Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Kultur als Standortvorteil
Die Bundestagsabgeordnete Britta Haßelmann debattierte mit Kunstschaffenden, Veranstaltern und Politikern. Sie alle hoffen auf mehr bürgerschaftliches Engagement.
¥ Bielefeld. Eine kompetente Runde von Kulturschaffenden und Kulturbegeisterten der Stadt folgte dem Ruf der Bielefelder Bundestagsabgeordneten Britta Haßelmann (Die Grünen) und fand sich zu einer Online-Diskussionsrunde ein. „Kultur unter Corona“stand über diesem virtuellen Treffen, an dem unter anderem Ralph Würfel vom Theaterhaus Tor 6, Michael Heicks, Intendant des Stadttheaters, sowie das Ensemble-Mitglied Cornelie Isenbürger teilnahmen. Auch Marianne Weiß vom Kulturamt und ihre grüne Parteifreundin Christina Osei gehörten zum DebattierZirkel, wie auch Martin Knabenreich von Bielefeld Marketing, der Konzertveranstalter Tom Kummerfeldt (Newtone), der Stadthallen-Chef Stephan Kipp oder die Bielefelder Künstlerin Marie PascaleGräbener.
Es war kein wehleidiges Wundenlecken, wie angesichts der Teilnehmerrunde befürchtet werden durfte und kein Gejammer, sondern ein kreativer und konstruktiver Gedankenaustausch – auch wenn sich Michael Heicks gleich zu Beginn beschwerte: „Die Politik sieht die Kultur irgendwo zwischen Sport, Prostitution und Unterhaltung!“
„Die Politik“, das ist eben auch die Gastgeberin und parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann. Ihre Partei brachte sich vor ein paar Wochen mit einem Zehn-Punkte-Positionspapier in Stellung, im dem es einleitend heißt: „Die Existenz der Veranstaltungsbranche ist massiv gefährdet: Insgesamt sind in Deutschlands sechstgrößtem Wirtschaftszweig mit 130 Milliarde Euro Umsatz eine Million Jobs bedroht. Kein anderer Wirtschaftszweig leidet immer noch so massiv unter der Corona-Pandemie.“Harte Zahlen für die gesamte Republik und – „runtergerechnet“auf Ostwestfalen: Über 11.500 Unternehmen aller Sektoren der Kreativwirtschaft sind in Ostwestfalen angesiedelt. Dabei ist der Werbemarkt mit rund 4.300 Unternehmen weit vorne, gefolgt vom Markt für darstellende Künste (1.700 Unternehmen) und der Filmwirtschaft (1.550 Unternehmen). Ganz ohne Zahlen kommt Christina Osei aus. Sie bemerkt zu ihrer Stadt Bielefeld: „Kunst und Kultur sind auch ein Standortvorteil.“Das klingt lapidar, hat aber Gewicht! fel vom Theaterhaus Tor 6 zu Wort: „Kunst lebt von der Begegnung des Menschen“, stellt er fest und weiter: „Wir versuchen die Pandemie mitzudenken.“„Versuch macht kluch“, sagt man in Westfalen, und das Unternehmerpaar Heidrun und Frank Strikker („SHS Consult“) zieht so einen Versuch aus dem Ärmel: „Wie denkt Ihr über eine Art ‚Fonds‘ nach, in den Bielefelder einzahlen, was sie auch sonst für Kultur bezahlen und sie dafür ein ‚Puzzlestück‘ (haptisch) eines großen Kultur-Kunst-Projektes „We Are Culture“(oder so) bekommen, sobald die Veranstaltungen wieder laufen? Wie ein Vorschuss?“Oder wie die Aktion „Ein Stein für die Burg“, die vor Jahren in Bielefeld erfolgreich initiiert wurde, ein bürgerschaftliches Engagement. Diese Burg, die Sparrenburg, wurde vor Monaten, nach dem ersten Lockdown illuminiert in der Alarmfarbe Rot als weithin sichtbares Symbol für die Not in der Kultur, als steinerner Lobbyist. Die Farbe ist wieder verschwunden, „Alarmstufe Rot“aber noch lange nicht. „Das alles wird keine Debatte sein, die man in Bielefeld löst“, mit diesen Worten schließt Britta Haßelmann die Gesprächsrunde. Aber vielleicht kann man die Debatte in Berlin lösen. Als Abgeordnete hat sie ja einen guten Draht in die Hauptstadt.