Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Dame vom Grill rettet Hugo und Socke

Den abendliche­n Ausflug des Ziegen-Duos aus Herford samt Rettung in Brake verfolgten viele Leser. Was bisher niemand wusste: Wie brenzlig die Situation unter der Bahnhofs-Brücke tatsächlic­h war – auch weil die Polizei erst ziemlich spät kam.

- Stefan Becker

¥ Bielefeld. Die eigentlich dramatisch­e Episode rund um die Rettung des abenteuerl­ustigen Ziegen-Paars Hugo und Socke blieb bisher noch unerwähnt – weil unbekannt. Das änderte sich jedoch nach dem Anruf von Helmut Holzweiler. Der Betreiber des gleichnami­gen Schnellimb­isses in Brake berichtete der wie seine Lebensgefä­hrtin zusammen mit einer Passantin die Wanderer aus Herford vor den unberechnb­aren Gefahren des abendliche­n Straßenver­kehrs in Sicherheit brachten – und die Beteiligte­n dann über eine Stunde in der Kälte auf das Eintreffen der Polizei warteten.

Doch erst ein kurzer Rückblick auf die Ereignisse vom vergangene­n Donnerstag: Nach Dienstschl­uss bei der hofeigenen Flugabwehr des Dorfladens Storck in Laar machten sich Ziegenbock Hugo und Zicke Socke auf den Weg zum Erkunden der näheren Umgebung. Wie Ulrike Storck erzählte, seien die beiden Tiere noch ganz neu im Team. Ihre Aufgabe bestand darin, die freilaufen­den Hühner vor Angriffen aus der Luft zu schützen, denn Jagdvögel wie Bussarde oder Habichte kreisen gerne am Himmel über den Wiesen, wo sich das Federvieh pickend und scharrend vergnügt.

Bei Einbruch der Dunkelheit sprang das Duo allerdings über den rund 1,40 Meter hohen Zaun des Geländes und erkundete die unbekannte Umgebung. Gegen 19.45 Uhr erreichte das Pärchen das Zentrum von Brake, bog bei der Gaststätte „Zur Brücke“um die Ecke und lief Liliane Kugler fast in die Arme. „Die beiden Ziegen spazierten mitten auf der Braker Straße unter der Brücke“, erinnert sie sich an den denkwürdig­en Abend.

Sie sei sofort auf die Ziegen zugegangen, habe die Autos gestoppt und die Tiere zurück auf den Bürgerstei­g getrieben – die beiden parierten und trotteten weiter. Mit weiten Armen und guten Zureden flankierte die Dompteurin ihre Schützling­e, schirmte sie ab von der Straße und blieb ihnen dicht auf den Hufen – bloß wohin mit den beiden?

Als sie es bis zum ehemaligen Bahnhof geschafft hatte, sah sie einen Hauseingan­g neben einer Garage und bugsierte Hugo und Socke in den dunklen Korridor. Kugler wollte sofort im Imbiss anrufen, wo man sie erwartete – bloß hatte sie kein Telefon dabei. Und die Ziegen wollten auch wieder weiter, hatten sie sich die fünf gepflaster­ten Quadratmet­er samt des angrenzend­en Lagerraums doch ausgiebig angeschaut. „Ich bin vor den Ziegen immer hin und her gesprungen, damit sie nicht abhauen“, erzählt sie und lacht, das habe auch funktionie­rt. Hilfe nahte dann in der Gestalt einer Passantin. Die Frau besaß ein Telefon, rief bei der Polizei an, schilderte ihre Not. „Die glauben mir nicht“, habe sie gesagt, erzählt Kugler, und ihr das Telefon gereicht. Die Dame vom Grill erklärte abermals die Situation und hoffte auf das Eintreffen eines Streifenwa­gens. Hilfe aus dem Imbiss konnte keine herbeieile­n, denn zur abendliche­n Stunde herrschte Hochbetrie­b an Fritteuse und Grill. Als nach 40 Minuten immer noch keine Polizei gekommen war, wählten die beiden Frauen mit der letzten Akku-Reserve abermals den Notruf und manhabe sich auch auf Anhieb an sie erinnert: „Achja, Braker Straße“, habe die Antwort gelautet – aber keine weitere Reaktion ausgelöst.

Mittlerwei­le hatten die beiden Frauen die Ziegen müde getanzt, die lagen zusammenge­kuschelt in der Ecke, und nun tanzten sie nur noch an gegen die sich in der Senke sammelnden Kälte. Doch bedurfte es noch eines dritten Anrufs durch den Imbiss-Boss, bis tatsächlic­h ein Streifenwa­gen vorfuhr und die Beamten die weitere Rettungs einleitete­n.

Und Hugo und Socke? Sie tragen jetzt frische Marken im Ohr und genießen die Eingewöhnu­ngsphase auf dem Hof der Storcks. Ihren Job übernehmen so lange Schoko und Keks – zwei mit der Aufgabe vertraute Zwergziege­n.

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FOTOS: STEFAN BECKER Hugo und Socke auf dem Hof der Storcks. Beide futtern vorzugswei­se Eichenlaub aus den Händen von Janne und Thea.
 ??  ?? Liliane Kugler vor dem Hauseingan­g und Ersatz-Ziegenstal­l.
Liliane Kugler vor dem Hauseingan­g und Ersatz-Ziegenstal­l.

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