Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Gefährliche Frauenhasser im Netz
Junge heterosexuelle Männer, die Frauen hassen und im Internet Gewaltfantasien verbreiten – aus ihrer Gedankenwelt machen sie kein Geheimnis, doch Beamte des BKA fragen sich, wie weit sie gehen würden.
¥ Bielefeld. Sie nennensich Incels. Junge heterosexuelle Männer, die Frauen hassen und verachten. Incel – das steht für „involuntary celibate“, was zu deutsch so viel wie „unfreiwillige Enthaltsamkeit“heißt. Sie hatten noch nie Sex. Viele von ihnen haben von Frauen Zurückweisung erfahren. In Internetforen tauschen sie sich aus und radikalisieren sich. Sie geben der Gesellschaft, aber vor allem Frauen, die Schuld an ihrer Einsamkeit.
Die Postings der jungen Männer im Internet sind erschütternd und offenbaren ihre Weltanschauung. In ihren Augen haben sie als heterosexuelle Männer ein Recht auf Geschlechtsverkehr. Frauen haben für sie keinen Wert. Vielmehr sind die ihrer Meinung nach der Ursprung ihrer Probleme. In der Welt der Incels sind Frauen oberflächlich und nur an großen und muskulösen Männern mit breiten Kieferknochen und markanten Augenbrauen interessiert. Äußerliche Merkmale, die auf die Incels nicht zutreffen. Hoffnung sehen sie nicht, weswegen sie sich gegenseitig zum Selbstmord raten oder mit Anschlägen wie einem Amoklauf drohen. Auch Fantasien von Vergewaltigungsszenen werden ausgetauscht.
Der Ausgangspunkt für die Bewegung der Incels ist laut Björn Süfke das geänderte Geschlechterverhältnis in der Gesellschaft. „Für die meisten Männer bedeuten neue Rollenverteilungen ebenso neue Freiheiten und Möglichkeiten wie für Frauen“, sagt der Psychotherapeut, der seit über 20 Jahren in der Bielefelder Beratungsstelle „Man-o-Mann“Männer berät. „Doch einige geraten dadurch in eine Krise – sie fühlen sich in ihrer männlichen Identität verunsichert.“Dabei liege es in der Natur der Sache, dass jüngere Männer davon eher betroffen seien, als diejenigen, die „ihre Schäfchen im trockenen haben“und nicht mehr aktiv in Sachen Partnersuche sind.
„Dieses Phänomen ist allerdings nicht neu“, betont Süfke. „Seit in vielen Situationen feministische Positionen gesellschaftstauglich geworden sind und damit für jeden Mann im Alltag spürbar sind, ist von den Männern eine gewisse Anpassungsfähigkeit gefordert.“Sogenannte Backlash-Tendenzen im Sinne des Antifeminismus habe es in dem Zusammenhang schon vorher gegeben, doch da die der IncelBewegung nicht gesellschaftstauglich sind, habe sie sich ins Internet verlagert. „Aber es steht außer Frage, dass sich das Problem dort verschärft.“
Dass die jungen Männer mit so viel Hass und Gewalt reagieren, führt Süfke auf die Emotionalität des Themas zurück. „Bei der Partnersuche zurückgewiesen zu werden, ist eine persönliche und sehr schmerzliche Erfahrung“, sagt er. Dennoch eine, die jeder schon gemacht habe. „Dochgerade Männer mit, nennen wir es mal, geringen Reflexionsräumen, neigen dazu, mit der sexuellen Selbstbestimmtheit der Frauen nicht umgehen zu können.“Daher die Suche nach einfachen Antworten.
Die Zurückweisung mit ihrem Aussehen zu begründen, entlastet sie als Person, denn für ihr Aussehen können sie nichts. In den Incel-Foren erfahren sie Bestätigung, weil es den anderen ähnlich geht. „Mit einem gemeinsamen Feindbild, den Frauen, denen sie die Schuld geben, erschaffen sie ein einfaches Weltbild und stellen so für sich eine innere Ordnung her.“Doch gemeinsam radikalisieren sie sich immer weiter. Neben dem Antifeminismus spielen auch Rassismus, Fremdenhass und Antisemitismus in den Foren eine Rolle. Der Attentäter von Halle, der in eine Synagoge eindringen wollte, bezeichnete sich als Incel und auch der Attentäter von Hanau, der in einer Shisha-Bar um sich schoss, wird der Bewegung zugeordnet. Noch liegen dem Bundeskriminalamt (BKA) keine bundesweiten Zahlen zu den Incels vor. Es habe noch keine Ermittlungen in der Szene gegeben. „Aber wir wissen, dass es diese Bewegung gibt und haben sie im Auge“, sagt BKA-Sprecherin Barbara Hübner. Wie viele von ihnen zur Tat schreiten würden, sei auch für sie schwer einzuschätzen.
Den jungen Männern aus ihrer Situation zu helfen, sei schwer, sagt Psychotherapeut Süfke. „Jeder andere würde auf die Idee kommen, mit anderen Charaktereigenschaften bei der Partnersuche zu punkten, wenn das Aussehen nicht reicht. Aber den Incels fehlt dafür die Selbst-Reflexion.“Durch den angestauten Hass und Frust, geraten sie in eine Negativ-Spirale und eine SelfFulfilling-Prophecy: Wer derart voller Hass auf Frauen ist, werde die Chancen nicht erhöhen, bei der Partnersuche erfolgreich zu sein.