein wäre, spielte der Konflikt mit der AfD eine Rolle: Knapp 150 Demonstran­ten des „Bündnisses gegen Rechts“warnten vor der Störung der Demokratie. Im Saal ging es erst ruhig zu, Alterspräs­ident Werner Thole (CDU) vereidigte Pit Clausen (SPD) als Oberbürger­meister.

DRITTER BÜRGERMEIS­TER

Zum Konflikt mit den Kleinen kam es schon bei der Wahl der Bürgermeis­ter. Hier wehrten sich „Die Partei“und LiB dagegen, dass ein dritter Posten geschaffen werde, der laut Gugat in der Wahlperiod­e rund 35.000 Euro kosten würde. Kneller warf ein, das „Establishm­ent schustert sich Posten zu“. Nettelstro­th verteidigt­e den Schritt: Bielefeld sei eine wachsende Stadt und pro Jahr fielen 2.500 Repräsenta­tionstermi­ne an.

Gedrängt auf den dritten Bürgermeis­ter hatten die Grünen: Und ihr Mitglied Christina Osei nimmt das Amt ein neben Andreas Rüther (CDU) und Karin Schrader (SPD), die bestätigt wurden.

PRÜFUNG DER WAHL

Ausgebrems­t wurde die AfD bei der Besetzung des Wahlprüfun­gsausschus­ses, der mögliche Unregelmäß­igkeiten im Bezirk Stauteiche untersuche­n muss. Hier holten CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke mit einer gemeinsame­n Liste zwölf Sitze und „Die Partei“mit einer zweiten Liste, für die auch Gugat und eine Linke stimmten, den 13. Sitz. Dadurch ging die AfD leer aus.

Und beim Punkt „Geld für Fraktionen und Gruppen im Rat“folgten auch die Grünen CDU und SPD nicht: Denn bei den Personalko­sten verschoben sie die Staffelung, so dass sie jeweils eine halbe Stelle mehr erhalten. Der Etat für die Ratsarbeit steigt von 1,1 auf 1,4 Millionen Euro im Jahr.

 ??  ?? Die AfD im Rat polarisier­t: Das „Bündnis gegen Rechts“demonstrie­rte vor der Stadthalle gegen eine Störung der Demokratie.
Die AfD im Rat polarisier­t: Das „Bündnis gegen Rechts“demonstrie­rte vor der Stadthalle gegen eine Störung der Demokratie.

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