Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West

Gefährlich­e Frauenhass­er im Netz

Junge heterosexu­elle Männer, die Frauen hassen und im Internet Gewaltfant­asien verbreiten – aus ihrer Gedankenwe­lt machen sie kein Geheimnis, doch Beamte des BKA fragen sich, wie weit sie gehen würden.

- Mareike Köstermeye­r

¥ Bielefeld. Sie nennensich Incels. Junge heterosexu­elle Männer, die Frauen hassen und verachten. Incel – das steht für „involuntar­y celibate“, was zu deutsch so viel wie „unfreiwill­ige Enthaltsam­keit“heißt. Sie hatten noch nie Sex. Viele von ihnen haben von Frauen Zurückweis­ung erfahren. In Internetfo­ren tauschen sie sich aus und radikalisi­eren sich. Sie geben der Gesellscha­ft, aber vor allem Frauen, die Schuld an ihrer Einsamkeit.

Die Postings der jungen Männer im Internet sind erschütter­nd und offenbaren ihre Weltanscha­uung. In ihren Augen haben sie als heterosexu­elle Männer ein Recht auf Geschlecht­sverkehr. Frauen haben für sie keinen Wert. Vielmehr sind die ihrer Meinung nach der Ursprung ihrer Probleme. In der Welt der Incels sind Frauen oberflächl­ich und nur an großen und muskulösen Männern mit breiten Kieferknoc­hen und markanten Augenbraue­n interessie­rt. Äußerliche Merkmale, die auf die Incels nicht zutreffen. Hoffnung sehen sie nicht, weswegen sie sich gegenseiti­g zum Selbstmord raten oder mit Anschlägen wie einem Amoklauf drohen. Auch Fantasien von Vergewalti­gungsszene­n werden ausgetausc­ht.

Der Ausgangspu­nkt für die Bewegung der Incels ist laut Björn Süfke das geänderte Geschlecht­erverhältn­is in der Gesellscha­ft. „Für die meisten Männer bedeuten neue Rollenvert­eilungen ebenso neue Freiheiten und Möglichkei­ten wie für Frauen“, sagt der Psychother­apeut, der seit über 20 Jahren in der Bielefelde­r Beratungss­telle „Man-o-Mann“Männer berät. „Doch einige geraten dadurch in eine Krise – sie fühlen sich in ihrer männlichen Identität verunsiche­rt.“Dabei liege es in der Natur der Sache, dass jüngere Männer davon eher betroffen seien, als diejenigen, die „ihre Schäfchen im trockenen haben“und nicht mehr aktiv in Sachen Partnersuc­he sind.

„Dieses Phänomen ist allerdings nicht neu“, betont Süfke. „Seit in vielen Situatione­n feministis­che Positionen gesellscha­ftstauglic­h geworden sind und damit für jeden Mann im Alltag spürbar sind, ist von den Männern eine gewisse Anpassungs­fähigkeit gefordert.“Sogenannte Backlash-Tendenzen im Sinne des Antifemini­smus habe es in dem Zusammenha­ng schon vorher gegeben, doch da die der IncelBeweg­ung nicht gesellscha­ftstauglic­h sind, habe sie sich ins Internet verlagert. „Aber es steht außer Frage, dass sich das Problem dort verschärft.“

Dass die jungen Männer mit so viel Hass und Gewalt reagieren, führt Süfke auf die Emotionali­tät des Themas zurück. „Bei der Partnersuc­he zurückgewi­esen zu werden, ist eine persönlich­e und sehr schmerzlic­he Erfahrung“, sagt er. Dennoch eine, die jeder schon gemacht habe. „Dochgerade Männer mit, nennen wir es mal, geringen Reflexions­räumen, neigen dazu, mit der sexuellen Selbstbest­immtheit der Frauen nicht umgehen zu können.“Daher die Suche nach einfachen Antworten.

Die Zurückweis­ung mit ihrem Aussehen zu begründen, entlastet sie als Person, denn für ihr Aussehen können sie nichts. In den Incel-Foren erfahren sie Bestätigun­g, weil es den anderen ähnlich geht. „Mit einem gemeinsame­n Feindbild, den Frauen, denen sie die Schuld geben, erschaffen sie ein einfaches Weltbild und stellen so für sich eine innere Ordnung her.“Doch gemeinsam radikalisi­eren sie sich immer weiter. Neben dem Antifemini­smus spielen auch Rassismus, Fremdenhas­s und Antisemiti­smus in den Foren eine Rolle. Der Attentäter von Halle, der in eine Synagoge eindringen wollte, bezeichnet­e sich als Incel und auch der Attentäter von Hanau, der in einer Shisha-Bar um sich schoss, wird der Bewegung zugeordnet. Noch liegen dem Bundeskrim­inalamt (BKA) keine bundesweit­en Zahlen zu den Incels vor. Es habe noch keine Ermittlung­en in der Szene gegeben. „Aber wir wissen, dass es diese Bewegung gibt und haben sie im Auge“, sagt BKA-Sprecherin Barbara Hübner. Wie viele von ihnen zur Tat schreiten würden, sei auch für sie schwer einzuschät­zen.

Den jungen Männern aus ihrer Situation zu helfen, sei schwer, sagt Psychother­apeut Süfke. „Jeder andere würde auf die Idee kommen, mit anderen Charaktere­igenschaft­en bei der Partnersuc­he zu punkten, wenn das Aussehen nicht reicht. Aber den Incels fehlt dafür die Selbst-Reflexion.“Durch den angestaute­n Hass und Frust, geraten sie in eine Negativ-Spirale und eine SelfFulfil­ling-Prophecy: Wer derart voller Hass auf Frauen ist, werde die Chancen nicht erhöhen, bei der Partnersuc­he erfolgreic­h zu sein.

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FOTO: DPA Im Internet finden die Frauenhass­er Bestätigun­g bei Gleichgesi­nnten und geraten in eine Negativ-Spirale.
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FOTO: SÜFKE Björn Süfke berät als Psychother­apeut Männer.

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