Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Dame vom Grill rettet Hugo und Socke
Den abendlichen Ausflug des Ziegen-Duos aus Herford samt Rettung in Brake verfolgten viele Leser. Was bisher niemand wusste: Wie brenzlig die Situation unter der Bahnhofs-Brücke tatsächlich war – auch weil die Polizei erst ziemlich spät kam.
¥ Bielefeld. Die eigentlich dramatische Episode rund um die Rettung des abenteuerlustigen Ziegen-Paars Hugo und Socke blieb bisher noch unerwähnt – weil unbekannt. Das änderte sich jedoch nach dem Anruf von Helmut Holzweiler. Der Betreiber des gleichnamigen Schnellimbisses in Brake berichtete der wie seine Lebensgefährtin zusammen mit einer Passantin die Wanderer aus Herford vor den unberechnbaren Gefahren des abendlichen Straßenverkehrs in Sicherheit brachten – und die Beteiligten dann über eine Stunde in der Kälte auf das Eintreffen der Polizei warteten.
Doch erst ein kurzer Rückblick auf die Ereignisse vom vergangenen Donnerstag: Nach Dienstschluss bei der hofeigenen Flugabwehr des Dorfladens Storck in Laar machten sich Ziegenbock Hugo und Zicke Socke auf den Weg zum Erkunden der näheren Umgebung. Wie Ulrike Storck erzählte, seien die beiden Tiere noch ganz neu im Team. Ihre Aufgabe bestand darin, die freilaufenden Hühner vor Angriffen aus der Luft zu schützen, denn Jagdvögel wie Bussarde oder Habichte kreisen gerne am Himmel über den Wiesen, wo sich das Federvieh pickend und scharrend vergnügt.
Bei Einbruch der Dunkelheit sprang das Duo allerdings über den rund 1,40 Meter hohen Zaun des Geländes und erkundete die unbekannte Umgebung. Gegen 19.45 Uhr erreichte das Pärchen das Zentrum von Brake, bog bei der Gaststätte „Zur Brücke“um die Ecke und lief Liliane Kugler fast in die Arme. „Die beiden Ziegen spazierten mitten auf der Braker Straße unter der Brücke“, erinnert sie sich an den denkwürdigen Abend.
Sie sei sofort auf die Ziegen zugegangen, habe die Autos gestoppt und die Tiere zurück auf den Bürgersteig getrieben – die beiden parierten und trotteten weiter. Mit weiten Armen und guten Zureden flankierte die Dompteurin ihre Schützlinge, schirmte sie ab von der Straße und blieb ihnen dicht auf den Hufen – bloß wohin mit den beiden?
Als sie es bis zum ehemaligen Bahnhof geschafft hatte, sah sie einen Hauseingang neben einer Garage und bugsierte Hugo und Socke in den dunklen Korridor. Kugler wollte sofort im Imbiss anrufen, wo man sie erwartete – bloß hatte sie kein Telefon dabei. Und die Ziegen wollten auch wieder weiter, hatten sie sich die fünf gepflasterten Quadratmeter samt des angrenzenden Lagerraums doch ausgiebig angeschaut. „Ich bin vor den Ziegen immer hin und her gesprungen, damit sie nicht abhauen“, erzählt sie und lacht, das habe auch funktioniert. Hilfe nahte dann in der Gestalt einer Passantin. Die Frau besaß ein Telefon, rief bei der Polizei an, schilderte ihre Not. „Die glauben mir nicht“, habe sie gesagt, erzählt Kugler, und ihr das Telefon gereicht. Die Dame vom Grill erklärte abermals die Situation und hoffte auf das Eintreffen eines Streifenwagens. Hilfe aus dem Imbiss konnte keine herbeieilen, denn zur abendlichen Stunde herrschte Hochbetrieb an Fritteuse und Grill. Als nach 40 Minuten immer noch keine Polizei gekommen war, wählten die beiden Frauen mit der letzten Akku-Reserve abermals den Notruf und manhabe sich auch auf Anhieb an sie erinnert: „Achja, Braker Straße“, habe die Antwort gelautet – aber keine weitere Reaktion ausgelöst.
Mittlerweile hatten die beiden Frauen die Ziegen müde getanzt, die lagen zusammengekuschelt in der Ecke, und nun tanzten sie nur noch an gegen die sich in der Senke sammelnden Kälte. Doch bedurfte es noch eines dritten Anrufs durch den Imbiss-Boss, bis tatsächlich ein Streifenwagen vorfuhr und die Beamten die weitere Rettungs einleiteten.
Und Hugo und Socke? Sie tragen jetzt frische Marken im Ohr und genießen die Eingewöhnungsphase auf dem Hof der Storcks. Ihren Job übernehmen so lange Schoko und Keks – zwei mit der Aufgabe vertraute Zwergziegen.